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hätte, wären alle sehr nett und freundlich gewesen. Aber, wie gesagt, ich hätte nur ganz selten einen Einblick in den normalen Alltag erhalten und könnte mir nur das Urteil eines Touristen erlauben. Ich fragte die drei, ob sie in Shanghai lebten und Lan bejahte, Lo und Mayleen kämen aus Nanjing, sie hätten sich auf dem Campus kennengelernt, das wäre ein bzw. eineinhalb Jahre her, sie wären gute Freunde geworden. Lo wäre ein Jahr jünger als Mayleen, sie hätte ein Semester später mit ihrem Studium angefangen. Lan hatte eine gut aussehende Kommilitonin zur Freundin gewonnen, aber auch Lo war ausgesprochen hübsch, für eine Chinesin groß gewachsen und von sanfter Statur. Sie hatte glänzendes langes schwarzes Haar und trug Jeans und T-Shirt, wie die anderen beiden auch. Wir stellten im Gespräch fest, dass ich ein Jahr älter als Lo war, also war Lo einundzwanzig, wir liebten die gleiche Musik und die gleiche Mode, also Jenas und T-Shirt, wenn man da von Mode sprechen konnte. Wir hatten Jacken übergezogen und saßen lange an Deck bei Petroleumlicht, Bier und Wein war genügend vorhanden. Ab und zu ging man nach hinten und pinkelte über die Reling, die Mädchen gingen nach unten aufs Klo.

      Um Mitternacht überkam uns aber alle die Müdigkeit und wir gingen schlafen, meine erste Nacht auf dem Boot begann, ich hatte meinen Schlafsack ausgebreitet und musste mich zuerst an die schmale Unterlage gewöhnen, es klappte aber sehr gut und ich schlief tief und fest, mein kleines Bullauge hatte ich geöffnet. Wir schliefen bis 9.00 h und gingen dann an Deck, um zu frühstücken.

      Ich nahm vorher eine Dusche in dem winzigen Duschraum, den es unten gab, die Dusche war mit der Toilette kombiniert, die Abwässer wurden in den Fluss geleitet. Wir müssten immer dafür sorgen, dass wir ausreichend Frischwasser an Bord hätten, meinte Lan, sonst müssten wir uns mit Flusswasser waschen und ob das so empfehlenswert wäre, könnte er sich nicht vorstellen. An unserer Anlegestelle konnten wir keinen Diesel und kein Wasser aufnehmen, wir müssten am Abend einen Ort anlaufen, wo das möglich wäre, wir müssten auch einkaufen. Unser Frühstück war recht karg, aber gut, es gab gutes Brot, zwar nicht frisch, aber lecker und Marmelade, dazu heißen Tee. Ich sagte, dass ich ausgezeichnet geschlafen hätte, ich hätte mein Bullauge etwas geöffnet, um frische Luft hereinzulassen. Gut dass ich das sagte, meinte Lan, ich müsste das Bullauge während der Fahrt schließen, damit kein Wasser ins Boot spritzte. Ich lief sofort nach unten und schloss das Bullauge, ich stellte meinen Rucksack vor das Schränkchen und öffnete meinen Schlafsack, damit er lüften konnte. Wir räumten dann an Deck unseren Frühstückstisch auf und spülten die Sachen, um sie hinterher zu verstauen, es gab neben der Treppe, die nach unten führte, eine winzige Kochecke, dort waren auch kleine Schränke für das Geschirr angebracht. Wir machten die Leinen los und legten ab.

      Der Diesel tuckerte vernehmbar vor sich hin, störte aber nicht. Lan stand am Steuer und hielt das Boot auf Kurs. Wir machten flussabwärts ungefähr acht Knoten, das entsprach fünfzehn Stundenkilometer, was eine ordentliche Geschwindigkeit war. Wenn wir fünf Stunden täglich unterwegs wären, schafften wir fünfundsiebzig Kilometer am Tag, mit Abwechslung am Ruder verstand sich. Der Fluss verengte sich plötzlich und wir durchfuhren eine Gebirgsquerung, bis wir nach zwei Stunden nach Nirwan kamen, das in einem fruchtbaren Tal lag, was dem Auge nach der engen und teilweise reißenden Flussfahrt guttat. Bei Xixia Kou passierten wir anschließend problemlos eine Schleuse und gelangten bei Beiwundang an eine sehr große Flussinsel. Wir fuhren gemütlich an dem Ort vorbei und erreichten am Nachmittag Liangzhuang, der Ort lag in einer grünen Ackerbauebene, wir legten an und machten fest.

      Das wäre unser Liegeplatz für diesen Tag, ich lief mit Lo in den Ort und kaufte ein, nachdem wir uns einen Zettel mit den Dingen, die wir brauchten, geschrieben hatten. Ich hatte meinen Rucksack in mein Schränkchen geleert und nahm ihn als Tragehilfe zum Einkaufen mit.

