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doch die drei redeten nur über Bücher, und die Zeiten der öffentlichen Bücherverbrennungen waren in Mitteleuropa doch eher vorbei.

      Gegen Abend entschlossen sich Fiorella, Eva und Kunibert, im «Vatter» essen zu gehen, wo sie köstlichst bewirtet wurden, ganz im Gegensatz zum armen Balthasar Bube, der, mit einer anderen Bernerin als derjenigen vom Nachmittag, am Nebentisch sass und innerhalb von zwei vollen Stunden nur einen einzigen Kaffee aus dem kargen Berner Budget spendiert bekam.

      Dafür nahm sich die diesmal um mindestens fünfzehn Jahre ältere Polizistin seiner brachliegenden Libido an, indem sie ihm, nicht nur zur Tarnung, so lange die Innenseite seines linken Armes streichelte, bis er ganz violett im Gesicht geworden war.

      Kunibert war drauf und dran, Balthasar Bube einen zweiten Kaffee zu bezahlen. Leid tat er allen drei.

      4

      Herbert sass zuhause und reparierte den Saum einer seiner sexy Jeans mit einer für seine Hände viel zu winzigen Nähnadel und stach sich in den Finger, als es an seiner Türe Sturm läutete.

      Der Herr Drogenfahnder machte sich, den blutenden Finger im Mund, auf, nachzuschauen, wer geläutet hatte, und eventuell zu öffnen.

      Eva stand, breitbeinig und mit vor der Brust verschränkten Armen, vor Herberts Türe und liess nichts Gutes ahnen!

      «Eva! Hallo. Komm rein. Geht ‘s dir gut?», fragte er zweifelnd.

      «Herbert! Rudolf gab doch vor ein paar Monaten dieses Fest bei sich zuhause, und du hattest mich mitgeschleppt. Jetzt verfolgt mich Rudolf ganz offensichtlich. Und dann noch die Auftritte von Balthasar Bube mit und ohne Begleitung. Was soll das?»

      «Bist du sicher?», kam es haspelig.

      «Ob ich sicher bin?», schrie Eva und zerrte die gerade eben entwickelten Berner Fotos aus der Tasche. Sie legte alle auf dem mit Handarbeit übersäten Wohnzimmertisch aus und drückte demonstrativ ihre beiden Zeigefinger auf zwei davon.

      «Links sehe ich Rudolf im Profil, und rechts erschaue ich Balthasar frontal. Was siehst du?»

      «Äh … ich sehe dasselbe. O.K. Es ist so. Eigentlich darf ich es dir gar nicht sagen, doch ich tue es trotzdem. Du kennst doch diesen Karian Schweng mit den riesigen blonden Locken. Na ja, und der muss beschattet werden, weil er dabei beobachtet wurde, wie er eine grössere Menge Gras von einem bereits einmal wegen Drogenhandels im Gefängnis Gewesenen abgeholt hatte.»

      «Zirka eine Wäschekorbladung voll und wahnsinnig stinkend?»

      «In etwa, ja.»

      «Davon wird er das ganze Jahr über rauchen. Ich dachte, Eigenkonsum von Süchtigen wird nicht bestraft?»

      «Es wird eher ignoriert, doch wir wissen nicht, ob er das alles wirklich selber konsumieren wird. Darum müssen wir ihn beobachten.»

      «Ach so. Da sehe ich keine Gefahr», winkte sie ab. «Und alle, die ihn kennen, werden auch unter die Lupe genommen? Da habt ihr aber viel zu tun.»

      «Du triffst dich eben regelmässig mit ihm. Rudolf argwöhnt, dass du am möglichen Grasverkauf eventuell beteiligt sein könntest.»

      «Neigt Rudolf vielleicht zu Fantastereien?»

      «Er spricht schon ein bisschen speziell von dir.»

      «Speziell?»

      «Mit so einem leidenschaftlichen Unterton in der Stimme.»

      «Oh.»

      Auf diese Neuigkeit hin bekam Eva ein Hoegaarden mit Zitrone zu trinken, und Herbert legte die CD «The First Book of Songs and Ayers» von John Dowland auf, um sie zu beruhigen.

      5

      An einem eiskalten Mittwoch kurz vor Mitternacht eilten Eva und Herbert über die mit einer dicken Schicht Schnee bedeckten Tramschienen am Limmatplatz, um ins X-Tra tanzen zu gehen.

