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wenig Essen für Gefangene ausreichte. Doch diese Verbrecher in Uniform gaben uns nichts dergleichen. Wahrscheinlich wollten sie für den Fall, dass eine Menschenrechtskommission Zutritt zu den Gefängnissen erlangte, nichts Beweisbares haben. Bei Beschwerden wegen des Essens wurde immer gesagt: „Ihr seid hier nicht im Urlaub“, oder „Macht, was verlangt wird, dann kriegt ihr mehr.“ Dreckspack, dachte ich mir oft, ihr gehört in diese Zellen rein. Leider konnte ich nicht alles sagen, was ich dachte, da ich sonst ein neues Strafverfahren riskiert hätte. Es hätte aber auch nichts genützt, denn die machten trotzdem, was sie wollten. Ich kann genauso stur sein wie diese Banditen, sagte ich mir immer wieder. Schlimm war bei der Sache, dass mich die harte Haftunterbringung psychisch und physisch schädigte. Hinzu kamen die Verhöre, die einen Menschen noch zusätzlich fertigmachten. Eines Tages wird die Gerechtigkeit kommen und dann werden die in der Hölle schmoren, dachten wir Häftlinge.

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      Bei allen Volkskammerwahlen, die bis 1975 stattfanden, hatte ich bei allen aufgestellten Kandidaten mit „Nein“ gestimmt. Man dachte immer, dass die Wahlen manipuliert werden würden, aber trotzdem stimmten in der DDR die meisten Bürger leider für diese Regierung. Und so wurde der Unrechtsstaat vom Volke mitgetragen. Angst war das Hauptproblem der Leute. Es gab nur die Kandidaten der SED, die gewählt werden konnten. Eine demokratische Partei gab es nicht.

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      Von einigen anderen Mitgefangenen erfuhr ich, dass man uns in Thale nur bis zu 6 Monate im Arrest behalten darf. Dann würde man in eine härtere Kategorie umgestuft und in ein schlimmeres Gefängnis gebracht. Na hallo, dachte ich mir, 6 Monate hier – wer soll das bloß aushalten!!! Ich konnte nachvollziehen, dass manch ein Gefangener Selbstmord begangen hatte.

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      Obwohl ich wusste, dass ich keine Briefe nach draußen an die Familie schreiben durfte und mir auch keine Post von Angehörigen ausgehändigt wurde, verlangte ich nun Schreibzeug. Man sagte mir jedoch, dass ich aufgrund der Strafmaßnahmen kein Recht dazu hätte. Aber mehr als immer wieder Arrest kann ich nicht bekommen, so dachte ich jedenfalls. Keiner von uns wusste damals, dass viele Staatsgegner durch die harten Maßnahmen der Stasi-Schergen umkamen.

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      In der Freistunde bei -15 Grad froren wir in unserer dünnen Arrestbekleidung. Wir verlangten jedoch nicht, in die Zelle zurückgelassen zu werden, da es die einzige Zeit war, die wir nicht allein verbringen mussten. „Menschenhasser!“, rief einer von uns dem Wärter zu. Wenn jetzt ein anderer von uns noch mitgemacht und dem Beamten Drohungen zugerufen hätte, wäre alles hochgekocht. Die Situation wäre aus dem Ruder gelaufen und wir wären wegen Gefangenenmeuterei verurteilt worden. Doch weil zu viel Haftstrafe auf uns zugekommen wäre, hielten wir uns zurück mit gemeinschaftlichen Demonstrationen!

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      Nach zwei Wochen, als der Arrest zu Ende war, stellten wir fest, dass über Nacht zwei von uns abgeholt worden waren. Wohin waren sie gekommen, überlegten wir. In ein anderes Gefängnis oder abgeschoben in den Westen? Wir erfuhren es leider nicht, aber hofften, dass sie beide hatten ausreisen dürfen.

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      Kurz darauf habe ich mir meine nächste Arreststrafe abgeholt. Ich hatte nun 21 Tage bekommen, die längstmögliche Arrestzeit. Diese SV-Angehörigen hatten das Gewaltmonopol und das ließen sie einen spüren. Wir drei Häftlinge in den Arrestzellen waren nun die meistgehassten Gefangenen im Lager.

