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die Uni rief. Sie schnappte sich ihre Tasche und eilte aus dem Haus.

      Nachdem sie den Wagen auf dem Universitätsgelände abgestellt hatte, lief sie die Flure zum Hörsaal entlang und ihre gute Laune verebbte schlagartig. Florian stand mit seiner neuen Flamme in einer Nische und küsste sie zärtlich auf die Stirn.

      Julia versuchte sich nichts anmerken zu lassen, straffte die Schultern und schritt hoch erhobenen Hauptes an den Turteltauben vorbei. Es kostete sie einiges an Überwindung und am liebsten wäre sie umgekehrt, aber sie konnte nicht ewig davonlaufen. Der Ausspruch ihres Vaters, was Liebesbeziehung betraf, fiel ihr wieder ein. „Tauche deinen Füller niemals in Firmentinte.“ Tja, nun musste sie Florian ertragen, bis zum Ende ihres Studiums. Aber suchte man sich denn aus, in wen man sich verliebte?

      Frustriert fischte sie ihr Smartphone aus dem Rucksack, nahm Christians Freundschaftsanfrage an und ließ es in die Jackentasche gleiten. Basta.

      Vor dem Hörsaal wartete bereits ihre beste Freundin Emily auf sie.

      „Guten Morgen Julia, hast du gut geschlafen?“

      „Eigentlich schon. Aber kaum bin ich hier, läuft mir Florian über den Weg und reißt die alten Wunden wieder auf.“

      „Du kommst darüber hinweg, glaube es mir. Ich mochte ihn sowieso nie besonders leiden.“

      „Ich dafür umso mehr …“ Julia schniefte leise.

      „Ach was. Vergiss diesen Kerl und lass uns reingehen.“

      Die Vorlesung zog sich wie Gummi in die Länge. Von der eigenen Neugierde angestachelt, angelte Julia vorsichtig das Smartphone aus der Jacke und legte es auf ihre Knie. Mit wem Christian wohl alles befreundet war? Sein Beziehungsstatus interessierte sie besonders. Vergeben. Na ja, einen Versuch war es wert gewesen. Außerdem redete er zu viel über Gott und die Welt.

      „Fräulein Lange, könnten Sie Ihre gesamte Aufmerksamkeit wieder meinem Vortrag widmen?“

      Der grauhaarige Professor blickte streng über den Rand seiner Brille und Julia schoss die Röte ins Gesicht. Sie schaute wieder nach vorn, um den Ausführungen des Professors zu folgen, während Emily wissend grinste. Ja, das war auch so eines dieser Dinge, die sie ziemlich schlecht beherrschte. Sie konnte niemandem etwas vormachen und schon beim Abschreiben in der Grundschule hatte sie sich äußerst ungeschickt angestellt. Sie hegte sogar die heimliche Befürchtung, dass ihre zukünftigen Schüler sie mit Cleverness um Längen schlugen.

      Zurück in ihrem kleinen Reich kickte sie die Schuhe von den Füßen und warf die Tasche auf das Sofa. Lustlos schob sie eine Lasagne in den Backofen. Eigentlich sollte sie sich auf eine anstehende Klausur vorbereiten, doch schon gestern hatte sie sich kurzfristig für die Shoppingtour entschieden und das Lernen sausen lassen. Auch heute fehlte ihr die nötige Muße und sie surfte stattdessen im Internet. Irgendwann blieb sie an Christians Profil kleben und studierte, was er von sich preisgab.

      Er besaß nicht wirklich viele Freunde, im Vergleich zu ihrer ansehnlichen Sammlung. Außerdem war er nicht gerade aktiv im Social Network unterwegs und zu ihrem Leidwesen fand sie nicht heraus, mit wem er liiert war. Sie wollte ja nur einen klitzekleinen Blick auf die Dame des Hauses werfen, um ihren eigenen Voyeurismus zu befriedigen.

      Enttäuscht klappte sie den Laptop zu und zog sich die Laufschuhe über. Dick vermummt joggte sie durch die Straßen, um ihren Kopf freizubekommen. Ohne es zu bemerken, war sie in die Richtung des Bistros gelaufen, in dem sie Florian zum ersten Mal begegnet war. Sehnsüchtig starrte sie durch die Scheibe und ließ ihrem Herzschmerz freien Lauf.

      Oh nein, wie peinlich. Ihr Ex saß an einem der Tische und hielt mit seiner Neuen Händchen. Kopfschüttelnd blickte er Julia an. Wie konnte er nur! Florian hatte diesen Ort entweiht, für immer und ewig. Am meisten störte sie jedoch, dass er wahrscheinlich dachte, sie würde ihm hinterherspionieren. Wütend tippte sie sich mit dem Zeigefinger an die Stirn und trabte mit hängenden Schultern nach Hause.

