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Druck und Verlag: epubli GmbH Berlin

      Rückblick

      Ich bin in der DDR geboren und aufgewachsen. Im September 1975 stellte ich einen Antrag auf Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland. Als er nicht gewährt wurde und man mir auf dem Amt sagte, dass letztlich nur meine Arbeitskraft zählte, beschloss ich, aus Protest die Arbeit niederzulegen. Wenige Monate später, im Januar 1976, wurde ich inhaftiert. Man warf mir asoziales Verhalten vor und bestrafte mich mit 20 Monaten Zuchthaus, die ich in Torgau absaß. Ich verweigerte auch im Gefängnis die Arbeit und musste daher viele Tage in Einzelhaft verbringen. Ein Jahr nach meiner Entlassung wurde ich 1978 erneut inhaftiert und kam ins Häftlingslager Thale.

      Immer noch im Häftlingslager von Thale

      Ich dachte: „Wenn ich die ganze Strafe absitze, habe ich seit 1976 mehr als 1.400 Tage in DDR-Zuchthäusern verbracht. Eine als Demokratie getarnte Sklavenhaltung, was in diesem Land abgeht!“ Meine Arrestnachbarn wussten mehr darüber, wie das mit der Abschiebung und dem Gefangenenaustausch ablief. Aber auch nur vom Erzählen. Doch mein Interesse war geweckt und ich wollte alles erfahren, was sie schon gehört hatten. Andere Gefangene, die während ihres Gefangenentransports Zwischenstopp in Thale gemacht hatten, hatten ihnen davon erzählt. Daher wussten sie mehr als ich. Auf jeden Fall motivierten ihre Erzählungen mich, weiterhin den Kopf nicht hängen zu lassen.

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      Norbert, der mir aus Magdeburg als guter Kumpel bekannt war, war hier in Thale beim Kommando Stanzerei als Brigadier tätig. 50 Gefangenen hatte er als vorgesetzter Häftling Anweisungen zu geben. Durch den Posten im Knast bekam er Vorteile und Vergünstigungen und spekulierte darauf, früher wieder rauszukommen. Mir war das nicht verständlich, denn ich wusste, draußen würde er wieder austicken und jemanden verprügeln. Dann käme er sicher immer wieder hierher und bekäme seinen Posten wieder. Bei mir dachte ich: Solche Gefangene braucht der Knast, denn hier drin kann man sich auf sie verlassen. Der sollte lieber mal eine Alkoholentziehungskur draußen machen, dann säße der nicht immer wieder hier.

      Titel

      Ich hatte Norbert angesprochen, ob er mir was zum Rauchen besorgen könnte, aber er wollte seine Stellung nicht verlieren, falls er erwischt werden würde! Es gab unter den Wärtern und auch unter den Gefangenen hirnlose und auch niveaulose Typen. Manche Gefangene, die an unserem „Tigerkäfig“, wo wir Häftlinge in den Arrestzellen unsere Freistunde verbrachten, vorbei mussten, sagten Dinge wie: „Was soll das bringen?“, „Das schafft ihr nicht, durchzuhalten!“, oder „Wir tun unsere Pflicht und ihr verweigert alles, also seid ihr zurecht da drin im Arrest.“

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      Es gab aber auch ein paar andere, die sagten: „Alle Achtung, ihr habt was drauf“, „Hoffe, dass es hinhaut“, „Nicht unterkriegen lassen, wir wünschen euch viel Glück“ und „Zeigt es denen!“ So etwas Positives baute einen natürlich auf.

      Titel

      Von den Strafvollzugsangehörigen konnte man nichts Motivierendes erwarten. Einer der Wärter wurde „Giftzwerg“ genannt, weil er schnell schlechte Laune hatte und dann mit dem Gummiknüppel zuschlug. Als Häftling durfte man natürlich nicht zurückschlagen, sonst hätte es wegen „Widerstand gegen die Staatsgewalt“ Nachschlag gegeben, also eine monate- oder jahrelange Zusatzhaftstrafe. Und das war ihr Trumpf, weshalb sie sich so viel herausnahmen.

      Titel

      Nach der Woche strengen Einzelarrests musste ich wieder bei dem Strafvollzugsabteilungsleiter antanzen. Wieder ging er mir auf die Nerven. Diese Leute wollten einfach nicht kapieren, dass es auch Leute gab, die sich – egal was auch für miese Strafen kommen würden – nicht der Staatsmacht beugten.

