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Augen lag Glanz. Ihr eher flaches, etwas knöchernes Gesicht war noch fast faltenlos, mit diesem Glanz und mit diesem Lächeln entwickelte es seinen eigenen Charme.

      Bald darauf saßen sie im Auto.

      Stella konnte sich an die Freiburger Diskotheken noch gut erinnern. Sie bevorzugte damals die Studentendisco „Elpi“, doch auch das „Jazzhaus“ hatte sie mehrmals besucht und auch das „Crash“.

      Es gab weitere. Nur eine war auf dieser Liste ein absolutes Tabu.

      Das „Elpi“ war an diesem Sonnabend hoffnungslos überfüllt, als sie sich durch die Knäuel Bauch- und Becken-schüttelnder Körper zur Theke durchgearbeitet hatten, bestellten sie einen Orangensaft, jeder schien hier jeden zu kennen und einem Neuling blieb nur das Gefühl, an diesem Ort ein Fremdkörper zu sein. Rebekka sagte, sie könne mit dieser Disco nicht warm werden, und nach einer Stunde brachen sie wieder auf.

      Im „Jazzhaus“ fand eine geschlossene Vorstellung statt, es spielte dort eine kleine Band angereister Jazzkoryphäen. Auch im „Crash“ wurde live gespielt, eine noch wenig bekannte Rockgruppe war engagiert. Sie zeichnete sich vor allem dadurch aus, dass sie einen ohrenbetäubenden Lärm produzierte. Wieder brachen Stella und Rebekka nach knapp einer Stunde auf. Blieb noch das Agar in der Löwenstraße.

      Auch hier war die Tanzfläche voll und die Luft verqualmt. Doch worauf es ankam, war schließlich, ein paar „nette Typen“ aufzuspüren – „geile Typen“, wie Stella und ihre Schulfreundinnen es damals gesagt hätten, Typen jedenfalls, die in irgendeiner Art interessant waren und mehr als Bundesligatabellen und heiße Automarken im Kopf hatten.

      Wieder hielten beide ihren Orangensaft in der Hand. Das Suchspiel der Blicke im dunstigen verqualmten Discolicht begann erneut.

      Plötzlich zog Stella Rebekka auf die Tanzfläche. Mehrere Frauen tanzten hier als Paare. Als Paar tanzende Männer sah man nicht. Wenn die Männer tanzfaul auf ihren Hintern blieben, mussten die Frauen sich selbst helfen.

      Auf einmal verlangsamten sich Stellas Bewegungen, schließlich stand sie ganz still.

      Sie fühlte, wie ihr Blut in einem heftigen Aufruhr durch ihre Adern schoss. Am anderen Ende der Tanzfläche stand ein Mann mit schwarzem glänzendem Haar, den sie zu erkennen meinte.

      In Sekundenschnelle rollte ein innerer Film vor ihr ab.

       Ein nächtlicher Wald. Sie war benommen. Man zerrte sie aus einem Wagen. Ebenso, wie sie verschwommen wahrnahm, Rebekka; zuletzt die kleine Schwester, die zwölfjährige Lenny.

       Stella sah und hörte sich schreien. Der schwarzhaarige Mann warf sich über sie. Wieder drückte er ihr jenes chloroformgetränkte Tuch ins Gesicht, ihr Widerstand blieb schwach, als er ihren Unterkörper freilegte und in sie eindrang.

       Ohnmächtige Wut. Die im gewalttätigen Übergriff erzwungene Lust. Plötzlich suchte er ihren Blick. Der flüchtige Versuch eines Lächelns – jenes Lächelns, das sie an diesem Abend, den sie gemeinsam getanzt hatten, verzaubert hatte. Eng umschlungen wiegten sie sich zuletzt auf der Tanzfläche. Wieder spürte sie jetzt seine harten Stöße der Lust und den harten Griff seiner Hände, die ihre Schultern umkrallten.

       Er ließ von ihr ab.

       Der andere Mann, sein Kumpel, der blonde, grobgesichtigte, hatte sich über Rebekka geworfen. Er hielt ihr die Hand auf den Mund gepresst, das chloroformgetränkte Tuch hatte er inzwischen verloren. Plötzlich tropfte Blut von seiner Hand, ein Wutschrei folgte. Rebekka hatte in letzter Verzweiflung zugebissen, er antwortete mit mehreren Faustschlägen direkt in ihr Gesicht.

       Er hatte ein neues Opfer erspäht: Lenny. Auch sie lag betäubt im Gras. Der Schwarzhaarige doch kam ihm in dieser Sekunde zuvor. Er warf sich über das Mädchen, die hilflos mit Armen und Beinen schlug, dann hatte er sie doch fest im Griff, und wieder lag das chloroformgetränkte Tuch auf ihrem Gesicht.

