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fragte ich ihn über ihre Schulter hinweg.

      Er klopfte mich auf den Kopf, aber ich konnte ihn und seine tiefe Stimme nicht leiden und war eifersüchtig, daß seine Hand die meiner Mutter berührte, und ich stieß ihn weg, so gut ich konnte.

      »Aber Davy,« ermahnte mich meine Mutter.

      »Der liebe Junge,« sagte der Herr. »Ich kann mich über seine Liebe nicht wundern.«

      Noch nie hatte ich meiner Mutter Gesicht so schön rot gesehen. Sie schalt mich milde aus wegen meiner Unhöflichkeit und sprach, indem sie mich fest an sich drückte, ihren Dank dem Herrn aus, der so freundlich gewesen, sie nach Hause zu begleiten. Sie reichte ihm ihre Hand hin bei diesen Worten, und als er sie nahm, kam es mir vor, als ob sie mich anblickte.

      »Jetzt wollen wir uns gute Nacht wünschen, mein hübscher Junge,« sagte der Herr zu mir, als er sein Gesicht, wie ich wohl bemerkte, auf meiner Mutter kleinen Handschuh neigte.

      »Gute Nacht,« sagte ich.

      »Wir müssen noch die besten Freunde von der Welt werden,« lachte der Herr, »gib mir die Hand.«

      Meine rechte Hand lag in meiner Mutter Linken und so gab ich ihm die andere.

      »Aber das ist ja die falsche, Davy,« sagte er wieder lachend.

      Meine Mutter zog meine rechte Hand hervor, aber ich war entschlossen, sie ihm nicht zu geben und tat es auch nicht. So reichte ich ihm die andere und er schüttelte sie und sagte, ich sei ein braver Junge, und ging fort.

      Und noch jetzt seh ich ihn, wie er sich im Garten umdrehte und uns einen letzten Blick aus seinen unangenehmen, schwarzen Augen zuwarf, ehe er das Tor schloß.

      Peggotty, die kein Wort gesprochen und keinen Finger gerührt hatte, schob sofort die Riegel vor, und wir gingen alle in das Wohnzimmer. Anstatt sich wie gewöhnlich in den Lehnstuhl neben dem Kamin zu setzen, blieb meine Mutter am andern Ende des Zimmers und sang vor sich hin.

      »– hoffe, Sie haben einen angenehmen Abend verlebt, Ma'am,« sagte Peggotty, die mit einem Leuchter in der Hand steif wie eine Tonne mitten im Zimmer stand.

      »Danke schön, Peggotty,« erwiderte meine Mutter sehr aufgeräumt. »Ich habe einen sehr angenehmen Abend verbracht.«

      »Eine neue Bekanntschaft ist immer eine angenehme Abwechslung,« bemerkte Peggotty.

      »Eine sehr angenehme Abwechslung,« erwiderte meine Mutter.

      Peggotty blieb regungslos in der Mitte des Zimmers stehen, meine Mutter fing wieder zu singen an, und ich schlief ein, wenn auch nicht so fest, daß ich nicht noch hätte Stimmen hören können, ohne aber zu verstehen, was sie sagten. Als ich aus diesem unbehaglichen Schlummer halb erwachte, sah ich, daß meine Mutter und Peggotty beide weinten und in großer Aufregung miteinander sprachen.

      »So einer wie dieser hätte Mr. Copperfield nicht gefallen,« sagte Peggotty. »Das ist meine Meinung und die beschwör ich.«

      »Gott im Himmel!« rief meine Mutter. »Du wirst mich noch wahnsinnig machen. Wurde jemals ein armes Mädchen von seinen Dienstboten so mißhandelt. Warum füge ich mir das Unrecht zu und nenne mich ein Mädchen? War ich vielleicht niemals verheiratet, Peggotty?«

      »Gott weiß, daß Sie es waren, Ma'am,« erwiderte Peggotty.

      »Wie kannst du es dann wagen,« sagte meine Mutter, – »du weißt, ich meine nicht, wie du es wagen kannst, Peggotty, sondern wie du es übers Herz bringen kannst, – mich so zu verstimmen und mir so böse Worte zu sagen, wo du doch recht gut weißt, daß ich außer dem Hause nicht einen einzigen guten Freund habe.«

      »Um so mehr Grund für mich, Ihnen zu sagen, daß es nicht geht,« entgegnete Peggotty. »Nein, es geht nicht, nein, um keinen Preis. Nein!« Ich dachte schon, Peggotty würde den Leuchter wegwerfen, so energisch schwang sie ihn.

