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Verabredung!«

       Doris blickt sie verwundert, doch verständnisvoll an. Dieses Treffen war seit langem vereinbart, aber der Beruf der Freundin bringt eben immer Überraschungen mit sich und so nickt sie ergeben zum Abschied.

       Während die Freundin das Café verlässt, sucht Doris in ihrer Tasche nach der Zeitschrift, die sie mitgebracht hat. Ihre Augen studieren das Titelblatt. »Wenn Freundinnen schweigen«. Schon wieder begegnet ihr dieser Gedanke. Sie lacht über sich selbst. Selektive Wahrnehmung, denkt sie, mit 50 wird eine Frau anscheinend misstrauisch.

       Eine Reportage über Frauen im Berufsleben fesselt sie, bis sie auf einige schwer verständliche Sätze stößt und die Konzentration nachlässt.

       »Hast du schon gehört, das Rainer eine Geliebte hat«, dringt eine Stimme vom Nebentisch an ihr Ohr. Ihr Mann heißt auch Rainer, doch wie viele Männer heißen Rainer. Der Zufall, dass am Nebentisch von ihm gesprochen wird, ist zu groß. Dennoch. Doris ist verunsichert. Sie schaut weiterhin in die Zeitschrift, als wäre sie in den Bericht vertieft und lauscht auf das Gespräch der beiden Frauen am Nebentisch.

       »Als stellvertretender Bürgermeister könnte er vorsichtiger sein, noch dazu die Frau eines Geschäftsmannes.«

       Wie ein Stachel sticht das Wort stellvertretender Bürgermeister in Doris. Vorsichtig hebt sie ihren Blick und sucht die Gesichter der beiden Frauen, die am Nebentisch unbekümmert plaudern. Sprechen sie wirklich von ihrem Mann?

       Ihr Verstand lässt sich nicht länger betrügen, zu genau erkennt sie in einer der beiden Frauen die Sekretärin ihres Mannes. Ich wusste gar nicht, dass die beiden sich duzen, schießt ihr durch den Kopf, ein Zeichen, das das Misstrauen noch mehr schürt und jetzt kommt ihr die Bemerkung der Freundin wieder in den Sinn.

       Sie hält die Ungewissheit nicht länger aus. Entschlossen steht sie auf und geht an den Nachbartisch. Sie nimmt ihre ganze Kraft zusammen, dann presst sie hervor. »Sprechen Sie gerade über meinen Mann?«

       Entsetzt starren die beiden Frauen sie an. Zunächst sagt niemand etwas. Keine der drei Frauen bewegt sich. Von außen wirken sie wie drei schweigende Skulpturen. Dann nickt die Sekretärin. Ergeben beantwortet sie Doris Frage nach der fremden Frau, die ihr Leben verändert hat, der Frau, die gar nicht fremd ist. Wen kennt sie besser als ihre Adoptiv-Schwester, der ihre Eltern ein Zuhause gaben, nachdem sie kein zweites Kind bekommen konnten.

       Mit schweren Schritten geht Doris zurück. Angeekelt sieht sie die Reste ihrer Lieblingstorte auf dem Teller an. Mit langsamen Gesten steckt sie die Zeitschrift ein. Dabei stößt sie auf das Buch, nimmt es aus der Tasche. Den Umschlag reißt sie als erstes auseinander, ehe sie das Buch Seite um Seite zerpflückt und die Blätter über den Tisch streut. Die anderen Gäste sehen mitleidig zu ihr herüber. Jeder ahnt, was sie bewegt, schließlich steht sie seit Jahren mit ihrem Mann, dem stellvertretenden Bürgermeister, im Mittelpunkt der Öffentlichkeit und der Gespräche am Kaffeetisch.

       Unauffällig haben die beiden anderen Frauen ihren Tisch und das Café verlassen. Doris bleibt allein mit einhundertfünfzehn zerfetzten Buchseiten. Wieder fällt ihr Blick auf die Torte, sie greift nach der Kuchengabel und stopft das letzte Stück gierig auf einmal in den Mund.

