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Nimmst du dieses Urteil an?“

      Shaktar stand langsam von seinem Stuhl auf, sah sich kurz im Ratssaal um und erwiderte, ohne jemanden direkt anzusprechen:

       „Habe ich denn die Wahl der Ablehnung?“

       „Nein, die hast du nicht. Jedenfalls nur insofern, als dass du uns allenfalls noch zwingen könntest dich doch noch hinzurichten. Mehr Spielräume gibt es nicht mehr für dich.“

       „Dann soll es so sein, ich verzichte auf die vom Rat geforderte Ablehnung oder Anerkennung eines Urteils, das durch und durch ungerecht ist. Bringt mich zum Aussetzungspunkt.“

      Kantor, der Erste Astronaut der Stadt griff zu der Konsole an seinem Platz, tippte ein paar Befehlszeilen ein, dann sprach er mit deutlich akzentuierter Stimme die Befehle an die Steuereinheiten der fliegenden Stadt, die dieses gewaltige Gebilde zum Dach der Welt bringen würden.

      Shaktar schauderte, als der Navigationscomputer die Zielkoordinaten bekannt gab und sich im schier selben Moment die Stadt in Bewegung setze und den Flug zum Dach der Welt in Angriff nahm.

      Die Fusionsreaktoren, die der fliegenden Stadt die erforderlichen Energiemengen lieferten, waren gewaltig. Energiemengen, die notwendig waren, um dieses System der fliegenden Stadt nicht nur am Leben zu erhalten, sondern den ganzen Koloss auch auf einen stratosphärischen Orbit der Erde zu bringen und zu jedem beliebigen Punkt fliegen zu lassen. Jetzt fuhren diese Reaktoren zwei Stufen höher und beschleunigten Ninive auf ein Tempo das kurz unterhalb der Schallgeschwindigkeit lag. Sie würden innerhalb der Atmosphäre fliegen und deshalb war eine höhere Geschwindigkeit nicht ratsam. Der Computer verkündete, dass alle Funktionen erfolgreich in Betrieb gegangen waren und das bestimmte Ziel in elf Stunden, zweiunddreißig Minuten und zwanzig Sekunden erreicht werden würde.

      Elf Stunden blieben ihm um seine Angelegenheiten zu ordnen, elf Stunden in denen er sich von vierhundertsechsundachtzig Jahren des Lebens in der fliegenden Stadt verabschieden konnte, elf Stunden um sich auf den nahen und absolut unvermeidlichen Tod vorzubereiten.

      Shaktar stand auf und verließ den Ratssaal ohne zu grüßen. Er fügte sich wortlos in sein Schicksal und trug es, wie es einem Ersten Krieger, der er zweieinhalb Jahrhunderte lang gewesen war ziemte.

      Verbannung

      Zehn der elf Stunden waren vorüber, die fliegende Stadt Ninive schwebte bereits über dem großen Subkontinent, der Indien genannt wurde und wenn man genau nach Norden sah , konnte man am Horizont bereits die nebelhaften Silhouetten der gigantischen Berge erkennen, die man den Himalaja oder auch das Dach der Welt nannte.

      Shaktar stand mit nachdenklich in Falten gelegter Stirn im Eingangsbereich des kleinen Hauses, auf das er als Ratsherr und erster Krieger Anspruch besessen hatte und bereitete sich auf den Abschied von so vielem vor, das in seinem bisherigen Leben von Bedeutung gewesen war.

      Er war bereit, die fliegende Stadt zu verlassen und damit die Konsequenzen auf sich zu nehmen, die er durch sein inniges Verhältnis, seine Liebe zu Sombra herauf beschworen hatte. Er hatte gewusst dass es Ärger geben konnte, ja sogar musste, wenn sie gegen ein derart strenges Tabu verstießen wie es die Zeugung eines Kindes mit einer geklonten Frau darstellte. Er hatte es kommen sehen und war trotzdem nicht in der Lage gewesen, diesen Wunsch den sie beide so sehr verspürten, zu unterdrücken. Sie mussten ihn einfach in die Realität umzusetzen.

      Shaktar fragte sich wieder und immer wieder, was es wohl gewesen war, das in gleichzeitig zwei an sich so rationell veranlagte Lebewesen wie er selbst und die Agentin Sombra einen derart unsinnigen Wunsch entstehen ließ. War das wirklich Zufall gewesen oder lag darin eine schicksalhafte Bestimmung? Wurde dadurch etwas eingeleitet, das niemand – auch nicht er selbst – abzuschätzen in der Lage war?

      Wohl kaum, denn was konnte schon aus dem Tod von zwei Verrückten schicksalhaftes entstehen?

      Shaktar zweifelte nicht daran, dass sie beide in den Tod gingen. Sombras Chancen in Iberia ohne Unterstützung durch ein Shuttle aus der Stadt zu überleben waren so groß wie die eines Eisbrockens, der in den Brennraum eines Reaktors stürzte.

