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ein Roß und einen Panzer. Glaube nicht, daß mir an Deiner Gesellschaft liegt, oder daß ich mir Vortheil davon verspreche, bleib meinetwegen hier und laß Dich von Cedric dem Sachsen beschützen.«

      »Ach!« sagte der Jude, »er wird mir nicht erlauben, in seiner Begleitung zu reisen, Sachse und Normann schämen sich gleich sehr eines armen Israeliten! Und allein durch das Gebiet Philipp de Malvoisins und Reginald Front de Boeufs zu wandern! Ach, guter Jüngling, ich will mit Euch ziehen! Laßt uns eilen, laßt uns unsere Lenden gürten, laßt uns fliehen! – Hier ist Dein Stab, warum zögerst Du?«

      »Ich zögere nicht,« sagt der Pilger, der den dringenden Bitten seines Gefährten nachgab; »doch muß ich mir die Mittel sichern, diesen Ort zu verlassen, folge mir!«

      Er begab sich nun sogleich zur anstoßenden Zelle, in welcher, wie der Leser schon weiß, Gurth, der Schweinehirt, schlief. »Steh auf, Gurth!« sagte der Pilger zu ihm, »öffne die Hinterpforte und laß mich und den Juden hinaus!«

      Gurth, dem seine Beschäftigung, die heut zu Tage sehr gering geachtet wird, im sächsischen England ebenso große Bedeutung verlieh, wie dem Eumäus in Ithaka, fühlte sich durch den vertraulichen und befehlenden Ton, den der Pilger annahm, beleidigt. »Den Juden aus Rotherwood lassen,« sagte er, indem er sich auf den Ellbogen stützte und ihn mit hochmüthigem Blick ansah, ohne sein Lager zu verlassen, »und noch außerdem, um mit dem Pilger zu reisen?«

      »Ich wäre ebenso leicht auf den Gedanken gekommen,« sagte Wamba, der in diesem Augenblick in das Gemach trat, »daß er sich mit einem Schweineschinken fortschleichen würde.«

      »Gleichwohl,« sagte Gurth, indem er seinen Kopf wieder auf den Holzblock niederlegte, der ihm als Kopfkissen diente, »müssen sich Jude und Christ so lange gedulden, bis das große Thor geöffnet wird, wir geben nicht zu, daß Gäste zu so ungewöhnlicher Stunde insgeheim abreisen.«

      »Gleichwohl,« sagte der Pilger in gebietendem Tone, »werdet Ihr mir, denke ich, diese Gefälligkeit nicht abschlagen.«

      Bei diesen Worten beugte er sich über das Bett des ruhenden Schweinehirten und flüsterte ihm einige sächsische Worte ins Ohr. Gurth sprang auf, wie elektrisirt. Der Pilger erhob seinen Finger mit einem Ausdruck, der dem anderen Vorsicht anbefahl, und setzte hinzu: »Gurth, beó vär! nimm Dich in Acht, Du pflegtest klug zu sein. Ich sage, öffne die Hinterpforte – Eála! Du sollst sogleich mehr hören.«

      Mit hastiger Lebhaftigkeit gehorchte Gurth, während Wamba und der Jude folgten, beide verwundert über die plötzliche Veränderung in dem Benehmen des Schweinehirten.

      »Mein Maulthier, mein Maulthier!« rief der Jude, als sie sich schon außerhalb des Hinterpförtchens befanden.

      »Hole ihm sein Maulthier,« sagte der Pilger, »und höre, bringe auch mir eins, damit ich ihn begleiten kann, bis er aus dieser Gegend fort ist; ich werde es wohlbehalten zu Ashby einem von Cedrics Knechten übergeben. Und Du beó hyre, horch auf!« Das Uebrige flüsterte er Gurth ins Ohr.

      »Gern, sehr gern soll es geschehen,« sagte Gurth und entfernte sich sogleich, um den Auftrag auszurichten.

      »Ich wollte, ich wüßte, was Ihr Pilger im gelobten Lande lernt,« sagte Wamba, als sein Kamerad den Rücken gewendet hatte.

      »Unsere Gebete hersagen, Narr,« antwortete der Pilger, »unsere Sünden bereuen und uns mit Fasten, Nachtwachen und langen Gebeten kasteien.«

      »Wohl noch etwas Kräftigeres als das,« antwortete der Possenreißer, »denn wie würde Reue und Gebet unsern Gurth bewegen, jemand eine Gefälligkeit zu erweisen, oder Fasten und Wachen ihn überreden, Euch ein Maulthier zu leihen? Wahrhaftig, Ihr hättet ebenso gut seiner schwarzen Lieblingssau von Wachen und Buße vorsprechen können und würdet eine ebenso höfliche Antwort erhalten haben.«

      »Geh,« sagte der Pilger, »Du bist nur ein sächsischer Narr.«

      »Richtig gesprochen,« sagte der Possenreißer, »wäre ich ein geborner Normann, wie Du zu sein scheinst, so wäre das Glück auf meiner Seite, und ich nahe daran gewesen, ein weiser Mann zu werden.«

