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des Regens und ein Eichelhäher, der die traurige Botschaft laut plärrend von Nest zu Nest trägt, unterbrechen die Stille. Axel hat in der Zwischenzeit die Unfallstelle abgesichert. Fröstelnd und zusammengekauert hockt er neben dem Autowrack und wartet auf die Polizei. Während er noch über den Sinn des Lebens im Allgemeinen, im Besonderen und im Speziellen grübelt, und wie in Nullkommanix alles vorbei sein kann, ist endlich das Tatütata der Rettungsfahrzeuge zu hören. Gleich darauf kommt auch die Polizei mit Blaulicht angebraust.

      Die beiden Polizeibeamten scheinen überhaupt nicht erbaut zu sein, so früh am Morgen und noch dazu bei diesem Wetter, einen Unfall aufnehmen zu müssen. Sie nehmen von Axel zunächst überhaupt keine Notiz, sondern schauen sich die Unfallstelle gründlich an. Nachdem sie sich eine Meinung gebildet und die mehr oder weniger qualifizierten und spekulativen Kommentare ausgetauscht haben, kommen sie auf Axel zu. Einer von ihnen streckt ihm die Hand entgegen. „Moin, moin! Haben Sie uns angerufen?“

      Gemeinsam gehen sie auf einen kleinen Bus zu und setzen sich dort an ein Tischchen.

      „Ja, ich habe von meinem Hochsitz aus gehört, wie der Wagen an den Baum geknallt ist.“

      Die Beamten beäugen ihn misstrauisch. Sein lädiertes Aussehen wirkt alles andere als vertrauensbildend. Es hätte nicht viel gefehlt und sie hätten ihn zu einem Alkoholtest aufgefordert. Zu allem Unglück handelt er sich noch die strafenden Blicke der Polizisten ein, weil von seiner Hutkrempe Wasser auf die Tischplatte tropft. Axel nimmt den Hut ab und schmeißt ihn neben sich auf den Boden. Erst als er dem älteren seinen Führerschein reicht, wird der Ton etwas verbindlicher.

      „Herr Warnow? Vom Autohaus Warnow?“ Axel nickt.

      „Entschuldigen Sie, ich konnte ja nicht ahnen...“

      „Schon gut!“, unterbricht Axel das anbiedernde Getue und erklärt ihnen nun seine Wahrnehmungen bis ins letzte Detail. Das Gesicht der Beamten wird immer länger.

      „Also wir haben auf der Straße weder Spuren von Öl noch Bremsspuren gefunden“, sagt einer der Beamten.

      „Ist doch klar: Zum Bremsen hatte der Fahrer gar keine Zeit mehr und das Öl hat der starke Regen fortgespült“, entgegnet Axel.

      Die Beamten scheinen ihn nicht ernst zu nehmen.

      „Dürfen wir uns denn noch einmal an Sie wenden, falls es noch Fragen geben sollte?“

      „Selbstverständlich!“, sagt Axel, nimmt seinen Hut und steigt aus dem Kleinbus.

      Inzwischen hat ein Arzt den Tod des Fahrers festgestellt, die Feuerwehr ist gekommen, um ihn aus dem Autowrack herauszuholen, ein Pressefotograf tut seine Arbeit und soeben fährt ein Abschleppwagen vor, um die Blechlawine aufzuladen. Einige Schaulustige, von den Martinshörner der Rettungsarmada angelockt, diskutieren erregt den Unfallhergang.

      Axel geht zu seinem Wagen. Asta begrüßt ihn mit freudigem Gebell. Sie hofft, dass es jetzt wieder auf die Jagd geht. Aber ihm reicht es für heute. Er will nur noch nach Hause, den scheußlichen Anblick des Toten vergessen und sich um seine Blessuren und um sein Seelenheil kümmern.

      Unterwegs überlegt er es sich doch anders. Dieser Unfall geht ihm einfach nicht aus dem Kopf. Er kann an überhaupt nichts anderes mehr denken. In der Zwischenzeit ist es schon halb neun Uhr. Da müsste eigentlich sein Freund Bramme, der bei der Kripo ist, schon im Polizeipräsidium sein. Kurz entschlossen fährt Axel dorthin.

      3. Kapitel

      Kurz vor neun Uhr hält Axel vor dem Polizeipräsidium und steigt aus. Zielstrebig betritt er das Gebäude und durchquert mehrere Gänge. Vor einer Tür mit der Aufschrift „Hauptkommissar H. Bramme“ bleibt er stehen und klopft an. Ohne das „Herein!“ abzuwarten macht er die Tür auf und betritt das Büro. Es gelingt dem Hauptkommissar nicht mehr, ein Kreuzworträtsel in der Schreibtischschublade verschwinden zu lassen. Bramme will den Eindringling sofort zurechtweisen, als er aber seinen Freund Axel erkennt, hellt sich sein Gesicht auf.

