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ist unsere neue Kollegin aus der Telefonzentrale, ich kenne ihren Namen nicht. Du musst zugeben, dass sie ein wahnsinniges Tempo hat.“

      „Allerdings,“ lachte Leo und fing an, die Unterlagen des Hamburger Kollegen Weinmann zu studieren. Hierin gab es nichts, was sie im Fall von Kellberg weiterbrachte. Er besah sich das beigefügte Foto, das eine junge, hübsche Frau mit fröhlichem Gesicht zeigte. Obwohl das Foto per Fax kam, war die Qualität überraschend gut.

      „Wir schicken das Foto an die Polizei Passau. Albert Steinberger soll es den Freunden und den Eltern von Maximilian zeigen.“

      „Werde ich gleich veranlassen,“ sagte Anna und machte sich sofort an die Arbeit. Leo fiel ein, dass sich Frau von Kellberg noch in der Stadt aufhalten könnte, und zog sich eine Kopie des Fotos, um es ihr persönlich zu zeigen. Bei der Gelegenheit konnte er auch noch über den gestrigen Abend und über das Medium mit ihr sprechen. Er telefonierte mit dem teuersten Hotel in Ulm und hatte auf Anhieb Glück. Frau von Kellberg war dort abgestiegen und befand sich noch im Haus.

      „Soll ich Sie mit Frau von Kellbergs Suite verbinden, Herr Schwartz?“

      „Nein danke. Es reicht, wenn Sie ihr eine Nachricht zukommen lassen, dass ich sie sprechen möchte. Ich mache mich umgehend auf den Weg.“

      Leo betrat 20 Minuten später die Suite von Frau von Kellberg, die ihn schon ungeduldig erwartete.

      „Mir wurde gesagt, dass Sie mich sprechen möchten? Haben Sie Neuigkeiten meinen Sohn betreffend?“

      Leo war eigentlich immer noch verärgert über die gestrige Geschichte mit diesem albernen Medium. Als er Frau von Kellberg ansah und die Verzweiflung und die Trauer in ihren Augen bemerkte, erschrak er. Seit gestern schien sie um Jahre gealtert. Sofort verschwanden sein Ärger und seine Enttäuschung und am liebsten hätte er sie in die Arme genommen und sie getröstet.

      „Wir haben tatsächlich etwas. Es ist zwar eine kleine Spur, aber man kann ja nie wissen. Ich habe von der Polizei in Hamburg eine Suchmeldung von einem jungen Mädchen erhalten, das zur gleichen Zeit und am gleichen Ort verschwunden ist wie Maximilian.“ Leo zog das Foto aus der Tasche. „Es handelt sich um dieses Mädchen. Ihr Name ist Nadine Siebert, 22 Jahre. Würden Sie sich das Foto ansehen?“

      Mit zittrigen Händen betrachtete Frau von Kellberg das Foto und schüttelte kaum merklich den Kopf.

      „Es tut mir leid, ich kenne das Mädchen nicht. Maximilian war bei Mädchen sehr beliebt, sie kamen und gingen, er wollte sich noch nicht festlegen. Sie sagten, sie ist verschwunden?“

      „Ja, die Hamburger Polizei sucht seit dem 14. Juni nach ihr.“

      „Du lieber Gott! Was ist auf Sylt nur passiert? Denken Sie, sie ist ebenfalls ermordet worden?“

      „Das weiß ich nicht.“ Leo behielt seine Befürchtungen für sich.

      „Darf ich das Foto behalten? Das Mädchen ist wahrscheinlich die Person, die Maximilian zuletzt lebend gesehen hat.“

      „Sicher, behalten Sie es“ Frau von Kellbergs Trauer schnürte ihm fast die Kehle zu. Was musste diese Frau für Qualen ertragen.

      „Frau von Kellberg,“ sagte Leo mit ruhiger Stimme. „Sind Sie in der Lage, mir noch ein paar Fragen zu beantworten?“

      „Ja natürlich, entschuldigen Sie bitte, ich habe mich gehen lassen.“ Sie schnäuzte kaum hörbar in ein Taschentuch.

      „Was hat Ihnen Frau Esmeralda berichtet? Hat sie etwas herausgefunden, das uns helfen könnte?“

      Frau von Kellberg schüttelte den Kopf.

      „Ich muss mich bei Ihnen für die Unannehmlichkeiten entschuldigen, Herr Schwartz. Sie müssen mich ja für eine komplette Idiotin halten und ich schäme mich sehr für das, was gestern passiert ist. Nachdem ich mich gestern Abend ausführlich mit Madame unterhalten habe und sie sich in immer wildere Aussagen verstrickte, musste ich sie entlassen. Mein Vertrauen zu ihr ist erschüttert und ich lege keinen großen Wert mehr darauf, ihre Dienste weiter in Anspruch zu nehmen.“

      Sie machte eine kurze Pause, und Leo gewährte ihr diese, denn er spürte, dass ihr das Sprechen sehr schwerfiel.