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      Von draußen hörte man die Abteilungen der Gefangenen marschieren und kommunistische Lieder singen. Welch ein Hohn, dachte ich mir, für mich wäre das Arschkriecherei. Freiheitslieder singen, aber selbst unter solch einer Regierung gefangen sein – wo bleibt der Stolz dieser Leute? Dass alle so etwas machten wie wir, erwartete ich aber nicht. Marx und Engels haben mit Sicherheit nicht solch eine Diktatur wie die DDR gewollt. Der Westen wurde ständig in den Dreck gezogen, aber selbst konnte man den Sozialismus nur durch Bevormundung, Unterdrückung, Unrecht und mit Polizeigewalt aufrechterhalten. Wenn der Sozialismus mit dem Verbrechen auf einer Stufe steht, wie kann dann so stur daran festgehalten werden? Ich konnte nicht begreifen, dass diese Art von Sklavenhaltung das Ziel sein kann. Die Phrasen, die ich mir anhören musste, stanken zum Himmel. Dumme Leute waren gefährlich, das hatte ich oft genug zu spüren bekommen. Nun aber kam ich aber zu den Chefs allen Übels und musste zur „Befragung“ bei der Stasi.

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      „Strafgefangener Brand, wollen Sie weiter gegen uns rebellieren? Wollen Sie es darauf ankommen lassen, dass wir noch härter gegen Sie vorgehen? In Kürze werden Sie vor Gericht kommen, wenn Sie nicht das tun, was wir wollen. Sie haben keine Chance gegen uns, begreifen Sie das nicht?“

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      Da bekam ich es wieder mit der Angst zu tun. Zweifel und Wut stiegen in mir hoch.

      „Wenn es Gerechtigkeit geben würde, wäre ich nicht hier und Ihre Phrasen können Sie sich sparen.“

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      Daraufhin flog ich erst mal gegen die Wand und hatte Schwein, dass ich nicht noch mehr attackiert wurde.

      „Noch können Sie ein anständiger Mensch werden, Brand. Nehmen Sie den Ausreiseantrag zurück und geben Sie die Arbeitsverweigerung auf, dann ist es noch nicht zu spät.“

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      „Sofort, wenn Sie mir dafür meine Menschenrechte garantieren“, sagte ich zu dem Banditen. Der nahm mich am Kragen und drückte mich an die Wand.

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      „Sie können gar nichts fordern, denn Sie sind nur ein Straftäter, der richtig erzogen werden muss.“

      „Ich bin ein Mensch und Bürger dieses Landes und ich will frei sein“, antwortete ich.

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      „Wir sind das Gesetz, und wenn Sie nicht spuren,dann wird es Ihnen noch dreckiger gehen als jetzt.“

      „Schlimmer geht's nicht mehr!“, sagte ich. Die dann folgenden Beleidigungen versuchte ich nicht im Gedächtnis zu speichern, weil so viel Müll es nicht wert war, darüber nachzudenken.

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      „Wer hier Opfer und wer Täter ist, sieht man“, äußerte ich. Die wussten nun, das sie mit dem Brand einen harten Brocken hatten, der sich durch ihre Drohungen nicht ins Hemd machte. Nach einer Stunde Verhör kam ich zurück auf meine Zelle. Ich verlangte nun, einen höheren Beamten zu sprechen. „Ich brauche Schreibzeug für eine Haftbeschwerde“, sagte ich zu dem Wärter. Er jedoch ignorierte mich. Da sagte ich zu ihm: „Wenn ich bis morgen nicht schreiben darf, gehe ich erneut in den Hungerstreik.“ Das half, denn sonst hätte er die Schuld bekommen, falls höhere Offiziere sich nach dem Hungerstreik erkundigten. In meiner Haftbeschwerde prangerte ich die unrechtmäßigen Strafen an und schrieb auch, dass Amnesty International die psychische Folter bestätigt und die DDR aufgefordert hatte, fair mit Gefangenen umzugehen. Anschließend gab ich das Schreiben für den Haftrichter ab. Versprochen habe ich mir nicht viel davon, aber ich dachte mir: Viele Tropfen füllen das Fass.

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      Wir drei Arrestanten wollten uns beschweren und in den Hungerstreik treten. Aber wir riskierten es nicht, weil wir Angst hatten, mehrere Jahre zusätzlich wegen „Meuterei“ zu bekommen. Das durfte immer nur einer machen, damit die nicht behaupten konnten, einer von uns hätte die anderen Gefangenen angestiftet oder aufgewiegelt.

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      Plötzlich bekamen wir einen neuen Arrestant hinzu. Er kam aus Leipzig

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