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Urteil und was sie von nun an über sie denken würde, fürchtete sie sich am meisten – und so wie es aussah, erwartete May tatsächlich eine Antwort von ihr. Sie nickte verschämt, weil sie mit ihrem ausgetrockneten Mund eh nur brüchig und unverständlich hätte antworten können. Ihr hatte es nämlich schlicht die Sprache verschlagen.

      »Da hast du es, May«, grinste Violett zufrieden. »Deine Freundin ist wirklich wunderbar und ich bin so dankbar, dass ich sie damals bei dir im Geschäft kennenlernen durfte … Ich will sie gerade heiß machen, und wenn du mal zwischen ihren Beinen fühlst, dann wirst du merken, wie feucht sie ist.«

      »Aha.«

      Tamora konnte das Grün immer noch nicht deuten. Sie konnte immer noch nicht erkennen, was May in diesem Augenblick über sie dachte – und dieser Gedanke marterte sie auf das Fürchterlichste.

      »Willst du mal fühlen wie feucht sie ist?«, ließ Violett nicht locker.

      »Nein, danke«, lehnte May schmunzelnd ab.

      Tamora war froh, dass May jetzt doch noch eine Grenze zog und Violetts Spiel nicht noch weitertrieb – es zusätzlich befeuerte.

      »Bist du sicher? Sie lässt dich.«

      »Nein, lass' mal, Violett. Ich muss nicht unbedingt anderen Frauen oder meiner Freundin zwischen den Beinen rumfummeln … in einem Café.«

      Tamora versuchte noch einmal in dem tiefen Grün zu ergründen, ob sich in ihnen Mitgefühl zeigte oder was sie bewegte.

      »Nicht in einem Café, wo denn sonst?« Violett nutzte Mays Antwort als Steilvorlage, weiterzuspielen.

      Tamora hasste Violett für deren rasche Auffassungsgabe. Auch sie hatte gemerkt, wie May das noch schnell angefügt hatte. Warum? Nur eine Ungeschicklichkeit? Warum nicht sofort: Ich muss nicht unbedingt anderen Frauen in einem Café zwischen den Beinen rumfummeln, schoss es Tamora durch den Kopf. Dann hättest du den ganzen Satz verneint, aber so verneinst du nur den Ort!

      »So meinte ich das nicht«, reagierte May sofort.

      Ist das glaubwürdig?, fragte sich Tamora.

      »Na gut, lassen wir das«, lenkte Violett ein. Machte dann aber doch weiter. »Sieh mal, sie ist ganz rot geworden, es ist ihr wohl peinlich! Ist sie nicht süß, May?«

      Mays Lächeln war für Tamora nicht zu entschlüsseln, wenngleich sie hoffte, dass es mehr nach Verlegenheit aussah.

      »Ist dein Mann mit den Kindern eigentlich in den Urlaub gefahren?«, erkundigte sich Violett, und ihre Prinzessin atmete auf, als sich das Gespräch einem unverfänglichen Thema zuwandte.

      Aber natürlich blieb die Bedrohung. Solange May anwesend war, konnte sie sich nicht in Sicherheit wiegen. Sie war überzeugt davon, dass Violett mit Leichtigkeit neue Pläne entwerfen könnte.

      »Ja«, nickte May. »Zusammen weg in den Urlaub und den Friseursalon ganz schließen geht ja nicht so einfach.« Sie seufzte. »Ist halt der Selbständigkeit geschuldet … Na ja, in zwei Wochen sind die drei ja wieder da.«

      Tamora musste an den pickeligen Jungen im Schmuddelsexshop denken, den sie vor wenigen Stunden angemacht und was ihr nicht viel ausgemacht hatte – ja, es hatte ihr sogar Vergnügen bereitet. Wo liegt jetzt der Unterschied? Warum der Schock? Der Unterschied besteht wohl einfach darin, dass der Junge mich einfach nur als eine nicht für real zu haltende Fantasie betrachtet hat, und das Gesehene in seiner Vorstellung mittlerweile schon so abgewandelt ist, dass es nicht mehr dem entspricht, was geschehen ist. Still lächelte sie in sich hinein. Vermutlich lässt er sich in seiner Fantasie gerade von mir auspeitschen. Vor allem aber wird dir keiner glauben ... Aber May? … Sie stammt aus einer ganz anderen Welt. Außerdem ist sie meine Freundin. Sie wird vielleicht auf der nächsten Party erzählen, was sich gerade ereignet hat. Sicher nicht absichtlich, doch möglicherweise nach einigen Drinks zu viel … Und dann wird jemand anders irgendeine Geschichte erzählen von bizarren Menschen. Jeder wird eine solche Story kennen und sei es nur aus den Medien – und schließlich werden sie alle von den Freaks sprechen, die es mit Tieren treiben, Kinder belästigen, vergewaltigen. Am Ende steht dann die Forderung nach der Todesstrafe für Perverse. Wenn ich etwas partout nicht will, dann in einem Atemzug mit Pädophilen und Vergewaltigern genannt werden.

