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      "Wer wollte denn, dass Ihr anders wäret, Ihr närrisches Gör! Hört auf zu flennen. Ich gebe zu, dass ich mich erniedrigt habe, aber ich tat es nur, um Euch auf die Probe zu stellen. Könnt Ihr das für Euch behalten, dann werde ich Eure Klugheit noch mehr schätzen. Und das hier" (er legte einige Goldstücke in meine Hand) "mag Euch für die Furcht entschädigen, in die ich Euch versetzt habe. Nun geht und spaziert ein wenig im Garten und geht nicht ins Haus, bevor Euer Geflenne vorüber ist. Ich befehle Euch, niemandem etwas von dem, was geschehen ist, zu sagen, dann wird alles gut und Ihr habt meine Verzeihung."

      "Ich will das Geld wirklich nicht, Sir", sagte ich, "so arm ich auch bin, ich will es nicht."

      Denn es wäre mir, ehrlich gesagt, so vorgekommen, als nähme ich ein Handgeld entgegen. Und so legte ich es auf die Bank. Und als er verärgert und in Verwirrung zu sein schien über das, was er getan hatte, nützte ich die Gelegenheit, die Tür zu öffnen und hinauszugehen.

      Er rief nach mir und sagte:

      "Ich verlange von Euch, den Mund zu halten, Pamela. Und geht noch nicht ins Haus, wie ich Euch befohlen habe."

      Ach, wie armselig und gemein ist ein solches Benehmen, und wie klein lässt es die besten der Edelmänner erscheinen, wenn sie Dinge tun, die ihrer unwürdig sind, und Geringeren von Stand die Gelegenheit geben, sich über sie zu erheben.

      Ich ging eine oder zwei Runden im Garten, doch in Sichtweite des Hauses, aus Furcht, es könne noch schlimmer kommen. Ich hauchte in meine Hände, um meine Augen zu trocknen, denn ich wollte nicht zu ungehorsam erscheinen. In meinem nächsten Brief werde ich Euch mehr berichten.

      Betet für mich, meine lieben Eltern, und nehmt mir nicht übel, dass ich noch nicht von diesem Haus geflohen bin, das mir bis vor kurzem Trost und Freude bereitete und nun Schrecken und Pein. Ich muss schnell abbrechen.

      Eure gehorsame und ehrbare Tochter

      Brief XII

      Liebe Mutter,

      ich möchte meine traurige Geschichte nun fortführen. Nachdem ich meine Augen getrocknet hatte, ging ich ins Haus und überlegte, was zu tun sei. Einige Male kam mir der Gedanke, das Haus zu verlassen und in die nächste Stadt zu gehen, um bei nächster Gelegenheit zu Euch zu fahren. Dann aber konnte ich mich nicht entschließen, ob ich die Sachen, die er mir gegeben hat, mit mir nehmen sollte, und wie sie zu transportieren wären. Manchmal schien es mir, als sollte ich sie zurücklassen und nur die Kleider mitnehmen, die ich am Leib trage, aber es sind zwei und eine halbe Meile bis zur Stadt, und das über eine Nebenstraße, und so schön gekleidet könnte ich in eine Gefahr geraten, die fast so schlimm wäre wie die, der ich entkommen möchte. Und dann, so dachte ich, könnte ich vielleicht in den Verdacht geraten, etwas gestohlen zu haben und deshalb davongelaufen zu sein. Mit einem schlechten Ruf zu meinen Eltern zurückzukehren, wäre in der Tat eine üble Sache! Ach, wie wünsche ich mir meinen grauen Kittel zurück und meine arme, aber ehrbare Kleidung, mit der Ihr mich ausgestattet habt (und das war schwer genug für Euch), damit ich in dieses Haus gehen konnte, als ich noch keine zwölf Jahre alt war und meine gute Herrin noch lebte! Manchmal dachte ich daran, Mrs. Jervis alles zu erzählen und mir ihren Rat zu holen. Er hat mir aber streng aufgetragen, alles geheim zu halten. Ich dachte auch, er sei von seinem Verhalten vielleicht so beschämt, dass er es nie wieder zeigen würde. Und weil die arme Mrs. Jervis durch ein unglückliches Geschick in seiner Abhängigkeit steht, wäre es schmählich, sie um meinetwegen seinem Groll auszusetzen.

      In dieser Ungewissheit, einmal nachdenkend, dann wieder weinend, und im Unklaren darüber, was zu tun sei, verbrachte ich die Stunden bis zum Abend in meinem Zimmer. Als ich mich entschuldigen ließ, weil ich nicht zum Abendessen erschien, kam Mrs. Jervis zu mir.

      "Warum muss ich ohne Euch zu Abend essen, Pamela? Kommt, ich sehe doch, dass Ihr Euch über etwas bekümmert. So sagt mir, was los ist."

      Ich bat sie, über Nacht bei ihr schlafen zu können, weil ich Furcht vor Gespenstern hätte, und die würden einem so guten Menschen, wie sie es ist, nichts antun.

      "Eine dumme Ausrede ist das", sagte sie, "denn warum habt ihr nicht schon früher Furcht vor Gespenstern gehabt?"

