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doch hier, dieser Immels, eben eingetroffen.«

      Der Kartellboss fühlte sich auf einmal unendlich müde. Zehn Minuten mit Rocky zu verbringen war mindestens so anstrengend wie zwei Stunden lang als einziger Hirtenhund eine große Schafherde zusammen zu halten. Seine geistigen Lämmer wollten nicht zusammenbleiben, strebten ständig auseinander.

      »Und warum lässt du ihn dann nicht herein, Rocky?«

      Die Stimme von Carrillo klang sanft, fast säuselnd und drückte Geduld und Freundlichkeit aus. Gleichzeitig blitzten die Augen des Bosses jedoch gefährlich böse auf, was diesmal sogar vom Muskelmann bemerkt wurde. Mit einem, »entschuldige«, zog er rasch seinen Kopf aus dem Türspalt.

      Jeffrey Immels kam ein paar Sekunden später gutgelaunt wie immer und mit seinem grässlichen, breiten Südstaatenlächeln herein und drückte gleich die Tür hinter sich ins Schloss. Noch auf dem Weg zum Pult öffnete er die mitgebrachte Ledermappe und zog einen Stapel mit Blättern hervor, die er vor Carrillo hinlegte.

      »Hier, bitte sehr, Vicente, wie von Ihnen bestellt.«

      Der Kartellboss blickte kalt auf seinen Verbindungsmann zur CIA.

      »Und warum hat es so lange gedauert? Hattet ihr so viele von euren eigenen Leuten zu streichen?«

      Immels überhörte den gefährlich gereizten Unterton in der Stimme von Carrillo keineswegs. Etwas Kaltes und Feuchtes schien plötzlich seinen Rücken hinunterzukriechen. Immels räusperte sich.

      »Nein, das nicht. Doch wir haben die Liste selbst erst einmal etwas genauer unter die Lupe genommen. Wenn Sie mir nur ein paar zusätzliche Hinweise zu den Tätern machen könnten, würden wir Sie gerne bei der Suche nach ihnen unterstützen.«

      Der letzte Satz kam fast treuherzig über die Lippen des sonst knallharten Agenten. Carrillo lächelte ihn dünn an.

      »Solange ich nicht weiß, wer tatsächlich hinter dem Überfall steckt, traue ich nicht einmal meinen eigenen Leuten über den Weg, geschweige denn Ihrer Agency.«

      Nach diesen kalt gesprochenen Worten kam sich Jeffrey Immels recht überflüssig vor, da sich der Kartellboss über die Papiere gebeugt hatte und zu lesen begann. Den CIA-Beamten überkam das unbestimmte Gefühl, es wäre seiner Gesundheit zuträglicher, möglichst rasch zu gehen. Er wartete deshalb mit zunehmender Ungeduld auf seine Entlassung.

      »Also gut, Vicente. Melden Sie sich bitte, wenn ich noch etwas für Sie tun kann.«

      Carrillo hatte sich in seinem Bürostuhl zurückgelehnt und betrachtete sein Gegenüber schweigend und abschätzend. Leicht wippte die Lehne hin und zurück, verriet damit die innere Anspannung des Kartellbosses. Immels drehte sich wortlos auf seinen Absätzen um und verließ das Büro beinahe fluchtartig und ohne einen Abschiedsgruß. Nie zuvor in seinem recht bewegten Leben hatte er je den eisigen Hauch des Todes so deutlich und so nahe verspürt.

      *

      Für sein erstes Zusammentreffen mit Martin Woods hatte sich Henry die Food Hall von Harrods, genauer gesagt die Abteilung für Früchte und Gemüse ausgesucht. Woods war zwar vom Ort anfänglich etwas irritiert gewesen, fühlte sich zwischen den vielen ausländischen Touristen und den wenigen Londonern auch sichtlich unwohl. Doch nach zwei, drei Minuten wurde ihm bewusst, wie klug der Ort im Grunde genommen ausgesucht war. Das Stimmengewirr in mehreren Sprachen verursachte einen hohen Lärmpegel, der von den Kacheln zurückgeworfen und noch verstärkt wurde, so dass man zeitweise kaum sein eigenes Wort verstand. In diesem Raum musste wohl jedes Richtmikrophon kläglich scheitern. Zudem waren die vier Eingänge zur Halle einfach zu überblicken.

      »Vielen Dank, dass Sie Zeit für mich gefunden haben.«

      Woods hatte sich eben noch einen kunstvoll geschichteten Haufen wunderschöner, gewachster und polierter Äpfel angesehen. Henry Huxley hatte sich mit seinem Einkaufskorb daneben gestellt und besah sich ebenfalls die Ware, wirkte unentschlossen und kritisch.