      Mit großem Enthusiasmus erzählten sich Violett und May einige Urlaubsbegebenheiten und Tamora saß stumm daneben, soweit ihre Königin nicht gerade wieder am Regler spielte und ihr ein weiteres Keuchen entlockte, was May zunehmend lustiger fand – sodass in Tamora das mulmige Gefühl aufkam, dass dies alles noch nicht zu Ende war.

      »Weißt du was, wir fahren zu uns«, meinte Violett dann auch prompt, nach einem herausfordernden Augenzwinkern in Richtung ihrer Prinzessin, »Immerhin warst du ja noch nie bei uns und weißt gar nicht wie wir leben. Sie wird mit den anderen Mädchen etwas kochen, die du ja auf der Hochzeit eh sehen wirst, und wir können uns bei einem Glas Wein unterhalten. Das ist doch viel gemütlicher als hier im Café.«

      Wenn Tamora es bislang für unmöglich gehalten hätte, ihre Geliebte jemals abgrundtief zu hassen, so war dieser Zeitpunkt gerade erreicht. Es geht also weiter?

      »Klar, gerne!«

      ***

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      Kapitel 4

      Zwei Stunden später saßen Tamora, Violett und May in der Villa gemeinsam am Esstisch. Courtney, Kazumi und Modesty hatten sich auf ihre Zimmer ins Nebengebäude zurückziehen dürfen – nur Floré war in der Küche verblieben, um jederzeit für Dienstreichungen zur Stelle zu sein. Die Stimmung war gelöst, und die zweite Flasche Wein näherte sich ihrem Ende.

      Dennoch war Tamora ungewöhnlich einsilbig geblieben und auf der Hut, obwohl sie natürlich wusste, dass sie keinen Einfluss hatte auf das, was passieren würde.

      Als es spät wurde und sich die Gesprächsthemen langsam dem Ende neigten, fing Tamora immer häufiger Mays Blick ein – und einer zu Violett verriet ihr, dass auch ihrer Königin das nicht entgangen war. Sie hoffte inständig, dass ihre zukünftige Frau nicht den Mut aufbrachte, das Thema erneut anzusprechen.

      Doch die tat alles, jedes neu aufgebrachte Gesprächsthema schnell zu beenden, sodass die Konversation immer zäher wurde und die Blicke auf ihre Prinzessin immer häufiger.

      »Und meine Freundin tut wirklich alles, was du sagst, Violett?«, fragte May noch einmal ungläubig nach.

      Tamoras Herz sank dahin.

      »Absolut alles«, lächelte Violett siegessicher.

      »So kenne ich Tammy überhaupt nicht … Ist eine völlig neue Seite an ihr«, bemerkte May.

      »Soll ich es dir zeigen?«

      Boah, Vio, kannst du mit dieser Peinlichkeit nicht endlich aufhören?, flehte Tamora ihre Geliebte in Gedanken an. Du ahnst gar nicht, wie sehr ich dich verfluche, seit May hinzugekommen ist!

      »Na, es dürfte ihr ohnehin schon unangenehm genug sein, meinst du nicht auch, Violett?«, schmunzelte May und blickte wieder einmal zu ihrer langjährigen Freundin hinüber. »Wenngleich ich ja finde, dass du mir das ja mal früher hättet erzählen können, … was genau da zwischen euch beiden so abgeht, oder?«

      Tamora schwieg verbissen.

      »Nachdem du mich dermaßen angestachelt hast, Violett«, meinte May, »interessieren würde es mich schon.«

      Violett grinste frech und wandte sich an ihre zukünftige Frau. »Steh' auf!«

      Mit schwerem und rasendem Herzen erhob sich Tamora von ihrem Platz.

      Violett und May widmeten ihr jetzt ihre volle Aufmerksamkeit und freuten sich auf eine Show.

      »Komm' her, ›Chérie‹!«, rief Violett Floré zu, die darauf aus der offenen Küche geeilt kam und sie fragend ansah. »Nimm' deiner Herrin die Spange ab!«

      Floré

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