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endlich raus. Wie heißt deine neue Strategie?« Um die Anwesenden nicht länger auf die Folter zu spannen, hielt Hulk nicht länger mit seinem Wahnsinnseinfall hinterm Berg. Mit dramatisch erhobenen Armen verkündete er: »Der Wahnsinn!«

      Zeitgleich zu dem bühnenmäßigen Einwurf förderte der Lange eine Kaugummi-Kugel aus der Hosentasche und steckte sie sich in die linke Backentasche. Dann hob er die Arme, krümmte dabei die Finger wie Krallen und gab gurgelnde Geräusche von sich, während er umher schwankte wie ein Betrunkener und dabei den Mund halb öffnete. Die Mädchen hörten trotz der Vorstellung nicht auf zu frohlocken. Derweil gab sich Hulk alle erdenkliche Mühe. Wild rollte er mit den Augen und bleckte die Zähne. Kurz stutzte Spike, der die Eckzähne seines Klassenkameraden viel länger in Erinnerung hatte. Zwar waren sie reichlich spitz, aber kaum größer als die des Jungen selbst. Nun aber tat sich etwas. Ein Stück weit schoben sich die Beißerchen aus dem Zahnfleisch von Hulk heraus. Nun waren sie schon wesentlich beachtlicher, sicher nicht ganz so beeindruckend wie die einer mächtigen Säbelzahnkatze, aber von ihrer Länge her konnten sie durchaus mit jenen eines männlichen Pavians mithalten.

      »Ja, nur weiter so!«, prustete die Ratte und konnte sich nur schwer zurück halten, laut loszulachen. »Schlag den Wicht in die Flucht!«

      Um das zu erreichen, gab Hulk wirklich sein Möglichstes. Fauchend und zischend umrundete er den Gremlin, der aber nur müde gähnte. Zum großen Finale kam Hulk, als er kurz die Kiefer aufeinander biss und ihm eine rötliche Flüssigkeit aus den Mundwinkeln herab tropfte.

      »Huuu!«, machten einige Mädchen und gackerten dabei. »Das ist ja sooo gruselig!«

      »Ist das Blut?«, flüsterte Spike. Die Ratte, die auf seiner Schulter hockte winkte lässig ab: »Ist hundertprozentig Lebensmittelfarbe. Nutzen auch Maskenbildner. Gar nicht mal so übel das Zeug, macht schon was her ... nur bei einer solch miesen Show, da nützt auch das beste Kunstblut nichts mehr.« Leise musste Spike seufzen. Er wusste genau, worauf sie hinaus wollte. Nicht mal ihm jagte der Lange einen wirklichen Schrecken ein. Jener aber glaubte offenbar, das Grauen an sich zu verkörpern, als er verkündete: »Und wenn der Feind dann völlig verwirrt ist aufgrund meiner saucoolen Vorstellung, überrumpele ich ihn!« Zeitgleich versuchte sich Hulk auf den Gremlin zu stürzen. Der trat elegant zur Seite und der Große machte eine Bruchlandung. Das aufbrausende Gelächter übertönte danach so gut wie alles. Mit ihrer eigentlich zarten Stimme musste sich die Lehrerin ganz schön anstrengen, das Geschrei zu übertönen: »Wie üblich erhält Kolossos die volle Punktzahl. Und zu dir, mein Großer ist noch zu sagen: Gar nicht einmal so übel! Dafür bekommst du immerhin acht von fünfzehn Punkten für Ideenreichtum.«

      »Yes!«, Hulk machte mit beiden Händen das Victory-Zeichen, als er sich wieder erhoben hatte. »Ich hab euch alle gerockt! Ihr könnt schon zugeben, dass ihr die Hosen gestrichen voll hattet!«

      »Auweia«, Spike schämte sich mächtig für seinen Zimmerkameraden.

      »Ja, er weiß, wie man alles noch viel peinlicher macht«, quiekte die Ratte. »Darin ist unsere Bohnenstange ein wahrer Champion.«

      »Ich glaub, ich tu erst einmal so, als ob ich den gar nicht kenne«, raunte Spike zurück, »das ist ja sooo oberpeinlich.«

      Doch zu seinem Pech kam der Lange nun auch noch auf ihn zu und grinste dabei, als hätte er einen haushohen Sieg davon getragen. Freundschaftlich schlug er Spike auf die Schulter, der am liebsten im Boden versunken wäre. Alle Augen waren nun auf ihn gerichtet und Hulk schien die Situation hingegen gar nicht unangenehm zu sein. Stattdessen machte er sich schon wieder zum Trottel: »War das nicht sensationell? Ich hab‘s geschafft!«

      »Was denn? Dich zum absoluten Vollidioten zu machen - wie schon so oft?«, stichelte die kleine Lulu.

      »Dich bis auf die Knochen zu blamieren?«, foppte das kindliche Gespenst.

      »Oder unser Zwerchfell vor Lachen fast zum Zerreißen zu bringen?«, giggelte das Fuchsmädchen.

