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Robert Louis Stevenson - Gesammelte Werke. Robert Louis Stevenson
Читать онлайн.Название Robert Louis Stevenson - Gesammelte Werke
Год выпуска 0
isbn 9783746750095
Автор произведения Robert Louis Stevenson
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Das Ufer machte einen kleinen Vorsprung, und ich steuerte so, daß ich diesen zwischen uns und die beiden Leute brachte; wir waren noch nicht gelandet, da hatten wir schon die Gigs aus dem Gesicht verloren. Ich sprang an Land und rannte so schnell, wie ich es bei der Hitze wagen konnte; der Kühlung wegen hatte ich mir ein großes seidenes Taschentuch unter meinen Hut gelegt; ein paar gespannte Pistolen hielt ich vorsichtshalber schußfertig. Ich hatte kaum hundert Schritte gemacht, da traf ich auf das Pfahlwerk.
Dieses war folgendermaßen beschaffen: Eine Süßwasserquelle entsprang dicht hinter dem Gipfel eines kleinen Hügels. Auf diesem Hügel hatten die Piraten ein starkes Blockhaus erbaut, das auch die Quelle mit einschloß; es war so groß, daß es im Notfall ungefähr vierzig Mann fassen konnte, und war auf allen Seiten mit Schießscharten für Musketen versehen. Rund um das Blockhaus herum hatten sie einen großen Platz von Bäumen klar gemacht und dann die Befestigung durch ein sechs Fuß hohes Pfahlwerk ohne eine Tür oder sonstige Öffnung vervollständigt; es war zu stark, um es ohne Zeitverlust und Arbeit zu zerstören, und zugleich standen die Pfähle zu weit auseinander, um etwaigen Belagerern Deckung zu gewähren. Die Leute im Blockhaus hatten sie vor ihren Gewehren; sie standen ruhig in Deckung und schossen die anderen wie Rebhühner ab. Alles was sie brauchten, war gutes Wachehalten und Proviant; denn wenn sie nicht vollständig überrumpelt wurden, konnten sie ihre Festung gegen ein Regiment verteidigen.
Besonders erfreulich war mir die Quelle. Denn wenn auch die Kajüte der Hispaniola ein leicht zu verteidigender Posten war, da wir über reichliche Waffen und Munition verfügten, genug zu essen und ausgezeichnete Weine hatten, so war doch eins übersehen worden: wir hatten kein Wasser.
Gerade als ich hierüber nachdachte, gellte über die ganze Insel hin der Todesschrei eines Menschen. Für mich war dies nichts Neues – ich habe unter Seiner Königlichen Hoheit dem Herzog von Cumberland gedient und bin selber bei Fontenay verwundet worden – aber als ich diesen Schrei hörte, da stand mir das Herz still. »Jim Hawkins ist hin!« war mein erster Gedanke.
Es ist etwas wert, ein alter Soldat gewesen zu sein; aber es ist noch mehr wert, ein Arzt zu sein. Da ist keine Zeit, lange zu fackeln. Und so war ich sofort entschlossen, lief, ohne eine Sekunde zu verlieren, wieder an den Strand hinunter und sprang in die Jolle.
Zum Glück war Hunter ein guter Ruderer. Das Boot flog nur so durch das Wasser und lag gleich darauf neben der Hispaniola, und im Nu war ich auf Deck des Schoners.
Natürlich waren alle ganz erschüttert. Der Squire hatte sich hingesetzt, so weiß wie ein Bettlaken; er dachte an das Ungemach, das er über uns gebracht hatte, die gute Seele! Und einem von den sechs Leuten auf dem Vorderdeck war wohl nicht viel besser zumute.
»Da ist einer,« sagte Kapitän Smollett, indem er mit einem Kopfnicken uns den Mann bezeichnete, »dem so etwas noch neu ist. Er fiel beinahe in Ohnmacht, Doktor, als er den Schrei hörte. Wir brauchen den Mann nur noch mal anzutippen und er kommt zu uns herüber.«
Ich setzte dem Kapitän meinen Plan auseinander, und wir verabredeten alle Einzelheiten der Ausführung.
Den alten Redruth stellten wir in dem schmalen Gang zwischen der Kajüte und dem Vorderdeck auf und gaben ihm drei oder vier geladene Musketen, sowie zu seinem Schutz eine Matratze. Hunter brachte das Boot unter die Heckpforte, und Joyce und ich machten uns sofort an die Arbeit, es mit Pulversäckchen, Musketen, Pökelfleischtonnen, Zwiebacksäcken, einem Fäßchen Kognak und meinem unschätzbaren Medizinkasten zu beladen.
Mittlerweile blieben der Squire und der Kapitän auf Deck, und der letztere rief den Schaluppmeister an, der den Befehl über die anderen Meuterer hatte.
