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kurz, einer den andern beargwöhnte und der Postillion sich auf niemand als auf seine Pferde verlassen mochte, obschon auch er, sofern das liebe Vieh in Frage kam, es mit gutem Gewissen auf beide Testamente hätte beschwören können, daß es nicht für eine solche Reise paßte.

      »Oha!« rief der Postillion. »So recht. Jetzt nur noch einen Zug, und ihr seid droben. Hol' euch der Teufel dafür, denn ich habe Not genug gehabt, euch hinaufzubringen. – Joe!«

      »Holla!« entgegnete der Wagenführer.

      »Wieviel Uhr schätzt Ihr, Joe?«

      »Gut zehn Minuten über elf.«

      »Oh, Mord und Tod«, rief der Postknecht ärgerlich, »und noch nicht einmal auf dem Shooter. Zu – hü! Vorwärts mit euch!«

      Das emphatische Pferd, das in einem Akt der entschlossensten Verneinung von der Peitsche erreicht worden war, fing wieder kräftig an zu klettern, und die drei andern Rosse folgten seinem Beispiel. Noch einmal arbeitete sich die Doverpost vorwärts, und die Stulpstiefel der Reisenden klatschten nebenher. Sie hatten mit dem Wagen haltgemacht und demselben treulich Gesellschaft geleistet. Wäre einem von den dreien der vermessene Gedanke gekommen, den andern den Vorschlag zu machen, sie wollten in Dunkel und Nebel ein wenig vorausgehen, so hätte er sich damit sicher der Gefahr ausgesetzt, auf der Stelle als Straßenräuber niedergeschossen zu werden.

      Der letzte Anlauf brachte den Postwagen auf die Höhe des Berges. Die Pferde hielten wieder an, um sich zu verschnaufen, und der Wagenlenker stieg ab, um für die kommende Bergsenkung den Radschuh einzulegen und den Passagieren den Kutschenschlag zu öffnen.

      »Pst, Joe!« sagte der Postillion in warnendem Ton, indem er von seinem Bock niederschaute.

      »Was wißt Ihr, Tom?«

      Beide lauschten.

      »Ich höre ein Pferd uns nachtraben, Joe.«

      »Und ich sag', es galoppiert, Tom«, versetzte der Wagenlenker, indem er seinen Schlag losließ und hurtig nach seinem Platz hinaufkletterte. »Meine Herren, in des Königs Namen, geschwind eingestiegen!«

      Der für unsere Geschichte vorgemerkte Passagier stand eben auf dem Kutschentritt und wollte hinein; die beiden andern hielten sich dicht hinter ihm und waren im Begriff, ihm zu folgen. Der erstere blieb halb in, halb außer der Kutsche auf seinem Tritt, das andere Paar drunten auf der Straße. Sie alle blickten lauschenden Ohrs von dem Postillion auf den Wagenführer und von dem Wagenführer auf den Postillion. Beide gaben ihnen die Blicke zurück, und selbst das emphatische Pferd spitzte die Ohren und schaute rückwärts, ohne einen Widerspruch zu erheben.

      Die Stille, die auf das Aufhören des Rädergerassels und Rossegestampfs folgte, machte das Schweigen der Nacht nur um so eindrucksvoller. Das Schnauben der Pferde teilte der Kutsche eine zitternde Bewegung mit, als befände sie sich in einem Zustand von Aufregung. Die Herzen der Passagiere klopften vielleicht hörbar laut. Jedenfalls erzählte die stille Pause sehr verständlich von Leuten, die außer Atem waren, aber gleichwohl keine Luft einzuziehen wagten und unter beschleunigtem Herzschlagen dessen harrten, was da kommen sollte.

      Man hörte, daß ein Pferd in wütendem Galopp den Berg hinaufjagte.

      »Oho!« brüllte der Wagenlenker, so laut er konnte, in die Nacht hinaus. »Ihr dort – halt! – oder ich gebe Feuer!«

      Der Hufschlag hielt plötzlich inne, und mit Not kämpfte sich die Stimme eines Mannes durch den Nebel:

      »Ist das die Dover-Post?«

      »Was kümmert's Euch, wer wir sind?« entgegnete der Wagenlenker. »Wer seid Ihr

      »Ich frage, ob dies die Dover-Post ist.«

      »Wozu braucht Ihr dies zu wissen?«

      »Ich will zu einem ihrer Passagiere.«

      »Wie heißt der Passagier?«

      »Mr. Jarvis Lorry.«

      Der Reisende auf dem Tritt ließ sogleich merken, daß dies sein Name sei. Der Wagenlenker, der Postillion und die beiden andern Passagiere betrachteten ihn mißtrauisch.

