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ist er wenigstens treu geblieben« sagte Mrs. Darrell in leisem gedankenvollem Tone.

      Während ihr Gatte seine Geschichte erzählte, waren wir in dem kleinen Studirzimmer zurückgeblieben. Jetzt kehrten wir nach der Halle zurück, wo wir Milly und Mr. Stormont fanden, wie sie schweigend einige alte Portraits der Egerton-Familie betrachteten. Nach dem, was ich gehört, wünschte ich sehr, ein Bild der verstorbenen Mrs. Egerton zu sehen und auf meinen Wunsch führte mich die Haushälterin in eines der Wohnzimmer.

      Sie war sehr schön und hatte eine auffallende Aehnlichkeit mit ihrem Sohne. Ich konnte mir das Resultat denken, wenn diese beiden stolzen Persönlichkeiten an einander geriethen.

      Wir brachten noch eine Stunde damit zu, die übrigen Merkwürdigkeiten des alten Hauses zu besichtigen. Dann gingen wir ein wenig in den vernachlässigten Garten, wo eine merkwürdige alte Sonnenuhr halb verfallen auf dem Boden lag. Auf den Wegen wuchsen überall Gras und Moos und die Rosen waren fast in Unkraut erstickt. Ich sah Mrs. Darrell eine von diesen Rosen pflücken und an die Brust stecken. Es war das erste Mal, daß ich sie eine Blume pflücken sah, obwohl es in Thornleigh eine Masse von Rosen aller Art gab.

      So endete unser Besuch in Cumber Priory, einem Platze, der bestimmt war, für Einige von uns in Zukunft sehr merkwürdig zu werden.

      IV. Kapitel.

       Mrs. Thatcher.

      Es war Millys Gewohnheit gewesen, ehe sie nach Albury Lodge ging, einen Tag der Woche dem Besuche der Armen zu widmen und sie nahm jetzt diese Gewohnheit, von mir begleitet, wieder auf. Ich hatte Aehnliches bereits zu Hause gethan und die Sache mochte mir Vergnügen. Es war ein sehr angenehmer Anblick, zu sehen, wie Milly Darrell mit diesen Leuten verkehrte — das vollkommene Vertrauen zwischen ihnen und ihr und die Freude, die ihnen ihre erheiternde Gegenwart einflößte. Eines Tags, als wir bereits in mehreren Häusern des Dorfes gewesen waren, fragte mich Milly, ob ich mir einen etwas langen Gang zu machen getraue und auf meine bejahende Antwort schlugen wir einen einsamen Pfad ein, der über das Moor in einer Richtung führte, die mir bis jetzt ganz unbekannt war. Wir gingen etwa zwei Meilen ohne eine menschliche Wohnung zu sehen. Dann kamen wir an ein Häuschen, das einen öden und traurigen Anblick darbot. Es war ein wenig besser als eine Hütte und bestand nur aus zwei Räumlichkeiten — einer Art von Küche oder Wohnzimmer und einem kleinen dunkeln Schlafgemach, das damit in Verbindung stand.

      »Ich werde Dich jetzt mit einer nicht besonders angenehmen Persönlichkeit bekannt machen, Mary,« sagte Milly, als wir in die Nähe des einsamen Häuschens kamen; »aber die alte Rebecca ist ein Charakter in ihrer Art und ich bin gewohnt, sie von Zeit zu Zeit zu besuchen, obschon sie nicht immer sehr freundlich gegen mich ist.«

      Es war ein heller warmer Sommertag; aber die Thüre und Fenster der Hütte waren fest verschlossen. Milly klopfte und eine dünne, alte, schwache Stimme hieß uns eintreten.

      Wir gingen hinein. Die Luft des Platzes war heiß und hatte einen unangenehmen apothekenartigen Geruch, welcher, wie ich entdeckte, von Kräutern herrührte, die in einem Topf auf einem kleinen Ofen in einer Ecke kochten. Bündel von getrockneten Pflanzen hingen von der niedrigen Decke und auf einem Brette am Fenster lagen noch mehr Kräuter und Wurzeln zum trocknen.

      »Mrs. Thatcher ist eine sehr geschickte Doctorin, Mary,« sagte Milly, gleichsam, um mich vorzustellen, »alle unsere Dienstleute lassen sich von ihr Kuriren, wenn sie an Katarrh und Rheumatismus leiden. — Und wie befinden Sie sich in diesem schönen Sommerwetter, Mrs. Thatcher?«

      »Nicht sehr wohl, Miß,« brummte die alte Frau, »ich liebe den Sommer nicht, er bekommt mir niemals gut.«

      »Das ist sonderbar,« sagte Milly fröhlich, »ich hätte geglaubt, Jedermann liebe den Sommer.«

      »Nicht Diejenigen, die so leben wie ich, Miß Darrell. Im Somme; gibt es keine Krankheiten — keine Erkältungen, keinen Husten, kein Halsweh und Aehnliches. Ich glaube, ich würde geradezu verhungern, wenn es keine Wechselfieber gäbe und auch damit ist es nicht mehr so wie früher.«

      Ich war ganz entsetzt über diese empörende Aeußerung; Milly aber lachte fröhlich über die Offenherzigkeit der alten Frau.

