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eineinhalb Menschenlängen von ihm entfernt in den heißen schwarzen Sand, um weiter mit ihm zu reden.

      Tatsächlich, der Kater beruhigte sich etwas und witterte neugierig. Doch Alena hatte ein mulmiges Gefühl bei der Sache. Würde sie schnell genug außer Reichweite kommen können, wenn der Kater angriff?

      Aus dem Augenwinkel bemerkte Alena eine Bewegung. Langsam, um den Skorpionkater nicht zu erschrecken, wandte sie den Kopf – und sprang hastig auf. Es war sehr wohl ein Rudel in der Nähe, und Alenas Stimme hatte es aufgeweckt. Überall rieselte der Sand von grauen Körpern, die sich reckten und in ihre Richtung wandten. Es waren zehn, zwanzig, mehr als zwanzig Tiere!

      „Äh, ja, ich glaube, ich gehe jetzt lieber wieder.“ Alena machte ein paar Schritte zurück. Die Skorpionkatzen begannen sie einzukreisen, krochen mit glitzernden Augen auf sie zu.

      Alena zog ihr Schwert. Glatt lag der vertraute Griff in ihren Handflächen. Mit der blanken Klinge drehte sich Alena um sich selbst, sodass die Katzen zurückwichen. Es sind zu viele, dachte sie, selbst Pa könnte es nicht mit so vielen gleichzeitig aufnehmen. Vielleicht konnte sie eine Flammenwand um sich ziehen … aber die konnte sie höchstens ein paar Atemzüge lang halten …

      Nein, es gab nur eine Chance. Alena löste langsam den Lederbeutel mit dem Futter vom Gürtel ihrer Tunika. Sie schleuderte den Beutel weit von sich weg – und tatsächlich, die Katzen witterten, was darin war, rasten dem Beutel nach und balgte sich schrill kreischend um das Futter.

      Alena machte, dass sie wegkam. Sie nahm einen Umweg, um sicher zu sein, dass sie keinen weiteren Katzen begegnen würde, und die Nacht war schon hereingebrochen, als sie endlich wieder an den Grenzen des Dorfs und damit in Sicherheit war. Schwer atmend und erleichtert bog Alena auf den Fußpfad nach Gilmor ein.

      Weit kam sie nicht. „He, du ? Alena!“, sagte die Stimme eines Mädchens, und Alena erschrak. In der Dunkelheit neben dem Weg saß jemand! Die Stimme murmelte eine Formel und eine kleine Flamme loderte hoch. Sie beleuchtete Jelicas herzförmiges Gesicht mit dem kleinen Grübchen am Kinn. Das Licht der Flamme tanzte in ihren weit auseinander stehenden Augen und auf ihren dunklen Haaren, die ihr Gesicht wie eine Wolke umgaben.

      Angespannt blieb Alena auf dem Pfad stehen. Sie mochte Jelica, sie hatte begonnen sich mit ihr und ihrem Bruder Kilian anzufreunden. Beide gehörten so wie sie zur Feuer-Gilde. Aber ihr wäre lieber gewesen, niemand hätte sie zurückkommen sehen. Was tat Jelica hier? Um diese Uhrzeit waren die meisten Dorfbewohner daheim oder in der Schänke.

      „Ich weiß, was du gemacht hast“, sagte Jelica.

      „Ach ja?“, sagte Alena vorsichtig.

      „Du warst draußen bei den Skorpionkatzen.“

      Alena verließ den Weg und setzte sich neben Jelica in das stachelige Wüstengras. Ihr Inneres war in Aufruhr. Woher wusste Jelica das? Sah aus, als wäre sie nicht vorsichtig genug gewesen!

      Jelica lachte übermütig. „Ich beobachte dich schon seit einer Weile. Seit du aus Ekaterin zurück bist. Du machst immer gefährlichere Sachen. Erst hast du an den Phönixbäumen herumgeschnitzt, dann hast du Meisterin Kyria so lange gereizt, bis sie dich fast zum Duell gefordert hätte. Und jetzt die Katzen … was wirst du als Nächstes machen? Mit Kaltem Feuer experimentieren?“

      Alena grinste in die Dunkelheit. Alles hatte Jelica also nicht rausbekommen! Alena wusste schon seit letztem Winter, wie man mit Kaltem Feuer umging. „Ich glaube, ich muss raus aus diesem Dorf. Es macht mich noch ganz verrückt, hier festzusitzen. Eigentlich wollte ich ja gar nicht zurückkommen …“ Sie atmete tief durch. „Mein Vater geht einfach davon aus, dass ich ihm in der Schmiede helfe und sie mal übernehme, wenn ich mehr Erfahrung habe.“

      „Dann sag ihm doch, du willst das nicht.“ Jelica löschte die Flamme wieder, sodass sie im Dunkeln saßen. Jetzt war es fast schon gemütlich. Niemand würde sie hier finden. Zumindest, wenn nicht gerade jemand aus der Erd-Gilde vorbeikam – die konnten gut im Dunkeln sehen.

