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»Du verlangtest den 10er und er brachte dir den 10er. Beim nächsten Mal, würde ich mich an deiner Stelle, einfach etwas deutlicher ausdrücken und keine Golfausrüstung herumstehen lassen. Und ich muss ehrlich sagen, ich bin tief beeindruckt von seinen Fähigkeiten. Du solltest ihm ein Sprachmodul gönnen, dann kann er sich wenigstens rechtfertigen...«

      *

      Schlagfertigkeit ist etwas, worauf man erst 24 Stunden später kommt.

      (Mark Twain)

      Um meinen Plan in die Tat umzusetzen, begann ich die Suche nach dem Mädchen am Ursprungsort, dem Krater. Junge, Junge, es ist wirklich kein Wunder, wenn ich mich fühlte, als sei eine ganze Armee über mich hinweg marschiert. Während ich bewusstlos unter dem Baum lag, latschten alle drei Anwesenden auf mir und dem Baum herum. Was soll´s, es war passiert und machte wenig Sinn, sich jetzt noch darüber aufzuregen.

      Mir blieb nichts anderes übrig, als den Spuren zu folgen – und das so schnell wie möglich, denn mittlerweile setzte Regen und Wind ein. So schnell es ging, folgte ich der Fährte. Wie ich schon vermutete, war Hinkebein verletzt. Derweil ging es in meinem Kopf drunter und drüber. Mir fiel es schwer, mich auf eine Sache zu konzentrieren. Immer wieder schossen Namen, Bilder und Gerüche durch mein Gedächtnis, die ich nicht zuordnen konnte. Auch war ich mir nicht darüber im Klaren, ob es meine Erinnerungen waren, oder, ob es nur Begriffe und Bilder waren, die ich mal irgendwo aufschnappte. Noch immer besaß ich nicht den geringsten Hinweis, wer oder was ich war. Mit Entsetzen stellte ich fest, dass mein Herz gar nicht mehr schlug. Wahrscheinlich befand ich mich in einer Welt, gefangen zwischen Leben und Tod.

      Der Sturm mit den Schauern nahm zu. Und wenn es schon dicke kommt, dann immer heftig. Ein Gewitter setzte zusätzlich ein und begoss mich wie aus Kübeln. Da mir schon ein großes Unglück widerfahren war, sollte ich keinesfalls das Schicksal weiter herausfordern und mich von einem Blitz treffen lassen. Um nicht gänzlich durchnässt zu werden, suchte ich in einer Höhle Schutz. Mich beschlich ohnehin das ungute Gefühl, dass ich schon eine geraume Weile von jemanden verfolgt wurde. Lacht nicht, aber es roch definitiv nach nassem Hund. Wenig später zeigte sich mein heimlicher Verfolger. Er wirkte mindestens genauso verloren wie ich – und genauso nass. Gut, Hund trifft es nicht ganz. Mein unsichtbarer Begleiter entpuppte sich als grauer, struppiger Wolf.

      »Verschwinde!«, drohte ich dem Isegrim. Nur schien dieser nicht im geringsten beeindruckt zu sein. Vielmehr lockte ihn der Inhalt meines Beutels ein Stückchen näher. Na, der sollte mich kennenlernen! Vorsichtig nahm ich die Armbrust ab und spannte sie. Dabei beobachtete mich der Wolf reichlich interessiert.

      »Ja, jetzt gibt es ein Leckerli. Pass mal gut auf!«, versprach ich dem Aufdringlichen.

      Dann zielte ich auf seinen Kopf. Die Armbrust gab ein melodisches »Plink« von sich und der Bolzen trat seinen Weg an.

      Blitzschnell sprang der Wolf zur Seite und schnappte zu. Dann trottete er auf mich zu und apportierte den Bolzen vor meinen Füßen.

      »Äh... Braver Wolf!«, entfuhr es mir verdattert. »Wenn du so tolle Kunststücke drauf hast, wieso hast du kein eigenes Rudel?«

      Darauf antwortete der Wolf natürlich nicht, sondern schaute mich aus bernsteinfarbigen Augen an. Dann ließ er sich seufzend, mit elegant überkreuzten Pfoten, ein Stück entfernt von mir, in der Höhle nieder. Behielt trotz allem, noch immer meinen Proviantbeutel im Auge.

      »Hm, wo kommst du her? Du kommst mir bekannt vor, als hätte ich dich schon irgendwo gesehen. Was guckst du so auf meinen Beutel? Okay, ich kann das Zeug ohnehin nicht essen, und mitschleppen muss ich es auch nicht mehr!«, beschloss ich und verfütterte den Käse, die Wurst, und sogar den Schinken an den Wolf. Anschließend fraß er auch noch das Brot, obwohl es ihm längst nicht so gut schmeckte, wie zuvor der Aufschnitt. Zum Dessert verdrückte er einen Apfel, den ich am Boden des Beutels entdeckte.

