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Die Geschichte klang unwirklich, Tatsache aber war, dass es fünf Quellen gab, die die Einheimischen über Jahrhunderte hinweg mit frischem Wasser versorgt hatten. Seit 1955 war die Gegend ein offizieller Park. Der mittlere Gipfel im Park, die höchste Erhebung, war tausendsechshundert Meter hoch, die Ganlu-, Juyue- und Mozi-Quelle lagen verstreut auf diesem Mittelgipfel. Die Meng- und die Hui-Quell lagen auf jeweils einer Seite.

      Die fünf Quellen waren nicht nur ein touristischer Anziehungspunkt, der Park war auch ein wichtiger religiöser Ort, der „Wenchang“-Tempel, der Schmetterlingstempel, der „Goldener-Buddha-Tempel“, die „Mahavira“-Halle, der „Wanyuan“-Pavillon und der „Tausend-Buddha“-Tempel waren entlang einer Passage auf dem „Five-Spring-Mountain“ angeordnet. Gänge und Steinstufen, die dem Ganzen ein künstlerisches Aussehen gaben, verbanden die Tempel. Man konnte in dem Park vieles über den Buddhismus lernen. Der Eintritt in den Park betrug fünf Yuan, was ungefähr fünfzig Euro-Cent entsprach und für unsereinen wenig, für einen Durchschnittschinesen aber vielleicht beträchtlich war.

      Wenn man unterhalb des tibetanischen buddhistischen Tempels stand und die gewaltige Anlage sah, bot sich einem ein faszinierendes Bild, die Anlage war komplett restauriert und in ausgezeichnetem Zustand. Ich setzte mich in ein Besucherlokal und bestellte Tee und eine Kleinigkeit zu essen, wir hatten frühen Nachmittag und ich wollte später noch das Gansu-Museum besuchen. Im „Five-Springs“-Park war nicht viel los, es war ja Werktag und die meisten Menschen mussten arbeiten. Ich ging wieder zum Bahnhof und nahm den Bus in Richtung Hotel, er fuhr die Xijin East Road entlang, und ich stieg am Gansu Museum aus. Das Museum war das größte zusammenhängende Museum der Provinz und ein Besuch war angeblich lohnenswert, so sagte mir jedenfalls der Hotelportier.

      Das Museum hatte zwei Abteilungen, eine enthielt natürliche Funde, eine zweite historische Artefakte.

      Es enthielt Sammlungen verschiedener Töpferarbeiten aus dem Neolithikum und Schätze aus alten Höhlen. Darüber hinaus fanden sich im Museum kostbares Leinen und Seidenarbeiten, Bücher, hölzerne und bronzene Gefäße, viele Bambustafeln mit Schriften aus der Han-Dynastie, Fresken und viele andere Ausstellungsstücke. Ein vier Meter hohes Mammutskelett, eine Nachbildung war ausgestellt, das aus dem Gelben Fluss ausgegraben worden war (1973). Neben der frühgeschichtlichen Ausstellung waren seltene Tiere zu sehen wie Pandas, Goldaffen und rot gekrönte Kraniche.

      Das Museum enthielt sicher in Teilen hoch interessante Ausstellungsstücke, ich hatte aber auch schon in Deutschland Museen zur Ur- und Frühgeschichte besucht, auch während meiner Schulzeit und fand solche Museen nie sonderlich unterhaltsam, aber das war eben Geschmackssache, als Schüler hatten wir uns über fossile Funde immer lustig gemacht. Ich fuhr wieder zum Fluss hoch und ging in den „Wasserrad-Garten“ in der Nanbinhe Middle Road. Der Garten enthielt zwei große Wasserräder, eine Spundwand, ein Erholungsterrain und eine Wassermühle. Lanzhou war die einzige Stadt, die der Gelbe Fluss durchfloss, es gab deshalb viele Bewässerungsanlagen. Man hatte von den Bewässerungssystemen in der Yunnan Provinz gelernt und ein Wasserrad erfunden, das an ein Karrenrad erinnerte und einen Durchmesser von zehn bis zwanzig Metern hatte. Die Radmitte war mit einer Achse auf Brettern aufgebracht, während der Außenrand des Rades mit vielen Schaufelplatten fixiert war. Diese Schaufeln konnten Wasser fünfzehn bis achtzehn Meter hoch befördern, um damit Felder zu bewässern. Bis 1952 standen zweihundertfünfzig Wasserräder an den Ufern des Flusses in Lanzhou und zu der Zeit wurde Lanzhou die „Stadt der Wasserräder“ genannt. In dem Garten standen zwei Wasserräder aufrecht am Südufer des Gelben Flusses. Sie waren den antiken Vorbildern nachempfunden, mit quadratischen Schaufeln und einem Durchmesser von sechzehn Metern. In Zeiten hohen Wassers trieb sie der Fluss, bei Niedrigwasser wurden sie in einer Abdämmung gespeist. Wegen der zwei Wasserräder und ihrer herausragenden Lage, genoss das Teehaus im Garten bei den Touristen großes Ansehen. Besucher konnten von dort bei einer Tasse Tee die sich drehenden Wasserräder beobachten. Im Garten konnten die Touristen Erfahrungen dabei sammeln, wie man den Fluss mit einem Schafshautfloß überquerte, was die urzeitliche Fähre im Nordwesten der Stadt war.