      Dort angekommen, gaben sie die mit weissen Graupelflocken übersäten Mäntel ab, begaben sich an die Bar, die sich im Discoraum selber befand, hinauf in den ersten Stock und bestellten für Eva ein Bier und für Herbert einen Cuba Libre.

      Sie unterhielten sich in einer die Musik übertönenden Lautstärke, und als ein uraltes Stück der «Sisters of Mercy» gespielt wurde, wagten sie das erste Tänzchen.

      «Wieso bewegst du dich so verspannt?», wollte Eva von Herbert wissen.

      «Das darf ich doch nicht sagen. Und bitte, schau dich nicht dauernd so auffällig um.»

      Eva überkam ein plötzliches Grinsen und sie legte gleich mehr Betonung in ihre Beckenbewegung.

      Herbert verdrehte die Augen und konzentrierte sich dann auf einen imaginären Punkt auf einer Säule, an welcher er prompt Salomon Tromb lehnend entdeckte, der ihn schon das ganze Lied über schmunzelnd beobachtet hatte, die langen dunklen Fransen als Seitenscheitel in der Stirn, die Arme vor der Brust gekreuzt, die dunkelbraune Lederjacke offen.

      Da Herbert angefangen hatte zu starren, musste sich Eva einfach umdrehen und fing das Lächeln von Salomon Tromb, dessen intensiver Blick immer noch auf die beiden gerichtet war, auf und schrie Herbert ins Ohr: «Wie heisst der mit den mystischen Augen, der uns anschaut?»

      «Der heisst Salomon; den Nachnamen darf ich dir nicht verraten.»

      «O.K.»

      Eva wollte eine Runde durch das Lokal drehen, um zu sehen, ob sie eventuell auf Bekannte stiess.

      «Ich bleibe an der Bar», teilte ihr Herbert mit, denn er hatte Angst, mit seinem Verhalten noch das ganze Amt zu verraten.

      So machte sich Eva alleine auf, graste zuerst die rechte Seite beim Mischpult ab, fand niemanden, wechselte dann auf die linke Seite zu den kleinen runden Tischen und Stühlen und traf auch dort auf keine zu begrüssenden Personen.

      Dafür aber auf einen um fünfundvierzig Grad an ihr vorbeiignorierenden Rudolf Herzig, der ein theaterreif unschuldiges Gesicht zog.

      Eva stellte sich in seine Blickrichtung, ganz verschränkte Arme, böser Blick und ungeduldig wippender Fuss.

      Er verzog den Mund unter dem schwarzen Vollbart zu einem angedeuteten Hüsteln, stand auf und eilte ausser Sichtweite.

      Eva ging zurück zu Herbert und meinte locker: «Ich habe Rudolf gesehen.»

      «Ja, ja, gehen wir wieder tanzen?»

      «Ja.»

      Auf der Tanzfläche verausgabten sie sich richtig: Eva, weil sie an die Polizei dachte, Herbert, weil er nicht an die Polizei dachte.

      6

      Karian Schwengs Wecker klingelte bösartig um sieben Uhr in der Früh und liess ihn als Erstes zum umfunktionierten Wäschekorb eilen, um diesem seine Morgenration an Dope zu entnehmen. Nach erfolgreichem Rollen seines Joints holte er sich aus der Küche ein Glas Ananassaft, begab sich zurück aufs Wohnzimmersofa, wo der Joint wartete, und konsumierte beides.

      Dann sprang er unter eine heisse Dusche, zog sich eine grüne Lederhose zu einem blauen, mit Schäfchenwolken bedruckten, langärmeligen Oberteil an, schnappte sich seine gefütterte beige Wildlederjacke aus den Siebzigerjahren und spazierte in schicken Turnschuhen zur Arbeit.

      Dort angekommen, zog er sich eine in verschiedenen Blautönen gehaltene Uniform an, denn er war Tramchauffeur.

      Während des Tramfahrens wachte er langsam auf, legte bei jeder Station mehr Verve in das Ansagen der Haltestelle und wurde richtig fröhlich dabei, bis der Tumult im Tram immer lauter durch die Glastrennwand zu ihm vordrang und schliesslich jemand an sein Fensterchen pochte.

      Er zog es schnell während des Fahrens mit einer Hand herunter und wollte wissen, was da los war.

      «Junger

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