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ihrer Figur die gewünschte Rundung zu geben. Sie war froh, daß sie Ellens schlanke Hände und Füße geerbt hatte, und wünschte sich Ellens Größe dazu, obwohl sie mit ihrem eigenen kleineren Wuchs durchaus nicht unzufrieden war. »Schade, daß man die Beine nicht zeigen darf«, dachte sie und zog die Unterröcke empor. Da schauten sie unter den Spitzenhöschen hervor, gut geformt und gerundet, beängstigend hübsch. Sogar auf der Töchterschule in Fayetteville hatten die Mädchen zugeben müssen, daß sie hübsche Beine hatte. Und nun erst ihre Taille - in allen drei Provinzen gab es keine schlankere!

      Ihre Taille brachte sie wieder auf praktische Gedanken. Das grüne Musselinkleid maß um den Gürtel dreiundvierzig Zentimeter, und Mammy hatte sie für das fünfundvierzig Zentimeter weite Bombasinkleid geschnürt. Mammy mußte sie fester schnüren. Sie öffnete die Tür und rief ungeduldig nach ihr. Sie durfte ungestraft ihre Stimme erheben, denn Ellen war in der Vorratskammer und teilte der Köchin die Vorräte für den Tag zu.

      »Einige Leute denken immer, ich kann fliegen«, knurrte Mammy und schlurfte die Treppe hinauf. Keuchend trat sie ein mit dem Gesicht eines Menschen, der auf einen Kampf gefaßt ist und sich darauf freut. In den großen schwarzen Händen trug sie ein Tablett mit dampfenden Speisen, zwei großen Bataten mit Butter darüber, einem Häufchen Buchweizenkuchen, von denen der Sirup herabtroff, und einer großen Scheibe Schinken in einer fetten Sauce. Als Scarlett sah, was Mammy in der Hand trug, wechselte ihr Ausdruck von leichtem Ärger zu Eigensinn. In ihrer Aufregung hatte sie Mammys eherne Regel vergessen, nach der die 0'Haraschen Mädchen vor jeder Gesellschaft daheim so viel essen mußten, daß sie dort keiner Erfrischung mehr bedurften.

      »Es hat keinen Zweck, ich esse nicht, du kannst es wieder in die Küche bringen.«

      Mammy setzte das Tablett auf den Tisch und stellte sich in Positur. »Du ißt. Ich will es nicht noch einmal erleben, was bei dem letzten Gar tenfest passierte, als ich von Schwarzsauer so krank, daß ich dir kein Essen bringen können, hiervon du mir aufessen jeden Bissen!«

      »Fällt mir nicht ein! Komm lieber her und schnüre mich fester, sonst kommen wir zu spät. Da kommt schon der Wagen vorgefahre n.«

      Mammy verfiel in schmeichlerische Töne: »Miß Scarlett, sei lieb und nur ein kleines bißchen essen. Miß Carreen und Miß Suellen haben ihrs alles aufgegessen.«

      »Das sieht ihnen ähnlich«, sagte Scarlett verächtlich. »Die haben nicht mehr Mut als ein Karnickel. Ich will nicht. Ich weiß noch, wie ich einmal alles gegessen hatte und zu Calverts ging, und da gab es Rahmeis, das sie die ganze Strecke von Savannah herangeholt hatten, und ich konnte nur einen Löffel davon essen. Heute will ich es mir gut gehen lassen und so viel essen, wie ich Lust habe.«

      Vor so viel Trotz senkte Mammy entrüstet die Brauen. Was ein junges Mädchen durfte und was nicht, war in Mammys Kopf eingeteilt in Schwarz und Weiß. Eine Mitte gab es da nicht. Suellen und Carreen waren wie Wachs in ihren gewaltigen Händen und hörten ehrfürchtig auf ihre Ermahnungen. Aber Scarlett beizubringen, daß fast alle ihre natürlichen Neigungen und Einfalle nicht damenhaft seien, war immer ein hartes Stück Arbeit gewesen. Mammys Siege über Scarlett waren schwer erkämpft und zeugten von Winkelzügen, die einem weißen Verstand unbekannt waren.

      »Wenn es dir einerlei ist, wie Herrschaften über unsere Familie reden, mir nicht einerlei«, murrte sie. »Ich wollen nicht dabeistehen, wenn sie alle auf der Gesellschaft sagen, Miß Scarlett nicht gut erzogen, ich dir immer schon sagen, daß man eine Dame daran erkennen, ob sie wie ein kleines Vögelchen essen, und du sollst mir nicht zu Wilkes gehen und wie ein Ackerknecht essen und dich vollstopfen wie ein Schwein.«

      »Mutter ist eine Dame und ißt doch«, gab Scarlett zurück.