      „Ich halte mich zwar für eine realistisch denkende Frau, glaube aber trotzdem an Übernatürliches. Es gibt Dinge auf der Welt, die man sich nicht erklären kann und ich finde, man muss nicht immer für alles Erklärungen finden. Solange einem geholfen wird, ist die Quelle dafür doch völlig gleichgültig. Ja, Madame Esmeralda ist eine Hochstaplerin und besitzt nicht die Fähigkeiten, die sie vorgibt zu haben. Sie hat mir während der Zeit der Hoffnung und Verzweiflung ihre Dienste angeboten und ich habe diese gerne in Anspruch genommen. Ich muss zugeben, dass sie mir trotz manchem Blödsinn, den sie mir erzählt hat, doch sehr geholfen hat, denn mit ihr konnte ich immer über Maximilian und dessen Verschwinden sprechen. Dank ihrer Unterstützung habe ich nie die Hoffnung aufgegeben. Können Sie sich vorstellen, dass man als Mutter vor Sorge verrückt werden kann? Es gab Zeiten, da war ich kurz davor, durchzudrehen. Madame Esmeralda war an meiner Seite und gab mir Kraft. Oft hat sie mich zum Lachen und auf andere Gedanken gebracht. Ja, ohne Madame wäre es mir in der ganzen Zeit sehr viel schlechter gegangen. Aber gestern ist sie übers Ziel hinausgeschossen. Ich habe ihr vertraut, als sie mir versicherte, den Mörder Maximilians spüren zu können. Was war ich nur für eine gutgläubige, dumme Gans. Ich habe Madame nicht über Einzelheiten aufgeklärt. Ich wollte sie unbefangen gewähren lassen und war mir sicher, dass sie einen wichtigen Hinweis geben könnte, wenn sie ihre Fähigkeiten voll einsetzen kann. Nach ihrem Auftritt war ich voller Hoffnung und dachte, sie könnte tatsächlich etwas gesehen haben, denn endlich hatten wir ja etwas Greifbares, und zwar den Fundort. Aber leider war das alles nur großes Theater. Als wir gestern miteinander sprachen, habe ich erkannt, dass Madame nichts kann und mich nur zum Narren gehalten hat. Wissen Sie, Herr Schwartz, ich bin zwar verzweifelt, aber nicht verblödet. Und ich habe auch nicht übersehen, dass Sie und Ihre Kollegen kein Wort geglaubt haben und nicht erfreut über unseren Besuch waren. Es tut mir wirklich wahnsinnig leid und ich habe ein richtig schlechtes Gewissen wegen dieser Geschichte, aber ich musste es einfach versuchen. Bitte versuchen Sie, mich zu verstehen. Ich hoffe, ich kann das irgendwie wieder gut machen.“

      Leo fiel ein Stein vom Herzen. Er sah Frau von Kellberg jetzt in einem anderen Licht und bewunderte sie für ihre Offenheit.

      „Ja, es stimmt, ich war nicht begeistert. Ich bin nun mal Realist und glaube nicht an Übersinnliches. Ich möchte den Glauben daran nicht verurteilen, das muss jeder für sich selbst ausmachen. Und Sie brauchen sich nicht bei mir entschuldigen. Ich kann verstehen, dass Sie in Ihrer Lage alle Möglichkeiten ausschöpfen, mögen die auch noch so kurios sein. Ich nehme mir nicht heraus, über Sie zu urteilen und Sie brauchen das auch nicht wieder gut zu machen. Vergessen wir das Ganze einfach, okay?“

      „Sie sind ein sehr netter Mensch, Herr Schwartz, ich danke Ihnen.“

      „Ich verspreche Ihnen, dass ich alles daran setzen werde, die Umstände des Todes Ihres Sohnes aufzuklären und seinen Mörder zu finden.“

      Leo musste zugeben, dass ihn Frau von Kellberg immer mehr faszinierte. Schon von Anfang an hatte er bemerkt, dass diese Frau etwas an sich hatte, was ihn anzog. Aber er konnte sich nicht erklären, was das war. Ihre Ausstrahlung, wie sie sich bewegte, wie sie sprach und auch ihr Blick zogen ihn an. Ja, er bewunderte diese Frau und er nahm sich vor, dass er alles, was in seiner Macht stand, tun würde, um diesen Fall aufzuklären. Nicht nur, weil es sein Job war, sondern vor allem wegen dieser unglaublichen Frau.

      7.

      „Was ist eigentlich mit der Hafenbehörde Sylt? Wo bleibt denn die Liste der Bootsanleger?“, fragte Leo ärgerlich, als er nach einigen Tagen immer noch nichts gehört oder gesehen hatte. „Der Mann hatte doch versprochen, dass er das umgehend erledigen würde.“

      „Ich habe schon mehrmals nachgefragt, wobei mir immer versprochen wurde, dass man sich umgehend um diese Liste kümmern würde. Ich rufe gleich noch mal an und mache

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