      „Ich weiß selbst nicht so genau, was ich will“, gestand Alena. „Ich habe das Gefühl, ich habe meine Aufgabe noch nicht gefunden. Meinen Weg.“

      „Du kannst eine Menge machen. Immerhin bist du die beste Schwertkämpferin der ganzen Gegend. Ich jedenfalls werde reisende Goldschmiedin. Erst mal für ein paar Winter. Das könnte lustig werden.“

      „Klingt gut“, sagte Alena. Das Lob machte sie verlegen. Ihr Vater Tavian – ein Meister vierten Grades, berühmter Waffenschmied und Kämpfer – hatte sie seit ihrer Kindheit unterrichtet. Jetzt, mit sechzehneinhalb Wintern, war sie sogar den meisten Erwachsenen weit überlegen.

      Alena kam nicht dazu, weiterzusprechen. Der Schein von Fackeln näherte sich aus dem Dorf, jemand kam den Weg entlang. Mehrere Menschen. Alena fragte sich, was sie um diese Zeit hier wollten. Sie schienen es eilig zu haben und redeten aufgeregt.

      „Gehen wir besser“, flüsterte Jelica, und Alena hörte, wie sie aufstand und davonschlich. Sie folgte dem Geräusch ihrer leisen Schritte, so gut es ging, und merkte, dass Jelica zu der Pyramide ihrer Eltern huschte.

      Alena zögerte. Sie verstand sich nicht sonderlich gut mit den Eltern von Kilian und Jelica. „Äh … ich glaube, ich komme lieber nicht mit.“

      „Quatsch. Hast du Angst, dass sie dich sehen? Ich schmuggle dich einfach in unsere Zimmer.“

      Jelica hielt Wort. Zehn Atemzüge später stahlen sie sich ins Zimmer ihres Bruders, einen mit Schriftrollen vollgestopften Raum, in dem es ein wenig muffig roch. Alena wurde immer ein bisschen neidisch, wenn sie sah, wie viele Bücher Kilian hatte. Sie lieh sich jede Woche ein oder zwei Rollen von ihm. Manchmal überlegte Alena, ob sie ihm verraten sollte, dass sie Gedichte schrieb. Bisher hatte sie sich nicht getraut. Ein solcher Zeitvertreib galt in der Feuer-Gilde als verdächtig und verweichlicht.

      Kilian hockte auf seiner Schlafmatte, eine vergilbte, fleckige Landkarte auf den Knien. Als sie hereinkamen, schaute er nur kurz auf und vertiefte sich dann wieder in die Karte. Abwesend zupfte er am Ärmel seiner Tunika, der ein ganzes Stück über dem Handgelenk endete. Kilian war im letzten Winter so sehr gewachsen, dass er ständig neue Sachen und an seine Körpergröße angepasste Übungsschwerter brauchte. Obwohl er vierzehn war, zwei Winter jünger als Jelica und Alena, überragte er sie schon.

      „He, wo hast du die Karte her?“ Jelica warf sich neben ihn auf die Schlafmatte und Alena setzte sich im Schneidersitz auf den Boden. „Sieht aus wie frisch ausgebuddelt.“

      „Sozusagen. Ich habe sie gestern in der Schlucht gefunden, wo Zarko immer noch Dhatla-Erschrecken spielt. Vielleicht hat ein Händler sie verloren, als sich sein Reittier eingegraben hat. Ich habe gehört, dass viele Luft-Gilden-Leute sich ihre eigenen Karten zeichnen – das hier sieht aus wie so eine.“

      Alena reckte den Hals, um einen Blick darauf zu erhaschen. Es gab nicht viele gute Karten von Daresh, sie hatte erst eine gesehen. Ja, das Ding sah wirklich aus wie selbst gezeichnet statt von einem Kartenmacher der Luft-Gilde angefertigt, außerdem war es dreckig und abgegriffen „Lass mal sehen. Ist Gilmor auch drauf?“

      „Ja.“ Kilian lachte. „Obwohl ich nicht weiß, warum sie so einen Fliegendreck wie Gilmor eingetragen haben. Schau mal, da ist Carradan. Man könnte glatt Heimweh kriegen.“

      Carradan war eine große Stadt in den Bergen des Südens; die Geschwister waren dort aufgewachsen und erst vor zwei Wintern mit ihren Eltern nach Gilmor gezogen.

      Neugierig ließ Alena den Blick über die Karte gleiten. Sie erkannte die Umrisse der vier Provinzen von Daresh – im Norden Alaak, wo vor allem Menschen der Erd-Gilde wohnten. Im Zentrum und Süden Tassos, das von der Feuer-Gilde kontrolliert wurde, im Westen Vanamee, die Heimat der Wasser-Gilde, und im Osten Nerada, die Provinz der Luft-Gilde.

      „Was ist eigentlich um die Provinzen herum?“, fragte Alena stirnrunzelnd. „Auf der Karte bleibt das alles leer, das ist doch komisch.“

      „Was soll da sein?“ Jelica blickte sie stirnrunzelnd an. „Da ist Daresh eben zu Ende.“

      „Aber es sieht so klein

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