      »Bleibt, wo Ihr seid«, rief der Wagenlenker der Stimme im Nebel zu, »denn wenn mir aus Versehen etwas passiert, so könnt' ich's Eurer Lebtage nicht wieder gutmachen. Der Gentleman namens Lorry soll unumwunden antworten.«

      »Was gibt's!« fragte darauf der Passagier mit leiser, unsicherer Stimme. »Wer will etwas von mir? Ist es Jerry?«

      »Die Stimme dieses Jerry gefällt mir gar nicht, wenn er wirklich so heißt«, brummte der Wagenlenker vor sich hin. »Der Jerry ist heiserer, als mir lieb ist.«

      »Ja, Mr. Lorry.«

      »Was gibt's?«

      »Man hat mich Euch mit einer Depesche nachgeschickt. Von T. und Co.«

      »Ich kenne diesen Boten, Schaffner«, sagte Lorry, wieder auf die Straße hinaustretend, wobei ihm die beiden andern Passagiere, die nicht geschwind genug in die Kutsche kommen, den Schlag schließen und das Fenster aufziehen konnten, von hinten her hurtiger, als sich eben mit der Höflichkeit vertrug, Beihülfe leisteten. »Laßt ihn herankommen: es ist nichts Unrechtes.«

      »Ich will's hoffen, bin aber noch nicht so fest überzeugt davon«, sprach der Wagenlenker rauh vor sich hin. »He, Ihr!«

      »Nun, was soll's?« entgegnete Jerry, noch heiserer als zuvor.

      »Reitet im Schritt heran – habt Ihr mich verstanden? Und wenn Ihr an Eurem Sattel Halfter habt, so kommt mir ihnen mit der Hand nicht zu nahe; denn ich habe verteufelt hurtig etwas versehen, und wenn es geschieht, so nimmt es die Form des Bleis an. So, jetzt laßt mich Euch mustern.«

      Die Gestalt des Reiters kam langsam durch den wirbelnden Nebel gegen die Seite des Postwagens her, wo der Reisende stand. Dann machte der Fremde halt, blickte zu dem Schaffner auf und händigte dem Passagier ein Brieflein ein. Das Roß des Boten schnaubte mächtig, und Mann und Tier waren vom Huf bis zur Hutspitze mit Schmutz bespritzt.

      »Schaffner«, sagte der Passagier im Tone ruhiger Geschäftszuversicht.

      Der wachsame Schaffner, der die Rechte am Schaft, die Linke am Lauf seines Musketons hatte und kein Auge von dem Reiter verwandte, antwortete kurz:

      »Sir!«

      »Es ist nichts zu befürchten. Ich gehöre zu Tellsons Bank. Ihr müßt Tellsons Bank in London kennen. Ich reise in Geschäftsangelegenheiten nach Paris. Hier ein Krone Trinkgeld. Darf ich dies lesen?«

      »So macht nur rasch, Sir.«

      Er trat an die auf seiner Seite brennende Kutschenlaterne, öffnete das Schreiben und las – zuerst für sich, dann laut:

      »›Wartet in Dover auf Mamsell.‹ Ihr seht, dies ist nicht lang, Schaffner. Jerry, sagt, meine Antwort darauf sei: Ins Leben zurückgerufen.«

      Jerry richtete sich in seinem Sattel auf. »Das ist eine verwettert kuriose Antwort«, sagte er in seinem heisersten Tone.

      »Richtet das aus, und man wird daraus ersehen, daß ich den Brief erhalten habe, ohne daß ich Euch eine schriftliche Antwort mitgebe. Jetzt macht, daß Ihr wieder zurückkommt. Gute Nacht.«

      Mit diesen Worten öffnete der Passagier den Wagenschlag und stieg ein. Diesmal halfen ihm seine Reisegefährten nicht, sondern taten, als ob sie schliefen, nachdem sie zuvor mit aller Behendigkeit Uhren und Börsen in ihren Stiefeln verborgen hatten. Ihr angeblicher Schlummer sollte sie wohl nur vor der Gefahr bewahren, zu einer andern Art von Tätlichkeit Anlaß zu geben.

      Die Kutsche holperte wieder weiter, und da es jetzt bergab ging, wurde der Nebel immer dichter. Der Wagenführer legte den Musketon wieder in die Truhe, musterte ihren übrigen Inhalt, sah nach den Pistolen, die er noch als Zugabe in seinem Gürtel stecken hatte, und visitierte dann einen kleineren Behälter unter seinem Sitz, in dem sich einige Schmiedegeräte, ein paar Fackeln

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