      Um den restlichen Nachmittag nicht sinnlos verstreichen zu lassen, breitete sie auf dem Schreibtisch die Lehrbücher aus und versuchte mit der nötigen Konzentration den Lernprozess zu beschleunigen. Das klappte genau zwanzig Minuten, dann zeigte das Smartphone akustisch eine Nachricht an. Wie hypnotisiert las sie die Zeilen, Christian lud sie zu einem Abendessen ein.

      Obwohl, das stimmte nicht so ganz, denn er hatte eher im Alleingang beschlossen, mit ihr zu dinieren. Ort und Zeit standen bereits fest, fehlte nur noch, dass er ihr einen bestimmten Dresscode vorschrieben hätte. Sie war schon drauf und dran ihm eine Absage zu erteilen, als sie sich an die Begegnung mit Florian erinnerte.

      Schien dieses Abendessen nicht geradezu dafür geschaffen, ihrem Ex auf diese Weise unter die Nase zu reiben, dass auch sie vergeben war? Sie brauchte ja nur ein Foto von Christian und dem opulenten Mahl zu posten. Immerhin waren Florian und sie noch befreundet, zumindest in den sozialen Netzwerken.

      Ein reifer Mann interessierte sich für sie und alle Welt sollte es wissen. Und so schlecht sah Christian nun wirklich nicht aus, er war auf eine gewisse Weise durchaus vorzeigbar. Sie tippte ihm ihre Zusage und wühlte sich durch die Outfits im Kleiderschrank. In einem luftigen Sommerkleid hätte sie vielleicht mit ihren wohlgeformten Beinen punkten können, aber in Wollpullover und Jeans sah die Sache schon ganz anders aus.

      Von der Figur her war sie eher der schlanke, sportliche Typ. Noch heute kam es manchmal vor, dass sie ihren Ausweis vorzeigen musste. Kritisch beäugte sie sich im Spiegel und wünschte sich ein wenig mehr Kaminholz vor der Hütten, mit dem das Weib locken konnte. Stattdessen wirkte sie zerbrechlich, ja beinahe kindlich …

      Das warf natürlich einige Fragen auf. Warum interessierte sich Christian überhaupt für sie? Und was hielt seine Partnerin eigentlich davon, dass er sich mit anderen Frauen verabredete? Oder wollte der Chefkoch sie persönlich mit seinen Kochkünsten aufpäppeln? Vielleicht war es besser, sie zerbrach sich darüber nicht den Kopf. Hauptsache, es ergab sich eine passende Gelegenheit, um dieses Foto zu posten, und danach konnte die Welt untergehen.

      Nach einer kurzen Dusche traf Julia die letzten Vorbereitungen für ihr Date mit Christian. Sie schminkte sich viel zu selten und nervös wie sie war, zitterten ihre Hände beim Auftragen der Mascara. Anschließend musste sie sich die schwarzen Tupfen sogar von ihrer Augenbraue wischen.

      Damals, für das erste Treffen mit Florian, hatte Emily sie zurechtgemacht. Sie war das klassische Weibchen, mit Sommersprossen und Stupsnase weckte sie in jedem Mann den Beschützerinstinkt. Und mehr als einen einzigen Augenaufschlag brauchte es meist nicht, um das männliche Geschlecht davon zu überzeugen.

      Emily ging unglaublich geschickt mit den Schminkutensilien um und das Ergebnis war hinterher stets perfekt. Julia staunte immer wieder über die eigene Verwandlung. Aber dieses Mal traute sie sich nicht, die Dienste ihrer besten Freundin in Anspruch zu nehmen. Emily würde die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Erst über die Idee mit dem Foto und dann wahrscheinlich über das Alter von Christian. Mit Sicherheit war es besser, Emily nicht einzuweihen.

      Ein letztes Mal musterte sich Julia im Spiegel. Das flachsblonde Haar fiel in leichten Wellen auf ihre Schultern. Die Farbe des Shirts ließ sie ein wenig zu blass und die enge Jeans etwas zu dünn wirken. Aber mit dem Gesamtpaket konnte sie sich arrangieren. Sie zwängte sich in die dicke Winterjacke, griff nach dem Autoschlüssel und lief nach unten.

      Kalte Winterluft strömte ihr entgegen, als sie die Haustür öffnete. War es wirklich die richtige Entscheidung, sich mit Christian zu treffen? Sie spürte förmlich, wie es sie zurück in ihre gemütlichen vier Wände zog. Die Kälte und die Dunkelheit wirkten wenig einladend.

      Dann dachte sie an die händchenhaltende Szene im Bistro, verfluchte Florian und stieg in den Wagen. Ihre eiskalten Hände umklammerten das Lenkrad, während die Heizung auf Hochtouren lief. In Sekundenschnelle beschlugen die Scheiben von innen. Julia zockelte im Schneckentempo durch den Feierabendverkehr, während sich ihre Laune im Tiefflug befand.

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