      In diesem Augenblick erschien Gurth auf der andern Seite des Schloßgrabens mit den Maulthieren. Die Reisenden gingen über eine Zugbrücke, die nur zwei Planken breit war und dem engen Hinterthor, sowie dem kleinen Pförtchen in den äußern Pallisaden gegenüber lag, das sich nach dem Walde zu öffnete. Sobald sie die Maulthiere erreicht hatten, band der Jude mit hastigen und zitternden Händen hinten am Sattel einen kleinen Sack von blauer Leinwand fest, den er unter seinem Mantel hervorzog, und der, wie er murmelnd sagte, »weiße Wäsche – nur weiße Wäsche« enthalte. Dann schwang er sich mit mehr Geschicklichkeit und Hast auf sein Thier, als man von seinen Jahren hätte erwarten sollen, und verlor keine Zeit, sein Obergewand so zu ordnen, daß sein Packet, welches sich hinter ihm besand, von demselben ganz bedeckt wurde.

      Der Pilger stieg mit größerer Ueberlegung auf und reichte Gurth beim Scheiden die Hand, die derselbe mit der größten Verehrung küßte. Er blieb stehen und blickte den Fremden nach, bis sie sich unter den Büschen des Waldweges verloren, und er durch Wambas Stimme aus seiner Träumerei geweckt wurde.

      »Weißt Du,« sagte der Possenreißer, »Freund Gurth, daß Du auffallend höflich und ganz ungewöhnlich fromm an diesem Sommermorgen bist? Ich wollte, ich wäre ein schwarzer Prior oder ein barfüßiger Pilger, um mich Deines ungewohnten Eifers und Deiner Höflichkeit erfreuen zu können, gewiß, es käme für mich mehr dabei heraus als ein Handkuß.«

      »Du bist insofern kein Narr, Wamba,« antwortete Gurth, »obgleich Du nach dem Augenschein urtheilst, und der weiseste von uns kann nicht mehr thun. Aber es ist Zeit, nach meinen Schweinen zu sehen.«

      Mit diesen Worten wandte er sich um und schritt, von dem Narren begleitet, nach dem Hause zurück.

      Mittlerweile setzten die Reisenden ihren Weg mit einer Eile fort, die die große Furcht des Juden erkennen ließ, da Leute seines Alters selten die rasche Bewegung lieben. Der Pilger, dem jeder Pfad und Ausgang des Waldes bekannt zu sein schien, wählte die unwegsamsten Gegenden und erregte mehr als einmal von neuem den Verdacht des Israeliten, daß er die Absicht habe, ihn zu irgend einem Hinterhalt seiner Feinde zu führen.

      Man konnte ihm in der That seinen Zweifel verzeihen; denn etwa mit Ausnahme des fliegenden Fisches gab es kein Geschlecht auf Erden, in der Luft oder im Wasser, welches der Gegenstand so unausgesetzter, allgemeiner und unversöhnlicher Verfolgung war als die Juden zu jener Zeit. Unter den nichtigsten und unvernünftigsten Vorwänden, auf die unsinnigsten und grundlosesten Anklagen hin war ihre Person und ihr Eigenthum der Wuth des Volkes ausgesetzt; Normannen, Angelsachsen, Dänen und Britten, so feindlich gesinnt auch diese Völkerstämme gegen einander waren, wetteiferten, wer von ihnen ein Volk mit größerer Verachtung behandeln könne, das zu hassen, zu schmähen, zu erniedrigen, zu plündern und zu verfolgen man als eine Forderung der Religion ansah. Die Könige des normännischen Stammes und die unabhängigen Edlen, welche ihrem Beispiel in allen Handlungen der Tyrannei folgten, wendeten gegen dieses fromme Volk eine regelmäßigere, eigennützigere und berechnetere Art der Verfolgung an. Die Geschichte erzählt von König Johann, daß er einen reichen Juden in einem seiner königlichen Schlösser gefangen hielt und ihm täglich einen Zahn ausziehen ließ, bis der unglückliche Israelit endlich, als seine Kinnbacken halb zahnlos waren, einwilligte, eine große Summe zu zahlen, die der Tyrann von ihm erpressen wollte. Das wenige baare Geld, welches sich im Lande befand, war größtentheils im Besitz dieses verfolgten Volkes, und der Adel trug kein Bedenken, dem Beispiel seines Oberherrn zu folgen und es ihnen durch jede Art des Druckes, ja selbst durch Anwendung der Tortur zu entreißen. Doch der passive Muth, den die Gewinnsucht den Juden einflößte, setzte sie in den Stand, die verschiedenen Leiden, denen sie unterworfen waren, aus Rücksicht auf die großen Schätze zu trotzen, die sie in einem von Natur so reichen Lande wie England zu sammeln vermochten. Ungeachtet jede Art der Entmuthigung und das bereits erwähnte Taxationsgericht, welches den Zweck hatte, sie zu plündern und zu ruiniren, sammelten die Juden ungeheure Summen, die sie durch Wechsel unter sich in Umlauf zu setzen wußten. Diese Erfindung, die der Handel, wie man sagt, ihnen verdankt, setzte sie in den Stand, ihren Reichthum von einem Orte zum andern zu übertragen, damit,

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