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das ich wiederum akzeptiere. Ferner sagt er: »Inwieweit bei der Entstehung solcher mit sexuellem Anstrich verlaufender Nervenleiden und Gemütsstörungen noch die gewaltsame Zurückdrängung eines der Kraft und dem Lebensalter des Beteiligten adäquaten Geschlechtstriebs mitwirkte, ist schwer zu entscheiden.« Auch dieses Zugeständnis genügt mir.

      Im sechsten Abschnitt seiner Schrift behandelt Hegar die Übel, welche für die Frau aus dem Fortpflanzungsgeschäft erwachsen. Wie schon weiter oben angeführt, sieht Hegar weit größere Gefahren und Übel als vorhanden an für die verheiratete Frau als für die nichtverheiratete, obgleich er die Nachtseite der Nichtbefriedigung nicht gänzlich absprechen will. Und doch belehrt das ganze Aussehen alternder Mädchen, sogenannter alter Jungfern, sogar den Laien über die Übel des Nichtverheiratetseins. Das kann auch Hegar nicht ganz verschweigen, deshalb äußert er auf Seite 30: »Es gibt aber auch eine andere Klasse von Mädchen, welche ganz gesund sind oder wenigstens keine irgend beträchtlichere Störung ihrer Körperentwicklung darbieten, und die allmählich in ein höheres Lebensalter einrücken, ohne zu heiraten. Diese bieten nun nicht selten in mehr oder weniger ausgeprägter Weise ein Bild dar, welches mit dem der Bleichsüchtigen manches gemein hat; Gefühl der Schwäche und Hinfälligkeit, Unlust zur Arbeit, Verstimmung, große Reizbarkeit, blasses Aussehen, Abmagerung, Störungen bei Genitalfunktionen u.a.« Diese Sätze enthalten also ebenfalls wieder ein wertvolles Zugeständnis. Und dennoch Räuber und Mörder über mich, weil ich nur weniger verklausuliert als er die Dinge beim rechten Namen nenne.

      Was Hegar im siebenten Abschnitt seiner Abhandlung über die Unmäßigkeit im Geschlechtsgenuß und die Folgen sogenannter wilder Liebe sagt, darüber verliere ich kein Wort. Einmal, weil er, soweit er darin gegen mich polemisiert, mich nur mißverstanden hat, ob absichtlich oder unabsichtlich, lasse ich dahingestellt sein, oder weil es sich um Ausführungen handelt, die meine Ausführungen überhaupt nicht treffen.

      Im weiteren passiert es Hegar, wie allen bürgerlichen Ideologen, daß er die Wirkung an die Stelle der Ursache setzt, zum Beispiel die Trunksucht aus einem »ethischen Defekt« statt aus sozialen Ursachen ableitet. Ich habe mich in diesem Buche so gründlich über die Wirkung sozialer Verhältnisse auf alle Lebensbeziehungen der Menschen ausgesprochen, daß ich an dieser Stelle kein Wort weiter hierüber verlieren will. Sehr aufgebracht ist Hegar darüber, daß ich ausführe, wie so häufig die Töchter des Volkes von den Angehörigen der »besitzenden und gebildeten Klassen« verführt würden. Das sei unwahr, fast ohne Ausnahme seien die Schuldigen Soldaten, Arbeiter, Gesellen, Diener, selten figuriere auch einmal ein Angehöriger der besseren Stände, welcher dann seinen Fehler, an dem er vielleicht nicht einmal allein beteiligt sei, sehr schwer büßen müsse. Eine unverfrorenere Behauptung wie diese ist wohl kaum möglich. Gewiß sind die Väter der zirka 170.000 unehelichen Kinder, die in Deutschland durchschnittlich jährlich geboren werden, nur zum Teil Angehörige der »besitzenden und gebildeten Klassen«, aber prozentual stellen sie ein ungewöhnlich großes Kontingent. Leider kommt es nur gar zu häufig vor, daß Knechte, Arbeiter und namentlich Diener in vornehmen Häusern bereit sind, die Sünden ihrer Herren auf sich zu nehmen. Hegar mache doch nur einmal die entsprechenden Untersuchungen in der Geburtsklinik zu Freiburg, und er wird, wenn er in diesem Punkte überhaupt der Belehrung zugänglich ist, eines Besseren belehrt werden. Auch empfehle ich ihm, die Schrift seines jüngeren Kollegen, des Dr. Max Taube in Leipzig, »Der Schutz der unehelichen Kinder«, zu lesen, der bei Erörterung dieses Kapitels zu ganz entgegengesetzten Urteilen wie Hegar kommt. Es ist der blinde, voreingenommene Verteidiger der bürgerlichen Gesellschaft, der bei Beurteilung namentlich sozialer Momente aus Hegar spricht. So auch, wenn er sich zu einem förmlichen Panegyrikus für das in Frankreich herrschende Zweikindersystem erhebt, das nach seiner Meinung als eine Art Idealzustand anzusehen ist. Über Ursachen und Wirkungen dieses Systems habe ich mich im zweiten Abschnitt dieses Buches genügend ausgesprochen. Hegar, indem er sich zum Verteidiger dieses Systems aufwirft, übersieht wiederum vollkommen die Folgen, die dasselbe auf den Moralzustand der französischen Bevölkerung ausübt. Daß der Massenabortus, der Kindsmord, der Kindermißbrauch und die unnatürliche Unzucht sehr erheblich dadurch gefördert wurden, ist ihm, dem Gynäkologen, unbekannt.