      »Wie kannst du es nur so aufbauschen,« sagte meine Mutter und fing von neuem an zu weinen, »und so ungerecht sein. Du tust so, als wenn alles schon abgemacht wäre, Peggotty, und ich sage dir doch immer und immer wieder, du grausames Ding, daß außer den gewöhnlichsten Höflichkeiten nichts vorgefallen ist. Du sprichst von Bewunderung. Was kann ich dafür, wenn die Leute so albern sind, solchen Gefühlen nachzugeben, ist das meine Schuld? Was soll ich denn tun, frage ich dich? Willst du vielleicht, daß ich mir die Haare schneiden oder das Gesicht schwärzen oder mich durch einen Brandfleck oder heißes Wasser oder sonst etwas Ähnliches verunstalten soll? Ich glaube, du wärst es imstande, Peggotty. Ich glaube, du würdest dich sogar drüber freuen.«

      Peggotty schien sich diese Zumutung sehr zu Herzen zu nehmen, wie mir vorkam.

      »Und mein lieber Junge,« schrie meine Mutter, kam zu mir in den Lehnstuhl und liebkoste mich. »Mein einziger kleiner Davy! Lasse ich es vielleicht an Liebe für mein Herzblatt fehlen? Für den allerbesten kleinen Jungen, den es je gegeben hat?«

      »Kein Mensch hat das behauptet,« sagte Peggotty.

      »Ja du, Peggotty,« gab meine Mutter zurück, »du weißt es ganz gut. Was soll ich denn anderes aus deinen Worten schließen, du unfreundliches Geschöpf, wo du doch recht gut weißt, daß ich mir bloß seinetwegen keinen neuen Sonnenschirm gekauft habe, obwohl der alte, grüne ganz abgeschoben ist und gar keine Fransen mehr hat. Du weißt es, Peggotty, und kannst es nicht leugnen.« Dann wandte sie sich wieder zärtlich zu mir, legte ihre Wange an meine. »Bin ich dir eine nichtsnutzige Mama, Davy? Bin ich eine hartherzige, grausame, selbstsüchtige, schlechte Mama? Sag Ja, mein Kind, und Peggotty wird dich lieben, und Peggottys Liebe ist viel besser als meine, Davy. Ich liebe dich gar nicht, nicht wahr?«

      Darüber fingen wir alle an zu weinen. Ich glaube, ich war der lauteste von ihnen, aber ich weiß sicher, wir meinten es alle gleich aufrichtig. Ich war tief un glücklich und habe, fürchte ich, in der ersten Aufwallung verletzter Zärtlichkeit Peggotty ein »Biest« genannt. Ich erinnere mich noch, das ehrliche Geschöpf geriet in die tiefste Betrübnis und muß bei dieser Gelegenheit ganz knopflos geworden sein, denn eine ganze Salve dieser Geschosse flog ab, als sie vor meinem Stuhle niederkniete, um sich mit meiner Mutter und mir zu versöhnen.

      Wir gingen sehr niedergeschlagen zu Bett. Mein Weinen hielt mich lange wach, und wenn mich ein besonders heftiges Schluchzen in die Höhe riß, sah ich, daß meine Mutter auf dem Bettrand saß und sich über mich beugte. Dann schlummerte ich in ihren Armen fest ein.

      Ob schon am folgenden Sonntag der Herr wieder kam, oder ob ein längerer Zeitraum dazwischen lag, ist mir nicht mehr erinnerlich. In der Zeitrechnung bin ich meiner nicht ganz sicher. Aber er war in der Kirche und begleitete uns dann nach Hause.

      Er trat auch zu uns herein, um ein schönes Geranium anzusehen, das im Fenster stand. Es kam mir nicht so vor, als ob er es besonders beachtete, aber ehe er ging, bat er meine Mutter, ihm eine Blüte davon zu geben. Sie bat ihn, sich selbst eine auszusuchen, aber das wollte er nicht, – warum, war mir unbegreiflich –, und so pflückte sie ihm denn eine Blüte und gab sie ihm in die Hand. Er sagte, er werde sich niemals im Leben davon trennen, und ich dachte mir, er müsse sehr dumm sein, weil er nicht wisse, daß die Blätter in ein oder zwei Tagen ausfallen würden.

      Peggotty fing an, uns abends weniger oft Gesellschaft zu leisten als früher. Meine Mutter gab ihr in sehr vielen Dingen nach, mehr noch als gewöhnlich, wie mir schien, und wir blieben alle drei die allerbesten Freunde.

      Aber doch war es zwischen uns anders geworden, und es war uns nicht mehr so behaglich zu Mute. Manchmal kam es mir so vor, als ob Peggotty nicht recht zufrieden wäre, wenn meine Mutter die schönen Kleider anzog, die sie im Schrank hängen hatte, und so oft die Nachbarn besuchen ging. Aber ich war ganz froh, daß ich mir keine Gedanken darüber zu machen brauchte.

      Allmählich gewöhnte ich mich daran, den Herrn mit dem schwarzen Backenbart zu sehen. Er gefiel mir nicht besser als am Anfang, und ich fühlte immer noch dieselbe unbestimmte Eifersucht. Aber wenn ich außer einem instinktiven, kindlichen Widerwillen und dem Gedanken im allgemeinen, daß Peggotty und ich vollkommen ausreichen müßten, meine Mutter ohne weitern Beistand glücklich genug machen zu können, noch einen andern Grund

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