       »Noch ein Stück«, bestellt sie kauend, ehe sie die Sahne mit dem Kaffee hinunterspült. Auch das zweite Stück verschlingt sie, ein drittes und viertes ebenfalls. Ein Cognac soll helfen, den ungewohnten Genuss zu vertragen. Er bewirkt jedoch das Gegenteil. Sie springt auf, eilt in den Waschraum und gibt die Torte und allen Schmerz wieder, den sie verdauen wollte.

       Bleich kehrt sie an den Tisch zurück, zahlt Kaffee und Kuchen und greift achtlos nach den Einkäufen, an denen sie noch vor zwei Stunden so viel Freude gehabt hat. So können wenige Minuten ein Leben zerstören, sagt sie sich und verlässt den Raum, um sich mit ihrem Auto auf den Heimweg zu machen.

       Heim, denkt sie, ist dort noch mein Zuhause, wo ich belogen werde?

      Tränen steigen endlich in ihre Augen, sie beugt sich über das Lenkrad und lässt ihnen freien Lauf. Erst als der Strom versiegt, unter abebbendem Schluchzen setzt sie das Fahrzeug in Bewegung. Ihre ganze Aufmerksamkeit richtet sie auf den dichten Straßenverkehr, erst auf der Landstraße lässt sie ihren Gedanken wieder freien Lauf. Wie kann es weitergehen? Wird es weitergehen?

       Das Vernünftigste wäre, ihn zu verlassen, denkt sie, ihn zu strafen für den Verrat. Hat nicht auch er damals Treue vor dem Pfarrer versprochen? Wie kann sie ihm jemals wieder glauben. Aber, fällt ihr ein, was könnte den beiden Besseres passieren? Wenn sie ginge, wäre doch der Boden bereitet für eine legitime Beziehung.

       Ob ihr Mann von dem Verhältnis weiß?, geht es ihr durch den Kopf. Kurz spielt sie mit dem Gedanken, sich mit ihm zu verbünden. Dann erscheint ihr dieser Weg sinnlos. Was kann er ihr bringen? Kann sich überhaupt etwas ändern?, fragt sie sich zum wiederholten Mal. Wäre es nicht am besten, wenn ich mich ganz entfernen würde? Für immer, und beide mit der Schuld zurückließe, mein Leben beendet zu haben.

       Sie glaubt jetzt nicht mehr an ein Gewissen der Beiden, nicht, nach dem, was sie gehört hat.

       Wie oft war eine vermeintliche Frage der Schwester wegen eines Geschenkes oder einer anderen Lappalie womöglich nur Vorwand für eine Minute der Umarmung. Wie viele gemeinsame Abende, über die die beiden sicher nachher belustigt gelacht hatten. Nein, sie werden sich keine Vorwürfe machen, wenn sie ihrem Leben ein Ende setzt. Vielleicht für kurze Zeit, aber dann wird ihnen ihr Tod den Weg öffnen.

       Auch diese Gedanken verwirft sie also und sinnt darüber nach, wie sie die beiden am meisten strafen kann. Sie weiß, eine Scheidung würde ihn seine Stellung kosten. Ein geschiedener Bürgermeister ist kein gutes Aushängeschild für ein kleines katholisches Städtchen, also muss die Beziehung weiter auf der Lüge stehen.

       Zufrieden lehnt die Frau sich zurück. Nein, sie wird ihn weiterhin lügen lassen, ihn beobachten, wie er sich an seinem Angelhaken dreht und windet. Bemerkungen wird sie machen, die ihn erschrecken, den Verdacht erwecken, sie wüsste Bescheid, ohne es wirklich auszusprechen. Dieser Gedanke erfüllt Doris mit innerem Leben, sie hängt ihm nach und sieht die zappelnden Menschen vor sich, der Triumph überwältigt sie für einen kurzen Moment.

       Sie achtet nicht auf die Straße, das Auto spürt die lose Hand, bricht aus und gerät auf die Gegenfahrbahn. Sie sieht die Leuchtmarkierungen und Baustellenfahrzeuge, doch ihre Gedanken sind zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt, da ist kein Reflex.

       Der Triumph in ihren Augen ist nur noch kurze Zeit zu sehen, nachdem die Rettungssanitäter sie aus dem Blechknäuel herausgeholt haben, denn Sekunden später schließt die Notärztin die Lider für immer.

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