»Hört mal, Hands,« sagte er, »wir sind hier zwei, jeder mit einem Paar Pistolen. Wenn irgendeiner von euch Sechsen ein Signal gibt, gleichgültig welches – der ist ein toter Mann!«
Sie bekamen keinen kleinen Schreck; nachdem sie sich einen Augenblick beraten hatten, sprangen sie alle miteinander die Leiter in den vorderen Schiffsraum hinunter; ohne Zweifel glaubten sie, sie könnten uns auf diesem Wege in den Rücken kommen. Als sie aber sahen, daß Redruth in dem schmalen Gang auf sie wartete, kehrten sie sofort um, und gleich darauf tauchte wieder ein Kopf aus der Luke auf.
»Kopf weg, du Hund!« schrie der Kapitän.
Der Kopf duckte sofort wieder unter, und wir hörten eine ganze Zeitlang nichts mehr von diesen sechs nicht eben tapferen Matrosen.
Inzwischen hatten wir unsere Sachen kunterbunt in die Jolle hineingeworfen und das Boot so schwer beladen, wie wir es wagen durften. Joyce und ich stiegen durch die Sternpfortluke ins Boot und ruderten wieder, so schnell wir konnten, nach dem Strande.
Diese zweite Fahrt brachte die beiden Wachtposten in den Gigs in große Aufregung. Der Lillabullero verstummte wieder; und kurz bevor wir an der kleinen Landzunge sie außer Sicht verloren, sprang einer von ihnen an Land und verschwand. Ich dachte einen Augenblick daran, meinen Plan zu ändern und ihre Boote zu zerstören; aber ich fürchtete, Silver und die anderen könnten ganz in der Nähe sein, und so könnten wir alles verlieren, weil wir zu viel versuchten.
Bald waren wir wieder an derselben Stelle gelandet und begannen das Blockhaus zu verproviantieren. Den ersten Gang machten wir alle drei, schwer beladen. Wir warfen unsere Sachen einfach über das Pfahlwerk hinüber und ließen Joyce zu ihrer Bewachung zurück; das war allerdings ein einziger Mann, aber er hatte ein halbes Dutzend geladene Musketen. Hunter und ich gingen nach der Jolle zurück und bepackten uns wieder wie vorher. So arbeiteten wir ohne Ruhepause und ohne uns nur ein einziges Mal zu verschnaufen, bis die ganze Ladung hinübergebracht war. Hierauf bezogen die beiden Diener ihren Posten im Blockhaus; ich aber ruderte mit aller Macht nach der Hispaniola hinüber.
Daß wir es wagten, noch eine zweite Bootsladung hinüberzuschaffen, mag kühner erscheinen, als es in Wirklichkeit war. Die Meuterer waren uns natürlich an Zahl weit überlegen, aber wir hatten den Vorteil der Bewaffnung. Kein einziger von den Leuten am Lande hatte eine Muskete, und wir waren überzeugt, daß wir mindestens ein halbes Dutzend von ihnen außer Gefecht setzen könnten, bevor sie in Pistolenschußweite kämen.
Der Squire erwartete mich an der Sternluke; alle seine Schwäche war verflogen. Er fing das Tau auf, das ich ihm zuwarf, und machte es fest, und dann beluden wir das Boot so schnell, wie wenn es um unser Leben ginge. Gepökeltes Schweinefleisch, Pulver und Schiffszwieback war die Ladung; außerdem nahmen wir nur je eine Muskete und je einen Stutzsäbel für den Squire und mich und Redruth und den Kapitän mit. Die übrigen Waffen und den Rest des Pulvers warfen wir über Bord in dritthalb Faden tiefes Wasser; wir konnten den blanken Stahl auf dem reinen Sandboden tief unter uns in der Sonne schimmern sehen.
Inzwischen hatte die Ebbe eingesetzt, und das Schiff drehte sich an seinem Anker herum. In der Richtung auf die beiden Gigs hörten wir ein schwaches Rufen, und obgleich uns dies die Beruhigung gab, daß Joyce und Hunter in Sicherheit waren – denn sie befanden sich ein gutes Stück weiter nach Osten zu –, so war es doch für uns eine dringende Aufforderung, uns aufzumachen.
Redruth zog sich von seinem Posten im Verbindungsgang zurück und sprang in das Boot, das wir hierauf an die Gilling heranbrachten, damit Kapitän Smollett bequemer einsteigen könnte. Bevor er aber dies tat, rief er:
»Nun, Leute – hört ihr mich?«
Vom Vorderschiff kam keine Antwort.
»Ich meine dich, Abraham Gray!«
Immer noch keine Antwort.
»Gray,« rief Smollett noch lauter, »ich verlasse jetzt das Schiff, und ich befehle Euch, Eurem Kapitän zu folgen. Ich weiß, Ihr seid im Grunde ein braver Mann, und ich bin auch überzeugt, kein einziger von euch