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tätig und kämpft für Menschenrechte. Es gibt kaum eine Demonstration, an der sie nicht teilnimmt. Glaub mir Leo, Maja ist der harmloseste Mensch, den ich kenne.“

      „Wie lange hattest du keinen engeren Kontakt mehr zu ihr?“

      „Acht Jahre. Trotzdem sind wir uns immer wieder über den Weg gelaufen. Glaub mir bitte, Maja ist nicht verrückt.“

      „Gut. Wer hätte ein Interesse daran, sie für verrückt erklären zu lassen?“

      „Keine Ahnung.“

      „Erzähl mir von ihr.“

      „Sie wuchs auf dem nächsten Bauernhof auf. Ihre Eltern bekamen sie sehr spät. Niemand hatte mehr mit Nachwuchs gerechnet. Die Freude war groß, als Maja geboren wurde. Als ihre Eltern vor neun Jahren kurz hintereinander starben, hat sie alles verkauft.“

      „Beruf?“

      „Sie hat in Altötting in einer Steuerkanzlei gelernt und gearbeitet, bis sie geheiratet hat. Sie hat Sandro Ettl geheiratet. Dir sagt der Name etwas?“

      „Das Möbelhaus?“

      „Richtig. Die Familie Ettl besitzt in vierter Generation ein riesiges Möbelhaus bei Ampfing. Sandro Ettl leitet das Unternehmen zusammen mit seiner Mutter Elfriede und der Schwester Susanne, nachdem das Familienoberhaupt bei einem Bergunfall ums Leben kam. Meines Wissens nach gab es nie irgendwelche Skandale oder dergleichen. Eine unauffällige, vermögende Familie.“

      „Was ist mit dieser Elena? Wo kommt sie her?“

      „Das habe ich noch nicht herausbekommen. Ich würde gerne Maja dazu befragen, scheue mich aber davor, sie aufzuwecken. Ich habe ihre Arme gesehen. Sie hat in letzter Zeit jede Menge Spritzen bekommen. Das ist die Medikamentenliste ihrer Patientenakte, Maja hat sie mitgehen lassen.“

      „Das ist eine ordentliche Liste, die mir leider nicht viel sagt. Wie lange war sie in der Klinik? Eine Woche? Ich bin zwar kein Experte, aber sogar ich finde die Menge der Medikamente für eine Woche reichlich übertrieben. Wir sollten mehr über die Hintergründe herausfinden.“ Leo schenkte Kaffee nach. „Wenn das alles stimmt, was deine Freundin Maja erzählt hat, ist sie hier nicht sicher, das ist dir doch klar? Wenn man sich solche Mühe macht, sie wegzuschaffen, wird man anfangen, ihre Kontakte abzuklappern. Irgendwann kommt man auf dich.“

      „Das ist mir bewusst. Wir brauchen einen sicheren Ort und jemanden, der sich um Maja kümmert.“

      „Ich wüsste nicht nur den Ort, sondern hätte auch eine sehr gute Idee, wer sich um Maja kümmern könnte,“ grinste Leo.

      „Du denkst doch nicht etwa an Tante Gerda? Vergiss es! Jeder in Mühldorf und Umgebung kennt meine Tante, ich möchte sie nicht mit in die Sache reinziehen.“ Hans liebte seine Tante Gerda sehr. Sie war die einzig lebende Verwandte, die er noch hatte; abgesehen von einigen entfernten Verwandten, auf die er gerne verzichten konnte. Tante Gerda besaß einen Bauernhof vor Altötting, den sie mit Liebe und viel Arbeit umgebaut hatte. Die obere Wohnung hatte Leo gemietet und er fühlte sich sehr wohl bei der liebenswerten, alten Dame. Er und sie hatten sich angefreundet und verbrachten viel Zeit miteinander.

      „Nein, nicht Tante Gerda. Ich habe eine viel bessere Idee.“

      7.

      Sandro Ettl wachte auf und sah auf die Uhr: 4.32. Draußen dämmerte es bereits und die ersten Vögel sangen laut. Sandro sah neben sich auf den jungen Körper Elenas. Was hatte er nur getan? Er spürte schon lange, dass die gebürtige Russin hinter ihm her war, die Zeichen waren nicht zu übersehen. Bisher konnte er sich ihren Reizen entziehen, aber seit Maja nicht mehr im Haus war, konnte er der Versuchung nicht mehr widerstehen. Maja! Seine Mutter kam gestern nach vielen Jahren in sein Haus, um ihm mitzuteilen, dass seine Frau aus der Klinik abgehauen war. Was war los mit Maja? Und wo war sie? Gestern Abend hatte er keine Zeit gehabt, sich Sorgen um seine Frau zu machen, Elena hatte ihn zu sehr abgelenkt. Sie war sehr geschickt darin, sich in den Mittelpunkt zu drängen und ihn auf andere Gedanken zu bringen. Stimmte es tatsächlich, dass er zu labil und leicht zu beeinflussen war? Das hielt ihm seine Frau zumindest seit Jahren vor. War es seine Schuld, dass er nicht stark genug war und nicht die Kraft hatte, sich zu wehren? Er hasste jegliche Form von Streit. Er gab gerne und schnell nach und zog es vor, lieber zu gehen, als sich mit einer stärkeren Person auseinanderzusetzen. Und in seinen Augen waren alle stärker als er. Wo war Maja? Ging es ihr gut? Lag sie vielleicht bereits irgendwo im Straßengraben? Verletzt? Tot?

