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Gründer. Mir ist das Hemd näher als der Rock. Wir müssen uns aus der Schusslinie bringen.“

      „Du hast Recht. Die Kredite ohne bankübliche Sicherheiten müssen aus dem Bestand fliegen. Wieviel Zeit bleibt uns?“

      Morretti antwortete: „Bis Ende des Jahres.“

      „Also 9 Monate. Hast du schon einen Plan?“

      Morretti antwortete: „Wir Banker beherrschen die Kombination von betriebswirtschaftlicher Phantasie mit dem juristisch Machbaren.“

      Dr. Beuter konterte: „Ja, so gut, dass ihr jetzt Pleite seit. Ohne uns, den öffentlichen Sektor, gäbe es euch gar nicht mehr.“

      „Wir müssen da zusammen raus. Es sind nur noch neun Monate“ sagte Morretti einlenkend. „Dazu brauchen wir aber den Wanne.“

      „Noch ein Mitwisser. Können wir ihm vertrauen?“ fragte Dr. Beuter.

      „Ich will ihn als meinen Nachfolger vorschlagen. Er ist ehrgeizig und nicht zu intelligent.“

      „Der Wanne, dein Nachfolger?“ fragte Dr. Beuter zweifelnd.

      „Er wird platzen vor Stolz. Nachdem er seinen Aufstieg mit Familie und Freunden gefeiert hat, werden wir ihm gemeinsam die Kröte verabreichen. Er wird sie schlucken, am Donnerstag um 11 in meinem Büro. Einverstanden?“

      „Gut, am nächsten Donnerstag um 11 in deinem Büro.“

      Als Dr. Beuter zu verabredeter Zeit das Büro von Morretti betrat, begrüßte er auch einen glücklichen und stolzen Stefan Wanne. Morretti eröffnete das Meeting mit den Worten: „Es gibt Neuigkeiten. Unschöne Neuigkeiten. Ab nächsten Januar werden alle Kreditanträge über eine Million Euro in der Zentrale bearbeitet. Auch die bestehenden Kredite über eine Million wandern nach Frankfurt.“

      Als Morretti seine Worte wirken ließ, hörte man im Raum die Klimaanlage.

      „Dann ist Mirko Graf für diese Kredite zuständig. Und fällt ihm nur ein fauler Kredit in die Hände, sind wir alle, alle wie wir hier sitzen, geliefert.“

      Dr. Beuter sagte sichtlich betroffen: „Roman, jetzt könnte ich einen vertragen.“

      Morretti sah Wanne an, nickte in Richtung Sideboard, und fragte: „Wie viele kritische Bürgschaften laufen derzeit bei dir?“

      Während Wanne die Drinks für den Gast und seinen Chef machte, tippte Dr. Beuter auf seinem iPad herum und antwortete nach einer Weile: „Bei 32 Darlehensnehmern fehlen bankübliche Sicherheiten. Denen habe ich 80 Millionen an Bürgschaften zugesagt.“

      Morretti trank einen Schluck, sah zur Decke und sagte betont ruhig: „Bis zum Jahresende müssen diese Kredite aus den Büchern sein. Entweder die Kunden können die fehlenden Sicherheiten nachliefern, was bei der geprüften Qualität der Geschäftsmodelle inzwischen möglich sein müsste….“

      Wanne unterbrach: „Und wenn unsere Kunden keine Sicherheiten haben oder nicht nachträglich liefern wollen?“

      Morretti antwortete: „…oder wir kündigen die Kredite und stellen sie sofort fällig. Basta. Auch das bereinigt unseren Bestand.“

      Dr. Beuter bemerkte nickend: „Es liegt eindeutig höhere Gewalt vor. Für Ethik ist da überhaupt kein Platz.“

      Morretti bestätigte: „Ja, die Entscheidung des Vorstandes ist höhere Gewalt. Aber die Allgemeinen Geschäftsbedingungen geben uns alle Möglichkeiten zur rechtmäßigen Sanierung.“

      An Dr. Beuter gewandt sagte er: „Du musst bei jedem dieser Kunden die Bürgschaftssumme reduzieren. Das verschlechtert ihre Kreditsicherheit, was uns gemäß AGB berechtigt, vom Kunden eine Sicherheitenverstärkung zu verlangen – eine Hypothek auf das Privathaus, Verpfändung der Umsätze oder sowas. Stellt sich der Kunde quer, wird gekündigt und fällig gestellt gemäß Punkt 19 unserer AGB.“

