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den es weit und breit gibt – und das sind Sie, Herr Bramme!“

      „Sie übertreiben!“

      „Nach allem, was ich von Ihnen gehört habe, nicht. Ich muss sofort nach Abu Dhabi und Sie begleiten mich!“

      Bramme riss die Augen auf. Mit Mühe konnte er ein Lachen unterdrücken. Petersen dagegen blieb sachlich.

      „Wie kommen Sie denn darauf, dass Ihr Bruder ermordet worden ist? Er könnte doch auch einen Herzinfarkt oder einen Hitzschlag erlitten haben.“

      Unbeirrbar ernst zog Kartzow ein zusammengefaltetes Blatt Papier aus der Tasche und hielt es Bramme kommentarlos hin. Zögerlich ergriff dieser das Blatt und öffnete es.

      „ZAHLEN ODER STERBEN“, las Bramme halblaut vor und betrachtete die in dicken roten Buchstaben geschriebenen Worte.

      „Ganz genau.“ Kartzow nickte. „Jemand will uns umbringen.“

      „Wann haben Sie das bekommen?“, schaltete sich nun Behrendtsen ein und quetschte sich um den Schreibtisch herum, um den Zettel ebenfalls lesen zu können.

      „Vor drei Wochen.“

      „Was?“, rief Petersen entsetzt und zog damit alle Aufmerksamkeit auf sich. „Und da kommen Sie erst jetzt zu uns?? Gibt es eine Zahlungsaufforderung?“

      „Nein. Wir sind keine Hosenscheißer und haben das Ganze zunächst als schlechten Scherz aufgefasst. Jetzt aber brauche ich Polizeischutz, und Sie müssen Ihren Kollegen in Abu Dhabi auf die Finger schauen. Nichts darf übersehen oder unter den Teppich gekehrt werden. Dafür brauche ich Sie unbedingt, Herr Bramme. Die Reisekosten lassen Sie bitte meine Sorgen sein.“

      Für einige Augenblicke trat Stille ein. Bramme seufzte tief und wandte sich mit fragendem Blick Behrendtsen zu. Dieser fing seinen Blick auf, zögerte kurz und nickte dann bedächtig mit dem Kopf.

      „Also gut!“, Bramme stand auf und ergriff Kartzows Hand. „Ich komme mit Ihnen. Wann soll es losgehen?“

      Kartzow schüttelte Bramme dankbar die Hand.

      „Sehr gut!“, sagte er fast euphorisch. „Unser Flug geht heute Abend. Ich muss vorher aber noch mit meiner Schwägerin Bettina reden und ihr mitteilen, dass ihr Mann tot ist.“

      „Soll ich Sie begleiten?“, fragte Bramme.

      „Das wäre nett!“

      Bramme drückte Petersen die Akte in die Hand, die er zuvor studiert hatte, und ließ alles andere stehen und liegen. Endlich bot sich ihm wieder einmal die Gelegenheit, dem Alltagstrott zu entfliehen. Wie Behrendtsen diese Reise seinen Vorgesetzten verklickerte, konnte Bramme egal sein. Mit der Bürokratie stand er sowieso ständig auf Kriegsfuß.

      Auch Peter Kartzow hatte es plötzlich sehr eilig. Vielleicht hatte er Angst, der Kriminalrat könnte es sich noch einmal anders überlegen. Er verabschiedete sich von Behrendtsen und Petersen und verließ zusammen mit Bramme das Büro.

      4. Kapitel

      Der reetgedeckte Bungalow der Familie Paul Kartzow lag wie eine verwunschene Insel in einem gepflegt wirkenden Park. Rosen blühten in den verschiedensten Farben, Ziersträucher aller Art säumten den Zufahrtsweg, und in den hoch aufragenden Bäumen zwitscherten Vögel in allen Tonlagen.

      Peter Kartzow trat zusammen mit Bramme an das schmiedeeiserne Tor und betätigte die daneben angebrachte Klingel. Ein leichtes Surren hob an und Bramme wandte den Kopf. Über sich entdeckte er eine Überwachungskamera mit einer beängstigend großen Linse, die surrend die Besucher erfasste. Schließlich summte der Türöffner und Kartzow drückte routiniert das Tor auf.

      Wirres Hundegebell schlug ihnen entgegen, als sie den Kiesweg betraten. Eine attraktive Frau – Ende zwanzig und unübersehbar schwanger – öffnete die Tür und gab den Weg für zwei Rauhaardackel frei, die nun auf Peter Kartzow zustürmten, freudig an ihm hochsprangen und aus vollem Halse bellten. Doch Peter Kartzow hatte heute nur ein Tätscheln für sie übrig. Er trat auf die junge Frau zu, die ihn überrascht und fragend zugleich anschaute.