      »Was? Du frisst Äpfel? Ein echter Vielfraß bist du. Ich sollte dich Jerv nennen. So, ich habe nichts mehr für dich, jetzt dürfte dein Interesse an mir erlahmt sein. Und wenn du davon träumst, mich zu verspeisen, träume weiter! Ich muss nämlich das Mädchen finden. Guck, der Regen hat aufgehört. Jetzt trennen sich unsere Wege!«, sprach ich zum Grauen, obwohl ich mir dabei sehr albern vorkam. Den Wolf ließ ich sitzen und ging wieder auf Spurensuche. Nach kurzer Strecke schon, tauchten die kleinen Fußspuren der jungen Frau wieder auf. Unmittelbar darauf, sichtete ich die Siedlung der Entführer. Zum Glück wurde das Wetter besser, sogar die Sonne kam heraus. Mich immer verborgen haltend, umrundete ich einmal die Siedlung, um mir einen Überblick zu verschaffen. Seltsamerweise benutzte der Wolf die gleichen Verstecke wie ich. Jedes Mal, wenn ich mich vor den Blicken der Beobachter verbarg, saß schon der Wolf im Versteck und hechelte mir stinkend ins Gesicht.

      »Was soll das, Jerv? Findest du das etwa witzig? Buah! Mundgeruch macht einsam«, flüsterte ich erbost. Der Wolf grinste nur wissend.

      Hallo? Was ging denn da im Dorf ab? Offensichtlich herrschte reger Zulauf. Unzählige Boote waren an den Stegen vertäut und ganze Gruppen standen am Haupttor und begehrten Einlass. Ich verbarg mich nahe im Gebüsch (wieder mit Wolf) und lauschte den Befragungen. Letzten Endes durften alle durch das Tor.

      Aha, meinen Plan mit der nächtlichen Stürmung dieser Siedlung konnte ich getrost auf Halde legen. Wenn ich Zutritt zu diesem Dorf haben wollte, musste ich die Situation nutzen, und mich dort durchmogeln. Überhaupt fragte ich mich, wieso die Siedlung so gut gesichert war. Zwar nur aus Holz, doch vom Prinzip her, eine wahre Festung. Ein hoher Zaun aus zugespitzten Holzpfählen schützte seine Bewohner. Über den Toren waren überdachte Stege mit Ausguck angebracht, von denen sie alles überwachen konnten. Notfalls auch heißes Pech auf ihre Feinde gießen, oder einen Pfeilregen auf sie niedergehen lassen.

      Am Haupttor standen nur zwei Wachen, die sich zurzeit mit einem Besucher unterhielten, der ihre gesamte Aufmerksamkeit für sich beanspruchte. Und falls sie mich aufhielten, würde ich mir eben irgendetwas ausdenken, zur Not löge ich ihnen das Blaue vom Himmel herunter, um hineinzugelangen. Zumindest dürften es keine weltbewegenden Fragen sein. Soweit konnte ich das den geführten Gesprächen entnehmen.

      »Hör zu, Jerv, du bleibst schön hier! Wenn die Burschen ihre Pfeile auf dich abschießen, dürftest selbst du, mit dem Fänger-Trick, überfordert sein!«, sprach ich mit dem Wolf. Die Gelegenheit schien günstig, weil die Wachposten gerade mit einem ziemlich dunkelhäutigen Kerl sprachen, der ihnen nicht unbekannt war. Jedenfalls fragten sie nach, ob er seinen alten, blinden Vater besuchen wolle.

      Der Dunkle nickte: »Ja, ich will für meinen Vater Ruhm und Ehre erwerben, und mir den Titel holen. Ich bin viel im Süden herumgekommen.«

      »Das sieht man, du bist ganz schön braun!«, grinste der Kerl am Tor.

      »Den Witz kenne ich schon. Außerdem will ich das darauffolgende Fest nicht verpassen. Keine Feier ohne Geier«, grinste er und entblößte strahlend weiße Zähne. »Das Mädchen soll auch nicht ohne sein!«

      Für diesen letzten Satz hasste ich ihn sofort heiß und innig. Trotzdem schlüpfte ich an den Herumstehenden vorbei durchs Tor.

      Was ich allerdings nicht bedachte war, dass hinter dem Tor ebenfalls zwei Wächter lauerten. Der Typ, der sich mit dem Dunkelhäutigen unterhielt, pfiff schrill durch die Zähne, was die hinteren Torwächter sofort alarmierte.

      »Ja, schlag doch einer den Tryggvason! Hey du! Ja, du mit dem Wolf! Wo willst du hin?«, versperrten mir die Torwachen mit gekreuzten Speeren den Weg. »Bei Odin! Du bist riesig! Meinst du, wir sehen dich nicht? Wie ist denn die Luft da oben?«, neckte mich der Größere der beiden.

      »Oh, ganz gut, riecht nur streng nach Zwergen!«

      Irgendetwas zuckte in meinem Schienbein, gleich so, als hätte mich etwas getreten.

      »Ha, ha!«, sagte der Größere trocken. »Nochmals! Wo willst du hin?«

      »Na, ich will hier rein!«

      »Moment mal! Du kannst hier nicht so einfach hereinspazieren. Vorher müssen wir dir ein paar Fragen stellen... Sag mal, wo ist eigentlich dein Boot? Wie bist du hier her gekommen?«, fragte der

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