       Stella versuchte mit Macht, die Betäubung abzuschütteln. Sie richtete sich auf.

       Sie erspähte im Gras einen Ast. Sie griff ihn, sie bewegte sich schwankend auf den Schwarzhaarigen zu und ließ den harten Ast mit Wucht an seine Stirn schlagen. Der Mann taumelte. Stella schlug ein zweites Mal zu, wieder genau auf den Haaransatz seiner Stirn. Der Mann rutschte zur Seite, laut aufstöhnend, die Hand auf die Stirn gedrückt, aus der jetzt heftig das Blut quoll.

       Da stand der Blonde neben ihr, der Grobgesichtige. Er entriss ihr den Ast und holte zum Schlag aus. Stella duckte sich weg, er stolperte über Lennys Füße und stürzte. Stella konnte sich zum Wagen mit den immer noch weit offenen Türen flüchten.

       Sie verriegelte ihn von innen. Der Schlüssel steckte. Sie besaß keinen Führerschein und hatte noch nie einen Wagen selbständig gefahren. Doch sie hatte die Eltern oft beim Fahren beobachtet.

       Der Grobgesichtige trommelte gegen die Scheiben. Auch der Dunkelhaarige hatte sich wieder auf

       gerichtet. In beiden Gesichtern glühte Wut.

       Stella zündete den Wagen. Sie musste Hilfe holen. Der Blonde hatte den Wagen in den Waldweg eingefahren. Sie wusste, es war ihr unmöglich, ihn zurück auf die Straße zu manövrieren. Erleichtert spürte sie, dass er immerhin auf ihren Fuß über dem Gaspedal reagierte.

       Die Männer sprangen zur Seite, nun verfolgten sie sie, mit wutverzerrten Gesichtern, sie meinte, ihr angestrengtes Keuchen zu hören.

       Sie fuhr in Panik. Sie spürte ihr Zittern, das den ganzen Körper erfasst hatte. Sie fuhr den holprigen Waldweg in ein immer ungewisser werdendes Dunkel hinein. Endlich besann sie sich darauf, die Scheinwerfer einzuschalten. Sie beschleunigte. Diese albtraumhafte Fahrt über schmale Waldwege, beständig auf verstreute Äste und Steine schlagend, konnte kein Ende nehmen, solange sich die Verfolger in ihrem Rücken befanden.

       Immer noch einmal beschleunigte sie.

       Jetzt schien es, die Verfolger hatten aufgegeben.

       Sie suchte nach ihrem Handy. Vergebens. Sie hatte es auf dem Waldboden im Gras verloren. Sie hatte es unbestimmt bereits gespürt, jetzt war es Gewissheit. Ihr Handy war fort.

       Immer noch hielt diese Wolke von Panik sie gefangen.

      Sie blickte zu dem schwarzhaarigen Tänzer hinüber. Es schien jetzt, er erwiderte diesen Blick.

      Der Film brach für einen Moment ab.

      Stella bewegte sich tanzend zurück an Rebekkas Seite, dann packte der Film sie erneut – mit einer neune Sequenz, einer der weiteren Schrecken.

       Sie fuhr das Auto, es gehorchte ihr inzwischen mehr und mehr. Rebekka saß jetzt neben ihr. Sie näherten sich auf der nächtlichen Waldstraße einer Brücke. Plötzlich erkannten sie ihn vor sich im Scheinwerferlicht: den Mann mit der schwarzen Lederjacke. Deutlich war das Rückenmuster mit dem doppelköpfigen Drachen zu erkennen. Der Mann hielt etwas Blinkendes in der Hand. Plötzlich wendete er sich zu ihnen um. Eine Pistole?

       Stella gab Gas, sie musste die Schnellere sein. Sie hielt genau auf den Mann zu. Der versuchte im letzten Moment, zur Seite zu springen, da schlug er gegen die Motorhaube, der Wagen überrollte ihn.

       Stella stoppte das Auto, endlich wagte sie einen Blick. Sie hatten den Mann über der asphaltierten Straßenboden auf dem Gesicht liegend mit sich geschleift, wieder sah man die Lederjacke mit dem doppelköpfigen Drachen, das Gesicht war blutüberlaufen und zerschrammt bis zur Unkenntlichkeit. Noch immer hielt der Mann den blinkenden Gegen-stand umklammert, es war eine Taschenlampe.

       Er zeigte kein Lebenszeichen mehr.

       Stella und Rebekka lösten sich aus ihrer Erstarrung. Sie griffen den Mann an Schultern und Beinen und warfen ihn über das Geländer in die Schlucht.

      Jetzt

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