      »Was möchten Sie von mir wissen?«

      Das ganze Treffen kam dem ehemaligen Geldwäscherei-Experte der Wachovia Bank unwirklich vor. Ihn beschlich plötzlich die Vorstellung, es könnte sich um einen üblen Scherz oder gar um Versteckte Kamera handeln. Man vereinbarte mit einem Prominenten fünfter Klasse eine seltsame Zusammenkunft, brachte ihn in eine unmögliche Situation und führte ihn so den Zuschauern vor. Unwillkürlich suchte er die Gestelle nach verborgenen Linsen ab.

      Henry hatte erst das Minenspiel und den anschließenden Rundblick von Woods bemerkt und lächelte dünn.

      »Keine Sorge, Mr. Woods. Ich bin echt und ich habe auch einige Fragen an Sie.«

      »Aber warum dieser Ort? Ich komm mir vor wie in einem schlechten Agententhriller.«

      »Zu Ihrer eigenen Sicherheit, Mr. Woods. Es ist besser, wenn man Sie nicht mit mir in Verbindung bringen kann.«

      Woods blickte Huxley zweifelnd an, überlegte sich ernsthaft, ob er diesen seltsamen Menschen neben sich nicht besser stehen ließ und nach Hause ging. Doch Henrys nächste Worte hielten ihn auf jeden Fall auf.

      »Sie waren bei der Wachovia für Geldwäscherei etwa drei Jahre lang tätig, haben danach ihre Anstellung gekündigt. Können Sie mir sagen, warum?«

      Woods blickte etwas verärgert auf Huxley, der seinen Blick in der Halle umherschweifen ließ, so als suchte er ein bestimmtes Gemüse oder eine Fruchtsorte.

      »Die Gründe gehen Sie nichts an«, bemerkte der ehemalige Supervisor kurz angebunden.

      »Sie waren doch auch für Scotland Yard tätig? Zumindest dort waren Sie bestimmt ein stets ehrlicher und loyaler Beamter, wie man mir erzählt hat.«

      Woods Gesicht drückte Unwillen und Misstrauen aus.

      »Hören Sie. Wer sind Sie eigentlich, dass Sie glauben, über mich Bescheid zu wissen und mich beleidigen zu können?«

      Henry hob beschwichtigend seine rechte Hand.

      »Mir wurden Unterlagen zugespielt. Sie betreffen verschiedene Geschäftskonten bei der Wachovia in den USA und Mexiko«, begann er seine Erklärung, »und diese Dokumente zeigen einen solch ungeheuren Fall von Geldwäscherei auf, dass es unmöglich erscheint, Sie und Ihre Mitarbeitenden bei der Wachovia hätten ihn übersehen können.«

      Der ehemalige Beauftragte gegen Geldwäscherei nagte verunsichert auf seiner Unterlippe.

      »Papier ist geduldig«, versuchte er dann doch abzuwimmeln, was Henry sogleich quittierte.

      »Sagt Ihnen der Name einer Kette von Wechselstuben etwas? Casa de Cambio Puebla? Oder die Firma Fun Stuff Enterprise in Miami? Oder wissen Sie vielleicht sogar etwas über den Kauf einer DC-9 von der Delta Airline über ein Konto der ehemaligen Wachovia Bank?«

      Das Gesicht von Woods lief weiß an und er schluckte trocken: »Sie scheinen über einige Informationen zu verfügen, wie mir scheint. Doch damit können Sie mich nicht erpressen.«

      Henry winkte ab.

      »Mir geht es nur um eines: Haben Sie Ihren Job gekündigt, weil man Sie im Management beim Kampf gegen die Geldwäscherei nicht unterstützt hat? Oder lagen andere Gründe vor.«

      Woods kämpfte nicht lange mit sich. Sein Gewissen verlangte schon seit langer Zeit von ihm, Informationen über all die illegalen Tätigkeiten seines früheren Arbeitgebers öffentlich zu machen. Auch wenn ihm seine Austrittsvereinbarung dies ausdrücklich verbot und er mit harten Zivilklagen rechnen musste.

      »Ja, ich war dort bloß das Feigenblatt für die Finanzmarktaufsicht. Die ersten beiden Jahre dachte ich noch, ich könnte wirklich etwas bewegen, kam mir wie Herkules vor, der einen riesigen Stall auszumisten hat. Doch als auch äußerst stichhaltige Beweise für Geldwäscherei-Geschäfte vom obersten Management in Charlotte einfach vom Tisch gewischt wurden und man mir einen Maulkorb verordnete, musste ich aufgeben. Diese Bank war in ihrem innersten Kern durch und durch unmoralisch und verdorben. Und ich empfinde es als großes Glück und als Gerechtigkeit, dass sie im Strudel der Finanzkrise unterging und in neue Hände

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