      »Nein«, wehrte Hulk das ab, »ich bin ohne einen nennenswerten Kratzer oder einen Knochenbruch davon gekommen! Das ist super gut!« Vor lauter Fremdscham bedeckte Spike nun schon seine Augen mit einer Hand. Beifall wurde gezollt, der aber keineswegs von Respekt herrührte.

      »Keine Bange, morgen ist auch wieder ein Tag voller neuer spektakulärer Zweikämpfe und genug Gelegenheit für euch alle, eine Bauchlandung zu vollführen«, drohte die Lehrerin, zwinkerte Hulk zu und klatschte in die Hände. Den nun nicht mehr ganz so fröhlichen Schülern verkündete sie, dass der Unterricht vorbei sei. Danach entfernte sie sich auch schon. Die Lerngemeinschaft löste sich sogleich auch auf.

      »Endkrass«, fand die Ratte und gluckste vor sich hin. Mit leicht verträumtem Blick schaute Hulk der blonden Grazie mit den spitzen Ohren hinterher. Leider schaute sie zu seinem Verdruss nicht noch einmal zurück.

      »Ist es endlich vorbei?«, Spike nahm die Hand vom Gesicht. Alle anderen Schüler waren verschwunden, einschließlich des mürrischen Lupo.

      »Ist es!«, tönte die Ratte und lachte dabei gehässig. »Dennoch solltest du dich schon mal daran gewöhnen, dich bald täglich so fremd zu schämen. Willkommen in meiner Welt: solange du mit dem hier zusammen hängst, sind Pleiten, Pech, Pannen, Fettnäpfe und Peinlichkeiten nie weit.« Nun machte der Verhöhnte einen ziemlich geknickten Eindruck. Spike schielte zu der Ratte, doch die dachte nicht im Traum daran, etwas davon zurückzunehmen oder sich gar zu entschuldigen.

      »Was denn?«, das Nagetier zuckte mit den Schultern. »Ist nichts als die Wahrheit, so wahr die Götter des Chaos mir helfen.«

      Jetzt seufzte Hulk auch noch zum Steinerweichen, »Es ist ja richtig, leider. Ich werde nie so gut sein, wie mein cooler Kumpel hier.«

      Damit meinte er nun Spike, der nur schief lächeln konnte. Schließlich war die ganze angebliche Coolness nur gespielt. In Wahrheit hatte er sich bei der Konfrontation mit dem Lupo vorhin fast ins Hemd gemacht.

      »Du bist einfach der Oberknaller!«, offenbar war Hulk außerstande, über einen längeren Zeitraum hinweg geknickt und ernst zu bleiben. Schon saß ihm wieder ein breites Grinsen im Gesicht. »Du hast es unserem Angeber so was von gezeigt! Das war der Hammer!«

      Dabei neigte er auch noch leicht das Haupt und Spike wurde diese Verehrung, die schon fast einer Anbetung gleich kam, von Sekunde zu Sekunde unangenehmer. Schließlich war er in Wahrheit nichts von alldem, was der Lange in ihm sah. Weder war er heldenhaft, noch waghalsig.

      »Ich werde nie dein Level erreichen«, fuhr Hulk fort in seiner Schwärmerei, »und ich muss dir unbedingt noch sagen, wie stolz ich bin, dass du dich mit so einem Waschlappen wie mir abgibst.«

      »Himmel hilf«, dachte sich Spike da. Sein Gegenüber war wirklich ein herzensguter Kerl. Es machte ihm arge Bauchschmerzen, dass der Lange ein derartiges Zerrbild von ihm im Kopf hatte. Schon spielte Spike mit dem Gedanken, die Tatsachen auszuplaudern. Darüber, dass er in Wahrheit schon immer der Außenseiter an seiner alten Schule war. Dass ihn dort niemand respektiert hatte und, dass er sich hier nur derart verstellte, um ein wenig mehr Anerkennung zu erhalten. Doch zu der großen Beichte kam er gar nicht, denn wieder funkte die vorlaute Ratte dazwischen: »Wunderschöne Ansprache! Aber nun setzt eure Hinterteile endlich in Bewegung, bevor die Meute alles auffuttert! Abmarsch zur Mensa, ich hab einen derartigen Kohldampf, das könnt ihr euch gar nicht vorstellen!«

      Um den Nager nicht weiter zu verärgern, marschierten die Jungs sofort in Richtung Eingangsportal. Erst heute fiel Spike der große gläserne Wintergarten ins Auge, der hinten links an der langgestreckten Fassade des Gemäuers anschloss. Die Ratte verkündete auch gleich, dass sich dort die gastliche Stätte zur Speisung befand. Während sie nun ins Schloss eintraten und einen Korridor entlang schritten, lief auch Spike schon das Wasser im Munde zu zusammen. Seit gestern Mittag hatte er schließlich keinen Bissen mehr bekommen. Dann aber hielt er inne. An dieser Schule war ja sonst auch alles total verdreht und anormal, angefangen von den Schülern, über die Lehrer bis hin zu dem fünfstöckigen monumentalen Schloss, erbaut aus schwarzem Lavagestein. Wenn also hier sowieso alles ganz anders war, wie konnte er sich dann einbilden, dass zumindest das Essen für Normalsterbliche

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