      Bramme ist ein sportlicher Typ Mitte Dreißig, von Statur und Haarfarbe her könnte er Axels Zwillingsbruder sein. Während Axel sich gerne salopp kleidet, legt Bramme Wert auf ein sehr gepflegtes Outfit. Von Berufs wegen müsste es gerade umgekehrt sein.

      „Moin Axel, altes Haus! Was verschafft mir denn die Ehre?“

      „Grüßʼ dich, Holger! Ein Glück, dass du da bist!“

      Bramme betrachtet seinen Freund von oben bis unten.

      „Wo kommst du denn her? Hat dich ein ICE gestreift?“

      „Lass das. Ich bin nicht zu Scherzen aufgelegt.“

      „Was ist denn passiert?“

      „Ich möchte einen Unfall, - nein, - ein Verbrechen anzeigen.“

      „Ja was denn nun?“, fragt Bramme neugierig.

      „Ein Verbrechen!“

      Axel schildert seine Erlebnisse zum wiederholten Male in allen Einzelheiten. Bramme hört ihm geduldig zu und schaut ihn zum Schluss zweifelnd an.

      „Du glaubst mir nicht?“, fragt Axel.

      „Logisch klingt deine Geschichte nicht. Wer dieses angebliche Verbrechen geplant hat, konnte doch nicht wissen, dass genau zu diesem Zeitpunkt ein starker Regen niedergehen wird und alle Spuren verwischt.“

      „Deine Kollegen von der Verkehrspolizei gehen von überhöhter Geschwindigkeit aus. Dass ich nicht lache! Mag ja sein, dass der Kerl viel zu schnell gefahren ist. Ich bleibe aber dabei, dass er auf einer Ölschicht die Bodenhaftung verloren hat. Und mich selbst hat es ja auch umgehauen. Schau mich doch an, wie ich aussehe.“

      Bramme steht abrupt auf. „Na, dann wollen wir mal!“

      Axel ist irritiert. „Was hast du vor?“

      „Komm, wir fahren zu der Unfallstelle. Vielleicht finden wir noch Spuren von dem Zeug.“

      „Ölspuren befinden sich auch auf meiner Hose“, sagt Axel.

      „Das Öl an deiner Hose kann genauso gut von deiner Werkstatt stammen. Um es als Beweismittel verwenden zu können, brauche ich Öl direkt vom Unfallort. Deine Hose können wir dann immer noch zu Vergleichsuntersuchungen heranziehen.“

      Auf einer kleinen Anhöhe, gute hundertfünfzig Meter vom Unfallort entfernt, lassen sie den Wagen stehen. Von hier aus ist der Straßenverlauf gut zu erkennen: Eine leichte Senke vor einer scharfen Rechtskurve, die sich aus ihrem Blickfeld herauswindet. Axel zeigt seinem Freund die Stelle, an der er ausgerutscht ist und auch den Baum, der dem Sportwagen zum Verhängnis geworden ist. Während Axel beim Auto stehen bleibt, wandert Bramme zu der Unfallstelle und dann weiter bis zu der Rechtskurve. Er registriert an dem Unglücksbaum die abgefräste Borke und rote Lackspuren. Sonst aber nichts. Enttäuscht dreht er um und geht auf dem Seitenstreifen zurück. Plötzlich bleibt er stehen.

      „Axel kommʼ mal her!“

      „Was gibtʼ s denn?“

      Bramme reißt ein Grasbüschel mit etwas Moos heraus und hält es Axel unter die Nase.

      „Da riechʼ mal! Das Grasbüschel riecht nicht nur nach Öl, das stinkt sogar danach. Und schmierig ist es auch.“

      „Du glaubst mir also?“

      „Na ja, an der Sache könnte was dran sein.“

      Bramme verstaut das Grasbüschel in einer Plastiktüte.

      „Das bringen wir jetzt sofort ins Labor.“

      Axel protestiert: „Sei mir nicht böse, aber ich muss jetzt wirklich nach Hause. Ich bin fix und fertig. Wenn ich heute nur im Bett geblieben wäre!“, sagt er und gähnt.

      „Wenn du im Bett geblieben wärst, gäbe es jetzt keine Untersuchung. Du hast heute Schicksal gespielt.“

      „Ja, weil der Rehbock noch am Leben ist“, sagt Axel.

      Bramme lacht.

      Axel

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