      (Daran hatte ich in der Tat nicht gedacht.)

      "Doch Ihr könnt gerne bei mir schlafen, was auch immer der Grund dafür ist."

      Ich bat sie, mich zu entschuldigen, da ich so sehr geweint hatte, dass die anderen Diener es bemerken würden, und sagte:

      "Ich werde Euch nichts verheimlichen, Mrs. Jervis, wenn wir alleine sind."

      In ihrer Güte gewährte sie mir den Wunsch. Sie beschloss dann, sofort zu Bett zu gehen, und sagte den Dienern, dass ich ihr Gesellschaft leiste, weil sie schlaflos sei und mich als Vorleserin brauche, um in den Schlaf zu finden. Denn sie wisse, wie sehr ich das Lesen liebe.

      Als wir allein waren, erzählte ich ihr alles Geschehene, obwohl er es mir verboten hatte. Sollte er aber davon erfahren, wäre das kein Unglück. Denn indem ich ein solches Geheimnis für mich behalte, würde ich des guten Rats verlustig gehen, den ich mehr denn je begehrte, und würde ihn denken lassen, dass ich sein Verhalten weniger missbillige, als ich sollte, und dass ich noch schlimmere Geheimnisse hüten könnte, und ihn so zu noch Schlimmerem verleiten. Ist dies recht gedacht, liebe Mutter?

      Mrs. Jervis musste auch weinen, als ich ihr unter Tränen davon erzählte und sie um Rat bat, was ich nun tun solle. Ich zeigte ihr die beiden Briefe meines Vaters. Sie lobte ihre hohe Moral und ihren Schreibstil und sprach sehr wohlwollend über Euch. Sie bat mich aber, meine Stelle nicht aufzugeben.

      "Nach aller Wahrscheinlichkeit", so sagte sie, "hat Euer tugendhaftes Verhalten ihn so beschämt, dass er Euch nie wieder etwas in dieser Art antun wird. Gleichwohl bereitet mir Eure Schönheit die meisten Sorgen. Denn auch der ehrbarste Mann in diesem Land könnte sich in Euch verlieben."

      So sprach sie zu mir in ihrer Güte. Am liebsten wäre es ihr, sagte sie, in Unabhängigkeit zu leben, dann würde sie in ein kleines Privathaus ziehen und mich dort wie eine Tochter aufnehmen.

      Und weil Ihr mich angewiesen habt, auf ihren Rat zu hören, habe ich beschlossen, darauf zu warten, wie die Dinge sich entwickeln, sofern er mich nicht wegschickt; obgleich Ihr in Eurem ersten Brief mir auftrugt, von hier fortzugehen, wenn die Lage bedrohlich erscheint. Ich hoffe also, liebe Eltern, dass es kein Ungehorsam ist, wenn ich bleibe; denn ich verdiente weder Euren Segen noch die Früchte Eurer Gebete, wenn ich ungehorsam wäre.

      Den ganzen nächsten Tag über war ich sehr traurig und setzte mich daran, meinen langen Brief zu schreiben. Er sah mich beim Schreiben und sagte (wie ich erwähnt habe) zu Mrs. Jervis:

      "Dieses Mädchen ist ständig am Kritzeln. Mir scheint, sie könnte eine bessere Beschäftigung finden."

      Oder etwas in der Art. Als ich meinen Brief beendet hatte, steckte ich ihn unter den Frisiertisch in der Kammer meiner seligen Herrin, wohin niemand kommt außer ich und Mrs. Jervis sowie mein Herr; aber als ich zurückkehrte, um ihn zu versiegeln, war er zu meinem Schrecken verschwunden; Mrs. Jervis wusste nichts darüber. Und niemand konnte mir sagen, ob mein Herr zu dieser Zeit nahe bei diesem Ort gewesen sei; und so war ich darüber sehr besorgt. Aber ebenso wie ich ist auch Mrs. Jervis der Meinung, dass er den Brief, in welcher Weise auch immer, an sich genommen hat. Er wirkt unzufrieden und ergrimmt und scheint mir aus dem Weg zu gehen, gerade so wie er es von mir sagte. Besser so als noch schlimmer!

      Allerdings hat er Mrs. Jervis aufgetragen, mich anzuweisen, nicht so viel Zeit mit dem Schreiben zu verbringen. Es wirft ein schlechtes Licht auf einen Edelmann wie ihn, dass er daran Anstoß nimmt, zumal ich ansonsten nicht müßig bin. Der Grund kann nur sein, dass er mir verübelt, was ich geschrieben habe. Und das kann nichts Gutes heißen.

      Ich bin aber um einiges ruhiger geworden, seit ich bei Mrs. Jervis schlafe, auch wenn mich die Furcht, in der ich lebe, und seine grimmige Miene und sein Ärger über das, was ich tue, ganz unglücklich machen.

      Ach, hätte ich niemals mein kleines Bett bei Euch auf dem Dachboden verlassen! Ich wäre keinen Versuchungen ausgesetzt und auch nicht dem Abscheu, den sie erwecken! Wie glücklich war ich

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