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jene denen wir hilfreich unsere Hand hingehalten haben, die wir durchgefüttert haben? Weg! Bei den ersten Anzeichen, dass es mit unserem schönen Land bergab ging, haben sie sich aus dem Staub gemacht.“ Bogwin reichte es.

      Gerade noch rechtzeitig fiel er Hauptman ins Wort, bevor dieser mit seiner Litanei fortfahren konnte. „Worin die Gründe liegen, wissen wir alle zur Genüge“, sagte er.

      „Was wir wissen wollen ist, wie wir das wieder ins Lot bekommen sollen.“

      Das bedeutungsvolle Herumgerede Hauptmans war ihm mit jeder Sekunde widerlicher geworden.

      Hauptman lehnte sich wieder in seinem Stuhl zurück und faltete seine Finger.

      „Das genau ist die Frage“, erwiderte der nur kurz. „Um diese beantwortet zu bekommen sind wir hergekommen“, sagte Bogwin, der sich einen leicht sarkastischen Unterton nicht verkneifen konnte. „Dies stellt tatsächlich eine Herausforderung dar“, erwiderte Hauptman ihm.

      „Aber, um sie nicht auf die Folter zu spannen, möchte ich ihnen gerne meinen Plan vorstellen!“

      Bogwin und Lampert sahen, wie die Augen seines Gegenübers plötzlich zu leuchten begannen. Unbehagen erfüllte sie bei dem Anblick dieses grinsenden Hauptmans.

      „Mein Vorschlag ist dieser. Ab sofort werden nur mehr jene mit den vollen Lebensmittelrationen versorgt, die gewillt sind, am Wiederaufbau unseres geliebten Landes mitzuwirken. Alle anderen, vor allem jene die nicht gewillt oder in der Lage sind, werden nur soweit versorgt, wie es unbedingt notwendig ist.“ Stille erfüllte den Raum.

      Schließlich war es Bogwin, der das Schweigen beendete. „Und was ist mit den Älteren, den Kranken? Viele von ihnen haben dazu beigetragen, das Land mit aufzubauen. Viele ihrer Vorfahren waren mit am Aufbau dieses Landes beteiligt, haben hart gearbeitet. Was geschieht mit diesen?“

      Hauptman sah ihm direkt in die Augen. Bildete er, Bogwin es sich nur ein, oder sah er ein eiskaltes Glitzern in den Augen seines Gegenübers?

      „Wie gesagt“, begann Hauptman von Neuem.

      „Wenn wir verhindern wollen das unser einst so gesundes

      Land zugrunde geht, wenn wir verhindern wollen das sich

      Menschen in den Straßen wegen eines Stück Brot an die Kehle gehen, müssen wir dafür Sorge tragen, dass genug für all jene vorhanden ist die ihren Teil dazu beitragen können, dass unser Land wieder zu dem wird, dass es einst war.“

      „Sie reden um den heißen Brei herum Hauptman!“ In Bogwins Stimme hatte sich unmissverständlich Ungeduld gemischt.

      „Wir müssen die Anzahl jener vermindern, die nicht dazu in der Lage sind dazu beizutragen, dass unser Land nicht vor die Hunde geht.“

      Der Satz stand im Raum, hatte Gestalt angenommen.

      Endlich war er gesagt worden, dieser Satz, den trotzdem er niemals zuvor ausgesprochen worden war, nun Wirklichkeit geworden war.

      Bogwin und Lampert hatten, kaum dass der Satz zu Ende gesagt geworden war, die Luft angehalten.

      Nach einer schier endlos langen Zeit war es wieder

      Bogwin, der die Frage stellte. Jene Frage, die wie der Satz, der zum Ausdruck gekommen war, nun beantwortet werden musste.

      Das Knistern des brennenden Holzes war der einzige Laut im Raum, der zu hören war. Ein Holzspalt der Feuer gefangen hatte, hatte sich mit einem Knall entzündet. Der unerwartete Laut ließ Bogwin und Lampert zusammenzucken.

      Von dem kurzen lauten Knall erholt, fielen Bogwin, die winzig kleine Staubpartikel auf, die durch die Luft wirbelten. Unschuldig, im Vergleich zu dem was gerade hier vor sich ging, kamen sie ihm vor. Wie sehr er sich wünschte eines dieser unschuldigen ruhig dahinschwebenden Dinger zu sein. Alles schien in Zeitlupe abzulaufen.