      »Wenn du verheiratet bist, darfst du auch essen«, entgegnete Mammy. »Als Mrs. Ellen so alt war wie du, sie nie essen, wenn sie bei fremden Leuten war, und auch Tante Pauline und Tante Eulalia nicht, und die haben alle geheiratet; junge Fräuleins, die so viel essen, kriegen nie einen Mann.«

      »Das glaube ich nicht. Bei dem Gartenfest, wo dir schlecht wurde und ich vorher nichts gegessen hatte, sagte Ashley Wilkes, ein Mädchen mit einem gesunden Appetit gefalle ihm.«

      Mammyschüttelte unheilverkündend den Kopf.

      »Was ein Herr sagen und was er denken - gar nicht dasselbe! Und ich haben nicht gemerkt, daß Mr. Ashley umdich anhalten.«

      Scarlett wollte ihr scharf erwidern, faßte sich aber. Als Mammy ihre Verstocktheit sah, nahm sie das Tablett wieder auf und änderte mit der geriebenen Sanftmut ihrer Rasse die Taktik. Sie ging zur Tür und seufzte:

      »Nun, meinetwegen. Als Cookie das Essen zurechtstellte, ich sagte ihr: du eine Dame an dem erkennen, was sie nicht essen, und ich sagte Cookie: ich nie eine weiße Dame gesehen, die weniger essen als Miß Melly Hamilton das letzte Mal, als sie Mr. Ashley - ich meinen Miß India - besuchen ...«

      Scarlett warf ihr einen scharfen, argwöhnischen Blick zu, aber auf Mammys breitem Gesicht stand nur die reine Unschuld geschrieben und ein Bedauern darüber, daß Scarlett weniger Dame sei als Melanie Hamilton.

      »Setz dein Tablett hin und schnür mich fester«, sagte Scarlett gereizt. »Nachher will ich versuchen, ein wenig zu essen. Wenn ich jetzt äße, könntest du mich nicht fest genug schnüren.«

      Mammyverbarg ihren Triumph und setzte das Tablett wieder hin. »Was will mein süßes Lämmchen anziehen?«

      »Dies«, Scarlett zeigte auf die duftige Masse grünen geblümten Musselins.

      Sofort war Mammyin Harn isch.

      »Nein, das tust du nicht, das passen nicht für den Morgen, vor drei Uhr darfst du den Busen nicht offen tragen, und dieses Kleid haben nicht Kragen noch Ärmel, du kriegen Sommersprossen, und das wollen ich nicht erleben nach all der Buttermilch, die ich dir aufgelegt, um Sommersprossen wegbleichen, die du dir in Savannah am Strand geholt, ich sagen deiner Mutter.«

      »Wenn du ihr ein Wort sagst, ehe ich angezogen bin, esse ich keinen Bissen«, sagte Scarlett kühl. »Nachher hat Mutter keine Zeit, mich wied er hinauf zuschicken, damit ich mich noch einmal umziehe.«

      Mammy seufzte ergeben, denn nun war sie geschlagen. Von beiden Übeln war es noch das kleinere, daß Scarlett morgens ein Nachmittagskleid trug, als daß sie schlang wie ein Schwein.

      »Halt dich fest und ziehe den Atem ein«, befahl sie.

      Scarlett gehorchte und klammerte sich an einen Bettpfosten. Mammy zog und zerrte aus Leibeskräften, und als der schmale Umfang der in Fischbein gezwängten Taille immer noch schmäler wurde, bekamen ihre Augen einen stolzen, liebevollen Glanz.

      »Kein Mensch haben so eine Taille wie mein süßes Lämmchen«, sagte sie befriedigt. »Jedesmal, wenn ich Miß Suellen enger als fünfzig schnüre, sie beinahe fallen in 0hnmacht.«

      »Puh!« Scarlett schnappte nach Luft und brachte kaum die Worte heraus: »Ich bin noch nie in 0hnmacht gefallen.«

      »Nun, es schaden gar nichts, wenn du das ab und zu tun«, riet Mammy. »Du manchmal viel zu derb, ich dir schon immer sagen wollen, es macht keinen guten Eindruck, daß du bei Schlangen und Mäusen und dergl eichen nie in 0hnmacht fallen, nicht gerade zu Hause, aber doch wenn du ausgehst, und ich haben dir immer wieder ...«

      »Still. Ich bekomme schon einen Mann, du wirst sehen, auch wenn ich nicht quieke und ohnmächtig werde. Du meine Güte, sitzt das aber fest! Nun zieh mir das Kleid an.«

      Mammy ließ behutsam die zwölf Meter grünen, geblümten Musselins über die gewaltigen Unterröcke fallen und hakte die enge, tief ausgeschnittene Taille zu.

      »Daß du mir aber den Schal um die Schultern behältst, wenn du in die Sonne gehst, und den Hut nicht abnimmst, wenn du heiß bist«, befahl sie. »Sonst kommst du braun nach Hause wie der alte Slattery, aber nun essen, mein Lämmchen, aber nicht zu schnell, es haben keinen Zweck, wenn alles gleich wieder rauskomme n.«

      Scarlett setzte sich gehorsam zum Essen

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