      „Was…?“, begann sie, doch ihr Schwager umarmte sie fest und gab ihr keine Antwort.

      „Peter!“ Sie schien nicht zu wissen, ob sie amüsiert, oder besorgt sein sollte. „Was ist denn los?“

      „Können wir ins Haus gehen?“, fragte er zaghaft, nachdem er sich von ihr gelöst hatte. Dann winkte er Bramme herbei, der bisher unauffällig abseits gestanden und die Szene beobachtet hatte.

      „Darf ich dir Hauptkommissar Bramme vorstellen?“

      Bettina reichte Bramme die Hand.

      „Sehr erfreut.“ Irritiert fuhr sie sich durchs Haar, dann machte sie eine einladende Geste in Richtung Flur. Die beiden Hunde sprangen zwischen ihren Beinen hindurch und sausten allen voran in das geräumige Wohnzimmer.

      „Also, was führt dich zu mir?“, fragte Bettina Kartzow, kaum dass sie die Haustür geschlossen hatte. Eine Hand lag auf ihrem Bauch, ihr Gesicht drückte Besorgnis aus. „Vor ein paar Tagen die Steuerfahndung, heute die Polizei. Würdest du mir bitte endlich sagen, was los ist?“

      Mit gesenktem Kopf äugte Bramme zu Kartzow hinüber, der ihn hilfesuchend anblickte. Es war unübersehbar, dass Bettinas Schwager am liebsten aus seiner Haut heraus wollte. Doch Bramme konnte ihm diese Aufgabe beim besten Willen nicht abnehmen.

      „Bettina“, unbeholfen machte Peter einige Schritte auf sie zu, legte ihr einen Arm um die Schulter und schob sie zum Sofa hinüber. Als er sicher war, dass sie bequem saß und ihm nichts weiter einfiel, um Zeit zu gewinnen, seufzte er hörbar auf. „Ich muss dir eine schlechte Nachricht überbringen, und es fällt mir sehr schwer, die richtigen Worte zu finden.“

      Bramme sah in Bettinas Gesicht das blanke Entsetzen aufziehen, und er flehte zum Himmel, Kartzow möge endlich auf den Punkt kommen. Sich verlegen die Haare raufend rutschte Kartzow noch ein Stückchen näher an sie heran, doch Bettina wich zurück.

      „Es tut mir furchtbar leid, Bettina, aber ich komme, um dir zu sagen, dass Paul tot ist.“

      Einen Moment lang schien Bettina zu schwanken, und Bramme war heilfroh, dass sie auf dem Sofa saß. In ihrem Gesicht zeigte sich keine Regung, gerade so, als ob sie diese Worte gar nicht verstanden hätte. Dann jedoch schlug sie die Hände vors Gesicht und begann zu schluchzen. Peter Kartzow sah erneut hilfesuchend zu Bramme hinüber.

      „Frau Kartzow“, Bramme trat schnell zu ihr und legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Ich möchte Ihnen mein aufrichtiges Beileid aussprechen.“

      „Wie ist er denn…?“, die restlichen Worte erstickten in ihren Tränen.

      „Wir wissen es noch nicht genau“, erklärte Bramme rasch und setzte sich zu den beiden. „Ihr Mann ist auf dem Golfplatz zusammengebrochen.“

      An Bramme gerichtet hob Kartzow eine Augenbraue, doch dieser ignorierte den Wink. Er würde einen Teufel tun und diese junge, hochschwangere Frau jetzt auch noch mit dem Mordverdacht konfrontieren.

      „Herr Bramme und ich fliegen nach Abu Dhabi und klären das“, sagte Peter Kartzow und griff nach Bettinas Hand.

      Noch immer rührte sie sich nicht. Kartzow drückte seufzend ihre Hand, bevor er aufstand.

      „Paul war nicht nur dein Mann, er war auch mein Bruder.“

      Als sie wieder draußen vor dem Bungalow standen, atmeten Bramme und Kartzow tief durch. Der furchtbaren Atmosphäre da drinnen entkommen zu sein, empfanden beide als Erleichterung. Bramme spürte mehr denn je, dass er sein Gewerbe niemals von der anderen Seite aus sehen wollte. Er war Kommissar, ein Opfer zu sein schien ihm nicht nur fern, sondern auch unerträglich. Schweigend folgte er dem niedergeschlagenen Peter Kartzow zum Wagen.

      Beim Überqueren der Straße kreuzte ein Radfahrer ihren Weg. Der Mann auf dem Sattel machte einen unübersehbar heruntergekommenen Eindruck. Seine Haare bedeckten in langen Strähnen fast das ganze Gesicht,

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