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über die kulinarischen Köstlichkeiten heraus, die ihn am Ende des Ganges in der Mensa erwarten würden.

      »Tja«, die Ratte grinste hämisch, »mal dir das schrecklichste Essen aus, das du dir vorstellen kannst und dann setz noch eines drauf! Na, was hast du dir für ein Bild gemacht, rück schon raus! Was meinst du, tischt man dir dort auf?«

      »Ähm«, stammelte Spike und schielte zu seinem Zimmernachbarn. Doch der hielt dicht und grinste nur vor sich hin. »Vielleicht ein hundert Jahre alter Harzer Käse, in dem sich Maden tummeln?«

      »Gar nicht so übel«, fand die Ratte, »aber komm schon, du kannst dir bestimmt noch was Schmackhafteres ausdenken oder reicht deine Fantasie dafür nicht aus?«

      Es war klar, dass Spike diese Herausforderung nicht auf sich sitzen lassen konnte. »Vielleicht werden auch Kakerlaken im Schlafrock gereicht? Vergorene Haifischflossen, tausendjährige Eier, Fußnägel-Terrinen, gefüllte Kröten, gesottene Trollgehirne oder Pasteten aus menschlichen Augen? Dazu gibt es Blut in Karaffen gereicht und als Nachtisch einen Plumpudding mit Spinneneinlage?«

      »Mmm, lecker«, schmatzte die Ratte. »Da läuft einem das Wasser im Mund zusammen.« Voller Entsetzen sah Spike sie an. Sollte das bedeuten, dass ihm gleich tatsächlich solche Scheußlichkeiten serviert wurden? Nun wurde er noch bleicher.

      »Ach, lass dich nicht auf den Arm nehmen, Alter!«, winkte Hulk ab. »Solche Spezialitäten werden doch nur den Professoren zu besonderen Anlässen kredenzt. Etwas derartig Erlesenes reicht man doch nicht uns einfachen Schülern in der Mensa.«

      Spike konnte nun nicht behaupten, dass ihn diese Aussage wahrlich zuversichtlicher stimmte. Also fragte er noch einmal kleinlaut nach, was ihn denn nun konkret erwartete. Die Frage bereute er sofort.

      »Saure Nierchen hatten wir schon lange nicht mehr«, schwadronierte die Ratte, »auch könnten mal wieder Kutteln auf dem Speiseplan stehen oder Saumagen, gebratene Leber, Rocky Mountain Austern, panierte Kuheuter, MadenSushi, frittierte Hühnerfüße, Froschschenkel, Lungen-Haschee, Blutkuchen oder Kalbshirn.« Wie angewurzelt blieb Spike stehen und wollte keinen Schritt mehr weiter gehen: »Unter diesen Umständen ziehe ich es vor, zu verhungern!«

      »Was denn?«, wunderte sich die Ratte, als Hulk sie böse von der Seite anschielte. »Das waren alles Gerichte, die von Menschen irgendwo auf der Welt gegessen werden. In echt. Habt ihr schon mal verkohlte Schafsköpfe probiert oder schwarzen englischen Pudding, bestehend aus Fleischresten, Blut und Fett? Tja, nicht nur Vampire wissen, dass der Lebenssaft wirklich gut schmeckt.«

      »Brr!«, Spike schüttelte es und Hulk packte die Ratte im Genick.

      »Na und?«, quiekte die. »Ist doch nichts dabei! Die Stadtmenschen sind einfach verweichlicht. Auf dem Land hingegen verschwendet man nichts, was beim Schlachten anfällt und überhaupt: Blut ist so nahrhaft und es lassen sich so tolle Gerichte daraus zaubern! Wie wäre es mit einem schönen Teller Blutsuppe, danach eine ordentliche Blutwurst nebst pommerschen Blut-Klößen. Dazu dann einen schönen Becher voller Kuhmilch, vermischt mit einem Schluck Rinderblut - nach dem Vorbild mongolischer Hirten.«

      »Igitt«, Spike schüttelte sich, »die Hirten sollen machen, was ihnen gefällt. Aber ohne mich.«

      »Aber echt«, brummte Hulk und zwängte die Ratte in seine Hosentasche, »da vergeht einem ja der Appetit.«

      Über seinen kurzzeitigen Anfall von Übelkeit kam Spike recht schnell wieder hinweg. Seine Gedanken schwirrten um die letzte Aussage seines Zimmernachbarn, die so gar nicht in das Klischee der blutdürstenden Vampire aus alten Romanschwarten passte.

      »Müsste dir da nicht viel mehr das Wasser im Munde zusammen laufen?«, verwunderte sich der Junge. »Ich dachte immer, Vampire stehen voll auf das rote Zeug ...«

      Abrupt blieb der Lange stehen und stemmte dabei die Arme in die Hüften, »Das ist ja so was von daneben, Mann!« In seinen grauen Augen funkelte es und Spike schwante, dass dieser Spruch ein Griff ins Klo gewesen war. Leicht verschreckt zog er den Kopf ein.