      Der Ort lag vielleicht dreihundert Meter vom Ufer entfernt, ich dachte, dass es ab und zu einmal Hochwasser gäbe. Neben dem Ort floss ein kleiner Fluss und mündete an der Stelle, wo wir mit unserem Boot lagen, in den Huang He. Wir fanden im Ort einen Supermarkt im Zentrum, der geöffnet war und packten alles, was wir aufgeschrieben hatten, in einen Einkaufskorb, ich nahm auch viel Bier und eine Flasche Reisschnaps mit. Dann zahlten wir und luden unseren Einkauf in meinen Rucksack, der mit einem Mal ein Gewicht bekam, wie ich es bei ihm noch nie erlebt hatte. Ich balancierte den Rucksack zum Boot, Lo lief nebenher, immer aufpassend, dass ich mit der ganzen Fuhre nicht umkippte, aber was hätte sie schon ausrichten können, wenn ich gefallen wäre, sie war von so zarter Gestalt, dass sie wohl kaum die Kraft gehabt hätte, mich aufzufangen. Ich stellte meinen Rucksack auf das Deck und achtete darauf, dass das vorsichtig geschah, damit die Bierflaschen nicht kaputtgingen. Dann liefen Lo und ich noch einmal los und gingen zur Dorftankstelle, sie sollten uns einen LKW mit zweihundert Litern Diesel und dreihundert Litern Frischwasser bringen. Ich lief völlig befreit von der Last des Rucksacks durch das Dorf, wir schauten uns um, es wirkte alles ein wenig trostlos und verlassen, einige Kinder spielten auf der Straße, Autos gab es so gut wie keine, am Fluss stand ein einsamer Angler. Ich wusste nicht, ob es ratsam war, Fisch aus dem Gelben Fluss zu essen, ich konnte mir vorstellen, dass der Fisch mit Schwermetallen und anderen giftigen Chemikalien belastet wäre, ich würde keinen solchen Fisch essen. Dann kam der Lastwagen mit zwei Tanks auf der Ladefläche, für Diesel und für Wasser. Er fuhr längsseits und begann, den Diesel in den Bootstank zu pumpen. anschließend füllte er unseren Wassertank auf, wir waren wieder versorgt. Wir machten ein Bier auf und studierten die Karte, wir wollten am nächsten Tag einmal achtzig Kilometer fahren, was bedeutet hätte, dass wir bis Xiagun gelangen müssten, wir nahmen uns die Etappe vor. Ich fing an, meinen leckeren Lammgulasch zuzubereiten, wir hatten alles Nötige eingekauft, vor allem Gewürze. Ich rührte für den Salat eine Vinigrette an aus Essig, Öl, Salz Pfeffer, Zwiebeln und ließ sie etwas ziehen. Dann schnitt ich das Fleisch in mundgerechte Stücke und benutzte dazu mein Messer, was sofort Lans Aufmerksamkeit erregte. Ich erzählte ihm die Geschichte von Yussuf, dem Messerschmied aus Istanbul, wie er mit mir im Großen Basar Messerstahl kaufen ging, und wie er mir dann das Messer schmiedete, das höchste Handwerkskunst war. Ich sollte bloß auf mein Messer aufpassen, solche Dinge würden schnell gestohlen, und aus meiner Rucksackseitentasche könnte man mein Messer sogar stehlen, ohne dass ich das merkte. Ich begab mich in die Kochecke und stellte die Gasflamme an, setzte einen Topf auf die Flamme und schüttete einen Schuss Öl hinein. Dann gab ich das Fleisch in den Topf und ließ es von allen Seiten gut anbraten, bis ich die Zwiebeln und den Knoblauch hinzugab, auch salzte und pfefferte ich. Dann gab ich etwas Wasser hinzu und streute ein wenig Instantbrühe hinein, ich stellte die Flamme klein. Das Fleisch schmurgelte so eineinhalb Stunden. Ich wusch den Salat, trocknete und zerkleinerte ihn. Es gab an Bord alles nur in kleinen Größen, so fand ich eine Salatschüssel im Miniformat. Messer gab es keine, wir mussten mit Löffeln und Gabeln essen. Ich kochte den Reis und als der Gulasch fertig war, setzten wir uns an den Tisch und aßen in aller Ruhe.

      Die Luft war nach Lanzhou wieder sehr gut geworden und es herrschte eine so wohltuende Stille, dass man sie in sich aufsog. Wir konnten am frühen Abend Wildgänse auf dem Huang He beobachten, sie trieben eine Zeit lang über dem Wasser, um sich dann wieder in die Luft zu erheben und in ihrer traditionellen Keilform weiter zu fliegen. Unsere Stimmung war sehr gut, wir freuten uns, zusammen auf dem Fluss fahren zu können, Lan sagte, so einer wie ich hätte noch an Bord gefehlt, und ich fühlte mich geehrt. Ich schüttete jedem einen Schnaps ein und wir prosteten uns zu, Lo schüttelte sich, sie war so harte Sachen nicht gewohnt.

      Was denn so in Shanghai los wäre, wollte ich wissen, und Lo begann zu erzählen, wie sich die Touristen am „Oriental Tower“ die Klinke in die Hand gäben, sie wurde von Mayleen und Lan unterstützt, das Vorzeigestück von Shanghai wäre „The Bund“, eine Vergnügunsmeile am Huang Po, dort würde es von Touristen nur so wimmeln und in der Nanjing Road, der Haupteinkaufsstraße, käme man sich vor wie auf dem Rummelplatz, Lo meinte, dass es auf dem Times Square in New York wahrscheinlich ähnlich aussähe.

      Sie fühlten sich alle drei aber in Shanghai sehr wohl, es gäbe auf dem Campus inzwischen eine Menge ausländischer Studenten, vor allem aus Europa, zu denen sie guten Kontakt hätten. Wenn ich in fünfeinhalb Wochen in Shanghai wäre, sollte ich mir alles einmal genau ansehen, sie wären dann leider noch unterwegs, sonst hätten sie mir die Stadt zeigen können. Aber wir wollten zunächst einmal den Huang He hinunter fahren und uns an der Schönheit des Flusses und der Landschaft erfreuen.

      Wir nahmen alle ein Bier und tranken

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