      »Wenn die Aerzte so aufrichtig wären wie Sie, Mrs. Thatcher, so würden sie ganz ebenso sprechen. Was macht Ihr Enkel?«

      »O, er befindet sich ganz wohl. Unkraut verdirbt nicht. — Peter komm heraus und laß Dich den jungen Damen sehen.«

      Ein armer, schwacher, blasser und halb blödsinnig aussehender Knabe kam langsam aus dem kleinen dunkeln Schlafgemach hervor und stand grinsend vor uns. Er hatte das bleiche krankhafte Aussehen eines Wesens, das ohne Licht und Luft ausgezogen wird und er erregte mein tiefstes Mitleid.

      »Armer Peter! er ist leider nicht besser,« sagte Milly sanft.

      »Nein, Miß, er wird es auch niemals werden. Er weiß indeß mehr, als die Leute glauben und ist in seiner Art oft verschlagen genug. Besser und klüger wird er aber niemals werden, als er jetzt ist. Ich habe mir viele Mühe mit ihm gegeben, als er noch ein kleiner Junge war, aber er ist mir nur zu einer Plage und Last aufgewachsen.«

      Der Knabe trat einige Schritte zurück und sein Kinn fiel tiefer auf seine schmale Brust nieder. Seine Haltung war von Anfang an eine gebeugte gewesen; aber er sank unter dem Tadel seiner Großmutter sichtbar in sich zusammen.

      »Läßt er sich denn in keiner Weise zu etwas verwenden?«

      »Nein, Miß, außer daß er zuweilen Kräuter und Wurzeln für mich sammelt. Dies kann er thun und er kennt sie auch von einander.«

      »So ist er Ihnen also doch einiger Maßen von Nutzen?« sagte Milly.

      »Wenig genug« antwortete die alte Frau mürrisch. »Ich brauche keine Hilfe, ich habe hinlänglich Zeit, sie selbst zu sammeln. Aber ich habe ihm das Sammeln gelehrt und es ist das Einzige, was er jemals lernen konnte.«

      »Armer Junge! Nicht wahr, Mrs. Thatcher, er ist Ihr einziger Enkel?«

      »Ja, der einzige, Miß und das ist noch das Beste. Ich wüßte nicht, wie ich noch einen erhalten sollte. Sie können sich meiner Tochter Ruth nicht erinnern? Sie war ein so schönes Mädchen, wie man eines sehen kann. Sie war Hausmagd in der Priorei zur Zeit der Mrs. Egerton und sie heirathete den Hausmeister. Sie fingen eine Schenkwirthschaft im Dorfe Thornleigh an und er ergab sich dem Trunk bis Alles zu Grunde ging. Mein armes Mädchen nahm sich das Unglück zu Herzen und ich glaube, daß der Kummer sie getödtet hat. Sie starb drei Wochen nach der Geburt dieses Knabens und ihr Mann lief am Tage nach ihrem Begräbniß davon und man hat seitdem nichts mehr von ihm gehört. Einige sagen, er habe sich in dem Clem ertränkt, aber dazu war ihm seine kostbare Person viel zu lieb. Er stak bis am Hals in Schulden und ließ keinen Sixpence zurück. Auf diese Weise wurde mir Peter aufgebürdet.«

      »Komm her, Peter,« sagte Milly sanft und der Knabe ging sogleich zu ihr und ergriff die dargebotene Hand.

      »Du hast mich doch nicht vergessen, Peter? Miß Darrell, die vor langer Zeit zuweilen mit Dir gesprochen hat?«

      In dem ausdruckslosen Gesicht des Knaben zeigte sich etwas wie Verständniß.

      »Ich kenne Sie, Miß,« sagte er, »Sie waren stets gütig gegen Peter.«

      Sie nahm ihre Börse heraus und gab ihm eine halbe Krone.

      »Da, Peter, da ist ein großes Silberstück, das Dir allein gehört, um Dir damit zu kaufen was Du willst — Zuckerpflaumen, Pfefferkuchen, Schusser — Irgend etwas.«

      Seine plumpe Hand schloß sich über der Münze und ich zweifle nicht daran, daß ihn das Geschenk erfreute; aber er verwandte kein Auge von Milly Darrells Gesicht. Dieses freundliche liebliche Gesicht schien eine Art von Zauber aus ihn auszuüben.

      »Glauben Sie nicht, daß es Peter gut thun würde, wenn Sie ihm ein wenig mehr Luft und Sonnenschein gäben, Mrs. Thatcher?« fragte darauf Milly; »dieses Schlafgemach scheint ein ziemlich dunkler und dumpfer Platz zu sein.«

      »Er braucht nicht dort

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