      Mühsam rang er sich dazu durch, sich von diesem Gedanken zu lösen.

      „Und wie sollte das ihrer Meinung nach …, bewirkt werden können?“

      Schon jetzt fürchtete er sich vor der Antwort, von der er wusste, dass er sie bekommen würde.

      Hauptman setzte sich ruhig, sehr ruhig, fast wie in Zeitlupe auf.

      „Das ist der heikle Teil“, setzte Hauptman an.

      „Ich nehme nicht an, dass sie marodierende Horden durch das Land schicken wollen, die auf alles schießt, dass alt und gebrechlich ist.“

      Das plötzliche Auflachen Hauptmans erschreckte ihn.

      „Aber nein, nicht doch“, sagte Hauptman.

      „Da gibt es eine viel elegantere Methode, um das

      Problem zu lösen.“

      Bogwin sah diesen Mann, der keine drei Meter von ihm entfernt saß mit starrem Blick an. Es war ihm unmöglich, auch nur zu zwinkern.

      „Er hat es tatsächlich gesagt“, ging es ihm durch den

      Kopf. Er hat das Undenkbare gesagt!“

      Bogwin war kaum in der Lage Luft zu holen. Der Gedanke schoss ihm durch den Kopf, der ihm weismachen wollte, das Recht auf Atmen verwirkt zu haben, wenn er weiterhin hier sitzen und dem zuhören würde. Schon jetzt kam er sich wie ein Mörder vor.

      „Reden sie Mann“, forderte er schließlich Hauptman auf, der keine Anstalten weiterzureden.

      „Es befindet sich eine Substanz in diesem Land, welche dazu verwendet werden könnte die, ich möchte es mal so ausdrücken, die Anzahl jener zu vermindern die keinen Anteil mehr am Aufbau unseres Landes beisteuern können!“

      „Eine Substanz“, sagte Bogwin verwundert.

      „Welche Substanz sollte das Sein und woher hätten wir die Mittel, dieses zu besorgen“, fragte ihn Bogwin, dessen Unglaube in seiner Stimme unüberhörbar war.

      „Es ist eine Art Serum“, hörten sie Hauptman sagen.

      „Ja, ich möchte es gerne als Serum bezeichnen. Ein

      Serum, der sich als sehr effizient erwiesen hat.“

      „Ein Serum!“

      Die Stimme Bogwins verriet seine Überraschung.

      „Und woher wollen sie dieses Serum haben“, fragte Bogwin diesen Mann, der ihm von Sekunde zu Sekunde unheimlicher wurde.

      „Werter Ratskollege“, begann Hauptmann. „Sie wären überrascht, was es alles zu kaufen gibt. Es mag ihnen entgangen sein, aber da draußen außerhalb unserer einst so heilen Welt, gibt es eine Welt, die unendliche

      Möglichkeiten bietet.“

      Bogwin fuhr sich mit einer Hand über sein Gesicht. Das was ihm dieser Mann hier erzählte, kam ihm zu fantastisch vor.

      „Werter Ratskollege“, setzte Bogwin an, der sich nicht verkneifen konnte, den Titel in leicht spöttischer Manie auszudrücken.

      „Ich bin ja kein Mediziner oder Chemiker. Aber selbst ich, der ich ein medizinisch ungebildeter Mensch bin, weiß, dass ein Serum die Angewohnheit hat, keine Unterschiede zu machen. Wie also in alle Welt, wollen sie verhindern, dass dieses Serum nicht jene in Mitleidenschaft zieht, die sie, angeblich, dazu benutzen wollen, um das Land wiederaufzubauen?“ Der Blick, mit dem er sein Gegenüber ansah, ließ keinen Zweifel offen, dass er an dessen Worten zweifelte.

      Er legte seine Hände, mit den Innenflächen nach oben. Es schien ihnen als würde er diese betrachten, während er nach Worten suchte.

      „Wie jede chemische Verbindung, so hat auch diese die Eigenschaft, dass sie so abgewandelt werden kann, dass sie entweder harmlos oder eben …, weniger harmlos ist.“ „Oder wie heißt es doch so schön, jedem das Seine.“ Die Ungeheuerlichkeit dessen, was ihnen in diesem Raum zu Ohren kam, war beinahe unerträglich.

      Langsam sahen die beiden, wie Hauptman sich aus seinem Stuhl erhob und um den Schreibtisch herumging, um sich

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