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      „Wir werden ein neues Ermittlungsverfahren vor Gericht beantragen“, meinte der Bonze zu mir. Aber ich wusste mit Sicherheit, dass noch kein Gesetz erlassen worden war, wonach bei Verweigerungen im Zuchthaus Freiheitsstrafen erfolgen konnten. Daher sagte ich zu ihm: „Zeigen Sie mir das schriftlich und ich nehme sofort die Arbeit auf.“ Weil er mir daraufhin nichts vorlegte, sagte ich, dass ich weiterhin jegliche Anordnungen oder Vorschriften ablehnte.

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      „Brand“, sagte er dann zu mir, „glauben Sie wirklich, dass Sie, wenn Sie in den Westen kommen würden, eine Arbeit kriegen und womöglich gleich zweitausend Mark verdienen?“

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      „Ja, sogar mehr“, erwiderte ich. „Aber selbst wenn nicht, dann bin ich frei und solche Leute wie Sie werde ich da zum Glück nicht treffen.“

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      Bald darauf war unser nettes Gespräch zu Ende und ich erfuhr, dass ich nun 14 Tage Arrest hatte. Am liebsten hätte ich ihm gesagt, dass er ein Perversling sei und Freude daran hatte, andere zu quälen. Doch musste ich etwas auf die Wortwahl achten, weil ich spätestens 1981 entlassen werden wollte. In einem freien Land hätte man wegen Beamtenbeleidigung wahrscheinlich einige Hundert Mark Geldstrafe bekommen, aber in der DDR bekam man dafür eine monate- oder sogar jahrelange Gefängnisstrafe aufgebrummt, weil eine Beleidigung als „Staatsverleumdung“ oder sogar als „staatsfeindliche Hetze“ ausgelegt werden konnte.

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      Zu Essen gab es täglich 250 Gramm Brot. Ohne Belag. Nur jeden dritten Tag bekamen wir Mittagessen, aber ohne Fleisch. Die Zellenwände waren kahl und dunkel. Ich konnte in diesem Raum gerade einmal 3 m zur Tür gehen und mich dann bereits umdrehen, um wieder 3 m Richtung Fenster zu laufen. Die Zwangsarbeit, Hungerrationen und brutalen Strafen und Verhöre verstießen eindeutig gegen die Schlussakte von Helsinki (eine Absichtserklärung der Europäischen Sicherheitskonferenz, in der u. a. die Wahrung der Menschenrechte eingeschlossen war), die auch die DDR unterschrieben hatte. Aber was scherte es so einen Staat wie die DDR, der Leute öffentlich an der Mauer erschießen und hinter verschlossenen Türen von der Stasi töten ließ.

      Titel

      Täglich mussten wir unsere Scheißkübel draußen in der Nähe der Zelle in ein Loch im Boden leeren. Normalerweise hätte ich auch das verweigert, aber dass andere Gefangene das dann für mich tun mussten, wollte ich natürlich nicht. Trotz dieser Regelung stank es bestialisch in der Zelle, obwohl ein Deckel den Kübel abdeckte. Natürlich gab es auch normale Toiletten, doch wir sollten bewusst nicht in den Genuss kommen, diese zu benutzen.

      Titel

      Um mich abzusichern, fragte ich bei den Arrestnachbarn nach, ob etwas dran sei an einem zusätzlichen Strafverfahren. Aber sie sagten zu mir: „Keine Angst, dir kann nichts passieren.“ Doch es ging das Gerücht um, dass bald ein Strafvollzugsänderungsgesetz in Kraft treten würde, durch das Verweigerer mit zusätzlichen Haftstrafen belegt werden konnten. Eigentlich nicht nachvollziehbar, dass die so etwas durchsetzen konnten. Aber zuzutrauen war es denen irgendwie doch. Für die waren wir nur wie Dreck unter den Fingernägeln!

      Titel

      Wie lange es dauerte, von der DDR so ernst genommen zu werden, dass sie auf einen verzichtete, wusste keiner von uns. Es gab keine Regel, wer wann drankam zur Ausreise. Zumindest erfuhren wir nichts Näheres. Weil es in Thale aber insgesamt nur 8 Arrestzellen gab, versuchte man wiederholt, uns umzustimmen.

      Titel

      Da wir in der sogenannten „Freistunde“ zusammen im Kreis liefen und man sich etwas unterhalten konnte, merkte ich, dass man mir noch immer misstraute. Ich war neu und im DDR-Gefängnis die Arbeit zu verweigern bedeutete, dass man die härtesten Strafen bekam. Das machten halt sehr wenige bzw. die wenigsten hielten das aus.

      Titel

      Leider

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