      Panik stieg in ihm auf.

      Elena wachte auf. Was war mit Sandro? Sie sah in seine Augen und spürte die Angst, die sie nicht zulassen konnte. Sie hatte versprochen, sich um Sandro zu kümmern, damit er keine Dummheiten machte. Auch dafür bekam sie Geld, sehr viel Geld. Ja, sie hatte sich kaufen lassen, was ihr nicht schwerfiel. Was Maja betraf, brauchte sie nur die Medikamente ins Essen zu mischen, das war leicht. Kurz bevor Maja abgeholt wurde, legte sie Medikamente ins Schlafzimmer, auch das war leicht. Noch bevor es Maja schlecht ging, hatte sie sich an Sandro rangemacht. Aber der reagierte nicht. Es lag auf der Hand, dass er Angst vor seiner Frau hatte. Auch als es Maja bereits schlecht ging und sie nur noch schlief, wehrte sich Sandro gegen jede Annäherung ihrerseits. Erst, als Maja abgeholt wurde und sie mit ihm allein im Haus war, war er Wachs in ihren Händen. Sandro war ein sehr attraktiver Mann. Er war zwar nicht der Hellste und entsprach nicht dem Bild eines Mannes, den sie sich vorstellte, aber sie hätte es sehr viel schlimmer treffen können. Seit sie allein im Haus waren, verbrachten sie sehr viel Zeit zusammen und Sandro fraß ihr aus der Hand. Sie konnte ihn so leicht um den Finger wickeln, mit Männern hatte sie schon immer leichtes Spiel gehabt. Vor zwei Monaten feierte sie ihren 29. Geburtstag und sie hatte noch nichts von ihrer Schönheit eingebüßt. Seit Maja weg war, hatte sie einen guten Job gemacht. Sandro kam nur selten auf die Idee, sich um seine Frau zu kümmern.

      Der Blick in seinen Augen gefiel ihr nicht. Er machte sich Sorgen, das durfte sie nicht zulassen. Normalerweise duschte sie, bevor sie mit einem Mann intim wurde, aber dafür war jetzt keine Zeit. Sie musste Sandro auf andere Gedanken bringen.

      Als er nach knapp zwei Stunden schlafend neben ihr lag, lächelte sie zufrieden. Sie machte einen sehr guten Job, der sehr viel besser bezahlt sein müsste.

      Sie nahm ihr Handy vom Nachttisch und ging ins Bad.

      „Sandro beginnt, sich um seine Frau zu sorgen,“ sagte sie. „Ich fürchte, er könnte Dummheiten machen.“

      „Dann sorge dafür, dass er das nicht macht. Wofür bezahle ich dich?“

      „Stimmt es, dass Maja aus der Klinik abgehauen ist?“

      „Ja.“

      „Wenn herauskommt, dass ich ihr die Medikamente verabreicht habe, bin ich dran.“

      „Das wird niemand erfahren. Nur du und ich wissen davon.“

      „Ich finde, wir sollten uns über eine Gehaltserhöhung unterhalten.“

      „Treib es nicht auf die Spitze Elena. Vergiss nicht, dass ich einiges von dir weiß. Ich werde nicht zögern, mein Wissen an richtiger Stelle einzusetzen.“

      „Ich verstehe. Einen Versuch war es wert.“

      „Du geldgeile Schlange! Reiz mich nicht, sonst werde ich sehr unangenehm. Dein Job wird großzügig vergütet und du warst einverstanden. Belästige mich nicht mehr mit deinen Forderungen und kümmere dich um Sandro.“

      Elena legte auf. Ja, sie hatte eine dunkle Vergangenheit, über die sie nicht gerne sprach. Sie hatte zwei Jahre lang in einem Bordell in Traunstein gearbeitet. Sie hatte damals einen schlechten Umgang und war abgerutscht. Als ihre Eltern davon erfuhren, waren sie außer sich. Ihr Vater und ihre Brüder hatten sie zusammen mit Freunden aus dem Bordell gezerrt. Mit ihrem Arbeitgeber gab es eine wilde Schlägerei, die nicht für alle glimpflich ausging. Aber sie kam frei, die Hintergründe waren ihr bis heute nicht bekannt. Ihr Vater hatte die Sache für sie geregelt. Sie hatte ihren Schulabschluss nachgeholt und verdiente sich jetzt als Kindermädchen etwas dazu, bevor sie für ein Jahr ins

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