      Auf derselben Höhe der Anschauung stehen die übrigen sozialen wie die politischen Gesichtspunkte, die er gegen meine bezüglichen Ausführungen geltend macht. So zum Beispiel was er über das Recht auf Arbeit – das bekanntlich die deutsche Sozialdemokratie niemals als Programmforderung anerkannte –, über die internationalen Beziehungen, die Arbeitseinheiten und die Natur des Geldes sagt. Von wahrhaft phänomenaler Oberflächlichkeit zeugen auch seine wirtschaftlichen Ansichten über die Agrarfragen. Danach ist der Ruin des englischen Ackerbaues der Aufhebung der Kornzölle in England – die bekanntlich 1847 aufgehoben wurden – geschuldet! Daß ich mehrfach in meinem Buche hervorhebe, wie heute fruchtbarer Boden vielfach zur Anlegung von Wald verwendet werde, der dann mit Hirschen und Rehen bevölkert wird, damit vornehme und reiche Herren ihre Jagdpassionen befriedigen können, veranlaßt ihn (Seite 94) zu folgender Entgegnung: »Der Jagd zuliebe sind bei uns in Deutschland keine oder gewiß sehr wenige zu sonstigen Zwecken besser brauchbare Ländereien zu Wald angepflanzt oder sonst ihrer richtigen Bestimmung entzogen worden. Kaum gelingt es, manche Tiergattungen wie Hirsche, Wildschweine noch vor der gänzlichen Ausrottung zu schützen; freilich dem Anhänger eines einseitigen Utilitätsprinzips ist dies gleichgültig und es ist ihm schon recht, wenn der letzte Hase und das letzte Reh niedergeknallt wären. Wie sähe es aber dann in Wald und Flur aus!«

      So schreibt nur ein Mann, der von dem, was sich in Wirklichkeit zuträgt, keine Ahnung hat, sonst müßte er wissen, daß unsere Bauern in Nord und Süd, Ost und West alle darin übereinstimmen, daß der Schaden, den die geflissentliche Hegung des Wildstandes in allen Teilen Deutschlands verursacht, allmählich eine Höhe erreicht hat, die eine Kalamität genannt werden muß. In der Feudalzeit konnten die Zustände hierin kaum schlimmer sein, als sie es in einer Anzahl Gegenden Deutschlands bereits geworden sind.

      Auch die eigentliche Agrarfrage löst Hegar wunderbar einfach. Er schreibt (Seite 106): »Die Handelspolitik, die Art der Besteuerung, die Gesetzgebung und der gute Wille der Latifundienbesitzer werden das meiste für die Hebung des kleinen und mittleren Bauern tun müssen...« Er erhofft also vom Wolf die Rettung der Schafe. Da versagt meine Fähigkeit und meine Neigung, weiter zu polemisieren.

      Stellt das deutsche Professorentum keine geschickteren Kämpen wider den Drachen Sozialismus, als die Hegar und Ziegler, dann wird dieses moderne »Ungeheuer« der bürgerlichen Gesellschaft Herr. Schlaflose Nächte machen uns solche Siegfriede nicht.

      Ostern 1895

      A. Bebel

      Zur vierunddreißigsten Auflage

      Seit der fünfundzwanzigsten Auflage dieser Schrift habe ich eine Ergänzung oder teilweise Umarbeitung derselben unterlassen. Aber die fortgesetzte Nachfrage nach dem Buche ließ es mir wünschenswert erscheinen, wieder eine Revision seines Inhalts vorzunehmen.

      An den Grundanschauungen, die bisher in dem Buche zum Ausdruck kamen, fand ich nichts zu ändern. Wohl aber habe ich eine Reihe neuer Tatsachen, die seit dem Erscheinen der fünfundzwanzigsten Auflage bekannt wurden, berücksichtigt und ebenso eine Reihe neuer literarischer Erscheinungen, die beachtenswerte Auffassungen enthielten, in den Kreis seiner Erörterungen gezogen. Auch sind eine Reihe von Mitteilungen und Winken, die mir wiederum aus dem Kreise seiner Leser zugingen und wofür ich den Betreffenden hiermit meinen verbindlichsten Dank ausspreche, berücksichtigt worden.

      Um das Buch an Umfang nicht noch weiter anschwellen zu lassen, war ich genötigt, unter dem zugeströmten Material eine begrenzte Auswahl zu treffen. Es wäre bei der Masse des vorhandenen Stoffes ein leichtes gewesen, seinen Inhalt zu verdoppeln. Gegen eine solche Erweiterung sprachen aber die verschiedensten Gründe.

      Was das Buch bezweckt, und wie ich wohl sagen darf, in hohem Grade erreichte – Bekämpfung der Vorurteile, die der vollen Gleichberechtigung der Frau entgegenstehen, sowie die Propaganda für die sozialistischen Ideen, deren Verwirklichung allein der Frau ihre soziale Befreiung verbürgen –, wird es auch in der nunmehr vorliegenden Gestalt und, wie ich hoffe, in noch höherem Grade erreichen. Vergeht doch kein Tag, der dem Denkenden nicht immer neue Belege dafür bringt, daß nur eine Umgestaltung von Staat

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