      »Blut wird vollkommen überbewertet! Beim VampirSein geht es doch nicht nur darum, unschuldigen Opfern die Schlagadern zu öffnen und sie auszusaugen! Wir sind doch nicht nur irgendwelche dämlichen Ungeheuer, die zum Spaß Leichen zerfleddern und in aristokratischen Gewändern herumstolzieren.«

      Hulk hielt in seiner Belehrung inne, denn gerade schob sich der Direktor an ihnen vorbei durch den Gang in Richtung Kantine. Jener trug heute eine besonders prunkvolle Sonntagsgarderobe mit Rüschen, dazu einen wallenden Umhang aus Samt und auf dem Kopf einen Hut mit ausgefallenem Federschmuck.

      »Ausnahmen bestätigen nicht nur die Regel, sondern sie sind die Regel«, ulkte die Ratte und steckte ihren Kopf aus der Tasche, »also ich für meinen Teil kann von Blut nie genug bekommen!«

      »Also echt!«, ziemlich eingeschnappt verschränkte Hulk die Arme und Spike atmete innerlich auf. Das Ganze war also doch nur Getue und keine ernst zu nehmende Bedrohung. »Wir Vampire haben doch wesentlich mehr zu bieten, als gruselige Überfälle bei Nacht. Manche sind Philosophen und andere Künstler...« An einigen Punkten seiner Rede war Hulk offenbar so emotional geladen, dass seine Stimme kurzzeitig in ziemlich hohe Töne umschwang.

      »Oh, dass ich das noch erleben darf. Unser zart besaiteter Künstler hat einen Wutanfall! Soll ich schon mal einen Lappen organisieren, damit man später die Sauerei wegwischen kann, Mozarter?«, von allen unbemerkt war der Lupo aufgekreuzt. Nun wurde Spike doch wieder ziemlich mulmig zu Mute. Derweil verlor Hulk seinen Sprechfaden, etwas entgeistert sah er den Kahlkopf an: »Was ist los?«

      »Willst du ihn nun zerfetzen oder totquatschen?«, zischte der Lupo und grinste frech. »Steh nicht da wie eine Salzsäule. Tu was! Jetzt ist grimmige Entschlossenheit angesagt, damit der Neue seine gedankenlose Wortwahl kräftig bereut.«

      »Äh?«, offenbar stand der Lange nun wieder auf dem Schlauch.

      Seufzend machte der Lupo eine wegwerfende Handbewegung, »Ich habe mich wohl getäuscht. Ich dachte, da wäre tatsächlich mal ein Anflug von Aggression in dir, Mozarter. Doch das war nur heiße Luft. Schade, ich hatte wirklich für eine Millisekunde den Eindruck, aus dir könne doch noch ein richtiger Vampir werden. Na, was soll‘s. Kann halt nicht jeder ein gefürchtetes Raubtier sein.«

      Dämlich grinsend stolzierte der Lupo weiter. Nun sah Hulk reichlich geknickt aus und ließ den Kopf hängen. Spike war nun seinerseits ein wenig angesäuert über die Arroganz des Kahlen und die Ratte drohte sogar mit geballter Pfote: »Mach dich ja vom Acker, sonst zeige ich dir, was ein wildes Raubtier ist!«

      Dabei fletschte sie die Zähne und gab ein ziemlich beeindruckendes Knurren wie von einem Kampfhund von sich. Schon blieb der Lupo stehen und schielte über die Schulter.

      »Habt ihr was gesagt?« Eilig stopfte Hulk die Ratte zurück in seine Hosentasche, bevor sie noch mehr Ärger vom Zaun brechen konnte.

      »Äh, nö«, stammelte der Lange mit dem Afrolook dabei. »Alles cool, Mann.«

      Ein wenig grimmig kniff der Lupo die verschiedenfarbigen Augen zusammen und machte ihnen mit einem Handzeichen klar, dass sie bei ihm vorgemerkt waren. Spike klopfte bei dem furchterregenden Anblick das Herz bis zum Hals. Nur mit Mühe konnte er sich überwinden, nicht schreiend wie ein kleines Mädchen davon zu laufen. Langsam fasste er sich wieder.

      »Lass mich raus, den kneife ich bis er um Gnade winselt!«, quiekte es in Hulks Tasche. Kaum wurde die Ratte losgelassen, steckte sie schon wieder ihren Kopf an die Luft. Doch da war der Lupo auch schon in der Mensa verschwunden. Der Eingang zum Speisesaal befand sich nur wenige Schritte entfernt und würzige Düfte wehten ihnen entgegen. Zu Spikes Verwunderung roch es dabei in keins- ter Weise beängstigend oder widerlich, sondern eher ziemlich lecker. Etwas, das sein Gemüt zu beruhigen verstand. Auch die Ratte, die eigentlich weiter fluchen wollte, fing stattdessen an zu schnuppern.

      »Auch gut«, quiekte sie, »dann mache ich den Angeber eben nach dem Essen fertig.«

      »Allen Ernstes?«, Spike konnte das irgendwie nicht so recht glauben. Aber vielleicht besaß

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