      Der Besuch in dem Wasserradgarten hatte sich gelohnt, ich hätte jedem einen Besuch des Gartens empfohlen, besonders natürlich, weil man direkt am Gelben Fluss saß, der mich faszinierte, obwohl sein Wasser wahrscheinlich verseucht war. Ich liebte in Deutschland auch den Rhein, dessen Wasser wieder ganz erträglich geworden war.

      Flüsse trugen immer ein Stück aus der Vergangenheit mit sich und das seit Jahrtausenden. Ihren Wassermassen waren die Menschen entweder hilflos ausgeliefert oder sie wussten sie für sich zu nutzen, wie bei den Wasserrädern. Der Wasserradgarten schloss um 18.00 h und ich war einer der letzten, der ihn verließ. Ich wollte wieder in die Innenstadt in mein Restaurant am Century Park, so lief ich den Fluss entlang und schaute immer auf das Wasser, der Fluss nahm mich gefangen. Vor der Zongshan-Brücke gab es Flussinseln, die das Wasser teilten, hinter der Brücke gab es Anleger, an denen Hausboote festgemacht hatten. Ich bog nach rechts in die Stadt ab, die Luft war unerträglich, am Mittag konnte man von den „Five-Spring-Mountains“ die gelbe Dunstglocke sehen, die sich über das Stadtgeschehen wölbte, ich könnte nicht in der Stadt leben und fragte mich, ob nicht alle Einwohner früher oder später schwere Erkrankungen davontrügen. In der Stadt herrschte dichter Autoverkehr, der zur Luftverschmutzung noch beitrug.

      Ich erreichte nach einem zwanzigminütigen Gang den Century Place mein Restaurant. Der Kellner vom Vorabend bediente mich und ging mit mir unverzüglich in die Küche, wo ich mir das Essen vom Vorabend noch einmal zusammenstellte. Wieder nahm ich vorab ein Bier. Ich hatte mir meine „China Daily“ vom Morgen mitgenommen und begann, in aller Ruhe Zeitung zu lesen, mich interessierte nicht wirklich, was in der Welt um mich herum geschah, ich registrierte aber die Schlagzeilen. Ein Farbiger war amerikanischer Präsident geworden, das war schon bemerkenswert, der erste farbige amerikanische Präsident! Dann kam mein Essen, wieder so lecker wie am Vorabend, ich bestellte noch ein Bier. Anschließend las ich noch ein wenig in meiner Zeitung. Ich zahlte und schlenderte durch die Innenstadt, es war kühl geworden, wir hatten mittlerweile Spätsommer! Ich kam an einer Kneipe vorbei und hörte laute Musik, „Beat it“ von Michael Jackson beschallte die Umgebung, ich trat ein und sah viele junge Leute, die sich im Takt bewegten, einige tanzten. Das Kneipeninnere war war von Rauch geschwängert, so als würde jeder Besucher zwei Zigaretten auf einmal rauchen, man sah keine fünf Meter weit. Ich lief an die Theke und bestellte mir schreiend ein Bier, das mir sofort gegeben wurde und das schön kalt war. Einige Herumstehende sahen mich an, nicht dass ich zu alt gewesen wäre für die junge Kneipe, ich sah nur anders aus als die anderen. Ich stellte mich an einen Stehtisch zu Leuten, die Cola tranken und lachten und trank mein Bier aus der Flasche. Ich stand direkt unter einer Lautsprecherbox, die so laut eingestellt war, dass es unmöglich war, sich zu unterhalten und „Beat it“ hatte ja Bässe, die einem das Blut in den Adern vibrieren ließen. Ich trank mein Bier aus und ging wieder hinaus, es herrschte eine wohltuende Stille, als sich die Kneipentür hinter mir schloss, jedenfalls empfand ich es so, in Wirklichkeit war auf der Straße aber auch Lärm, wenn auch bei weitem nicht so ein Getöse, wie in der Kneipe.

      Man sah einige Pärchen auf der Straße, Händchen haltend, nicht küssend, denn das war in der Öffentlichkeit verpönt. Ich kam noch an weiteren Lokalen mit lauter Musik vorbei, unterließ es aber, hineinzugehen, stattdessen lief ich weiter durch die Innenstadt, die hell erleuchtet war und sah mich um. Ich erreichte irgendwann den Bahnhof und stieg in den Bus zum Hotel, das ich gegen 22.00 h erreichte. Der Portier sah kurz hoch und fragte mich in gebrochenem Englisch, wie mir Lanzhou gefallen hätte und ich antwortete, leicht übertrieben, ausgezeichnet.

      Ich ging aufs Zimmer und las in meiner Zeitung. Hillary Clinton, die hoch favorisierte Kandidatin für das Amt des amerikanischen Präsidenten, war Barack Obama unterlegen, der es in einem beispiellosen Wahlkampf verstanden hatte, die Massen auf seine Seite zu ziehen. Hillary Clinton wurde dann seine Außenministerin, eine Demokratin, aber Obama schaffte es, auch Leute in sein Kabinett einzubinden, die nicht der Demokratischen Partei angehörten. Um 22.45 h löschte ich das Licht und schlief sofort ein, ich hatte aus der Musikkneipe immer noch ein Rauschen in den Ohren, das erst dann langsam abklang.

      Am nächsten Morgen stand ich um 8.30 h auf, duschte und ging in den Frühstücksraum, der einfach wirkte und in dem nur wenige Leute saßen. Er hatte in seiner Schlichtheit etwas von einer Milchbar, es

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