      Und seine eigenen Chance?

      Es gab kaum einen Platz auf der Erde, an dem seine Überlebenschancen kleiner gewesen wären. Wenn er Pech hatte würde er den Ausstieg aus der fliegenden Stadt ein paar Stunden lang überleben, wenn er viel Glück hatte nur einige Minuten.

      Shaktar zählte im Kopf auf, was gegen sein Überleben sprach.

      Zum einen war da die extreme Höhe. In mehr als achttausend Meter über dem Meeresspiegel war der Sauerstoffgehalt der Luft so dünn, dass er allein an diesem Problem schon rasch sterben konnte.

      Dann war da auch noch die Kälte. Die aktuelle Außentemperatur am Zielort der fliegenden Stadt hatte der Computer mit vierundfünfzig Grad Celsius unter dem Gefrierpunkt von Wasser angegeben! In dieser Kälte ohne eine spezielle Ausrüstung zu überleben war reine Glücksache.

      Der Gipfel des Everest – Gebirges war mit Schnee und Eis bedeckt und er hatte weder geeignetes Schuhwerk noch eine Kletterausrüstung zur Verfügung, um sich dort auch nur halbwegs sicher zu bewegen.

      Die Hitzeabstrahlung der fliegenden Stadt würde während des Landeanfluges eine Menge Eis und Schnee zum Schmelzen bringen, doch bei den herrschenden Temperaturen würde jede Flüssigkeit in kürzester Zeit wieder gefrieren. Dann aber käme ein nächster Hitzeschub, nämlich der Neustart der Stadt und dann war er als Ausgesetzter mitten im Abgasstrom der Fusionsreaktoren, in einer Hitzewelle von ungefähr viertausend Grad Celsius und diese Hitze würde ihn verdampfen. Wenn nicht würde sie schwere Lawinen auslösen, die ihn in die Tiefe reißen mussten.

      Also keine Überlebenschance…

      Shaktar war vollständig in düsteres Schwarz gekleidet. Er trug einen Mantel der scheinbar aus Leder gefertigt war und dessen Saum ihm bis zur Mitte der Waden reichte. Darunter eine dick wattierte Weste, eine eng anliegende Hose ebenfalls aus Leder, deren Beinlinge in den Schäften weicher, beinahe kniehoher Stiefel mit dicken Sohlen steckten und unter der Weste ein Hemd aus einem seltsam feinen, glänzenden Gewebe, das sich fast wie eine zweite Haut an seinen muskulösen Oberkörper schmiegte. Der einzige farbige Aspekt seiner Kleidung war sein Gürtel. Ein breites Band aus leuchtend rot eingefärbtem, weich gegerbtem Leder, an dem er neben einer ganzen Reihe an Taschen und Beutel auch sein Schwert und zwei lange Dolche befestigt hatte. Sowohl die beiden Dolche als auch sein Schwert waren aus bestem Kerastahl geschmiedet und praktisch unzerstörbar. Sie staken in Scheiden aus einem glanzlos schwarzen Material und selbst die Hefte, Knäufe und Parierstangen der drei Waffen waren aus schwarz brüniertem Stahl und an den Griffflächen mit schwarzem Leder überzogen.

      Neben Shaktar lag ein recht großer Sack aus demselben schwarzen Material, aus dem die Scheiden seines Schwertes und der Dolche gefertigt worden waren. In diesem Sack hatte Shaktar diejenigen seiner erlaubten Habseligkeiten verstaut, die mitzunehmen das Urteil des Rates der Zwölf ihm ebenfalls zugestanden hatte. Viel war es nicht. Vor allem Ersatzkleidung, dazu ein paar Energiewürfel und als ganz persönliche Erinnerungsstücke, ein paar Holo – CDs. Kleine, silbrig glänzende Scheiben, auf denen Holos gespeichert waren, die ihn vielleicht doch irgendwann an sein vergangenes Leben erinnern würden.

      Das Material aus dem dieser Sack, sein Umhang, seine Hose, die Weste und sogar die Stiefel, aber auch die Scheiden seiner Waffen gefertigt war, gehörte zu einem der Geheimnisse, die Shaktar vor dem Rat der Zwölf bewahrt hatte, obwohl er damit ebenfalls gegen einen Kodex verstoßen hatte. Vor vielen Jahren schon war es ihm gelungen, durch immer neue Versuche aus Keramik ein Gewebe herzustellen, das zwar weich und elastisch war und dennoch die unglaubliche Haltbarkeit von Keramik besaß. Das Gewebe besaß darüber hinaus auch noch ein paar andere Eigenschaften, die ihm nun sehr nützlich sein mochten. Es war in der Lage enorme Wärmemengen zu speichern und diese einem vom Gewebe eingehüllten Körper in angenehmster Form zur Verfügung zu stellen. Außerdem reflektierte dieses Gewebe auch geringste Wärmeabstrahlungen eines Körpers, so stellte es einen ausgezeichneten Isolator dar.

      Wenn

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