      Dr. Beuter entgegnete: „Die Bürgschaftsreduktion bekommt ihr. Voraussetzung ist eine vernünftige Begründung, die ihr mir schriftlich liefert. Verfehlung des Geschäftsplanes oder außerplanmäßiger Betriebsmittelbedarf, sowas in der Richtung. Die Herren Unternehmensgründer neigen ja manchmal zu teuren Autos und sonstigen Statussymbolen, schon bevor der Laden brummt. Ihr bekommt dann von mir umgehend die Bürgschaftsreduktionen, versprochen.“

      Morretti richtete sich an Wanne: „Bis wann bekommst du das hin?“

      Wanne schluckte und sagte stockend: „Können wir das einfach so machen? Ich meine, äh, wenn sich ein Kunde in Frankfurt oder bei der Bankenaufsicht beschwert?“

      Morretti beugte sich vor und berührte seinen Unterarm: „Willst du Filialleiter werden, wenn ich in New York bin - oder weiter Briefe an brave Sparer unterschreiben?“

      Wanne antwortete: „Ich denke nur an Mirko Graf. Der will uns doch Ärger machen.“

      Morretti machte eine abfällige Handbewegung und sagte spöttisch: „Ja, das würde er gern, aber das wird er nicht können, wenn du tust was notwendig ist. Das Risiko tragen zudem wir, Dr. Beuter und ich. Aber auch du als künftiger Chef musst jetzt schon mal über deinen Schatten springen.“

      Morretti stand auf, nahm die zwei leeren Gläser vom Tisch, holte einen Single Malt 40 aus den Tiefen seines Sideboards und füllte drei Gläser mit dem kostbaren Tropfen.

      Auf dem Weg zurück zum Konferenztisch sagte er: „Wanne, wir sind Banker und Risiko ist unser Geschäft. Das wissen wir doch, oder?“

      Dann stellte er die Gläser auf den Tisch und sagte: „Wir in unserem Haus ziehen das im kleinsten Kreis durch. Nur du und ich wissen davon und unterschreiben die Briefe an Dr. Beuter mit der Begründung einer Bürgschaftsreduktion und“, nach einer Kunstpause: „auch die Briefe an die Kunden mit der Forderung nach Erhöhung der Kreditsicherheit oder, wenn nötig, der Kreditkündigung und Fälligstellung. Dann sind die Kredite raus aus unserem Bestand und die in Hamburg bei der Intensive Care können sich mit denen rumärgern.“

      Dr. Beuter pflichtete Morretti bei: „Ich werde die Bürgschaftsreduktionen nur mit meiner Perle, Frau Lorensen, unterschreiben. Sie freut sich auf die nahe und fette Betriebsrente. Noch ein Jahr, dann ist es soweit. Sie wird ihren Mund halten.“

      Morretti sah Wanne tief in die Augen und sagte: „Na, ist dir das sicher genug?“

      Stefan Wanne drückte sein Kreuz durch und sprach nun ohne Mainzer Dialekt: „Ok, dann machen wir das so. Sie haben doch immer die besten Ideen, Chef.“

      Morretti nickte zufrieden, hob sein Glas und sagte: „Das kriegen wir schon hin. Wäre doch gelacht. Zum Wohl, meine Herren.“

      „Zum Wohl“ sagten Dr. Beuter und Wanne

      Beim Hinausgehen sagte Dr. Beuter: „Im Ministerium, werde ich mich zuerst um eine Änderung der Bürgschaftsrichtlinien kümmern. Dieser Passus mit den banküblichen Sicherheiten bei innovativen Gründern ist doch total überholt. Das hat die Lobby der Venture-Capital-Gesellschaften durchgedrückt. Das werde ich reparieren, glaubt mir.“

       Der letzte Brand

      Der alte Baum ächzte unter den Quitten, die im Licht der tiefstehenden Sonne signalgelb aus seinem archaischen Geäst leuchteten. Tom fand braune Stellen und beschloss, sie morgen zu ernten. Auf der Terrasse nahm er einen Schluck vom Brand des letzten Jahres. Er genoss sein mildes Aroma am Gaumen, spürte ihn heiß den Rachen hinab rinnen und als angenehme Wärme in seinem Magen. In den Sonnenstrahlen, die vereinzelt durch die mit Weinreben bewachsene Pergola brachen, beobachtete er den Reigen tanzender Fliegen und genoss die Entspannung, die der Wärme folgte.

      Morgen würde er den öligen Flaum auf der Quittenhaut mit einem weichen Tuch entfernen und danach mit dem Häcksler aus den harten Früchten diese einzigartig riechende Maische machen. Hefezusatz für das Gären war nach dem langen, warmen Sommer nicht nötig. Schon im Frühjahr hatte Tom für sein Destilliergerät einen Kolonnenaufsatz

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