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westlichen Lebensstil imitierten. Hoch oben im Norden war die Luft sehr gut, man befand sich dort an den Hängen des Elbrus-Gebirges, der Süden erstickte fast im Abgasqualm der Millionen Autos. Teheran lag im Schnitt auf 1200 m Höhe.

      Der Süden grenzte an die Salzwüste Dascht-e Kavir. Man sah von Teheran aus die schneebedeckten Gipfel des Elbrus, sechsundsechzig Kilometer nördlich lag der 5671 m hohe Damavand, der 3975 m hohe Towchal grenzte an das Stadtgebiet und konnte mit der Seilbahn erreicht werden. Teheran hatte schon mehrere schwere Erdbeben erlebt, das letzte lag allerdings hundertfünfzig Jahre zurück, es kostete 45000 Menschen das Leben. Die Seismologen rechneten deshalb in der nächsten Zeit wieder mit einem schweren Beben. Bei Teheran stießen die Indisch-Australische und die Arabische Kontinentalplatte auf die Eurasische Platte. Es herrschte in Teheran Kontinentalklima, der Norden war kühler als der Süden, der am Rand der zentraliranischen Wüstenregion lag. Die Sommer waren trocken und heiß, die Winter kühl und nass. Der Süden war im Schnitt fünf Grad wärmer als der Norden. Die Flüsse Karadsch im Westen und Djadjrud im Osten versorgten die Stadt mit Wasser.

      Teheran hatte eine geschätzte Bevölkerungszahl von vierzehn Millionen Einwohnern. Die Hauptstadt des Iran war jung, siebzig Prozent der Einwohner waren unter dreißig Jahre alt. Vom Bahnhof aus führte eine wichtige Straße nach Norden, die Valiasr-Straße, die unter Reza Schah Pahlavi gebaut worden war und ursprünglich Pahlavi-Straße hieß. Nach der Revolution von 1979 erhielt sie zunächst den Namen Mossadegh-Straße und später den bestehenden Namen. Valiasr bedeutete: Prinzip der Zeit.

      Jean-Jacques, Pierre, Steve und ich liefen die Valiasr-Straße hoch und schauten uns die sich bietenden Blickfänge an, Cafes, Boutiquen, Kinos, Parks, Geschäfte. Auffällig war sofort der höllische Verkehrslärm in der Straße. In Teheran fuhr ungefähr ein Drittel aller 7.5 Millionen Autos des Iran, wovon etwa vierzig Prozent zwanzig Jahre und älter waren und deshalb keine modernen Abgasfilter hatten. Das erklärte den Smog, der permanent im Süden der Stadt herrschte. Der wegen seiner sehr guten Luft begehrteste Stadtteil Teherans war Tajrish im Norden. Das war das älteste Stadtviertel Teherans und besaß einen großen Basar. Wir kamen an einer Tourist Information vorbei und fragten nach einem billigen Hotel. Die Dame bedauerte, uns kein billiges Hotel anbieten zu können, es gäbe ein Hotel für uns in Tajrish, das Zimmer für fünfzig Euro die Nacht. Wir schluckten alle, als wir den Zimmerpreis vernahmen, aber was sollten wir machen? Wir konnten uns schlecht im Schlafsack in den Park legen, dazu fehlte uns der Mut und das wäre auch zu gefährlich gewesen. Hätte uns die Polizei erwischt, wären wir ins Gefängnis gekommen und dort gegrillt worden, bis sich jemand unserer erbarmt hätte.

      Also ließen wir die Dame vom Reisebüro im Hotel anrufen und Zimmer für uns reservieren. Wir bedankten uns und fuhren dann mit der U-Bahn hoch bis zur Endstation Mirdamad. Von dort fuhren wir mit einem Taxi bis zum „Hotel Azadi“. An der Rezeption tat man sich schwer, sich mit uns zu verständigen, es fand sich dann aber jemand, der Englisch sprach. Man musterte uns von oben bis unten, gab uns dann aber unsere Zimmer. Das Hotel war sehr komfortabel, was bei dem Preis auch zu erwarten gewesen gewesen war. Wir wollten uns eine Stunde ausruhen und uns dann in der Halle wiedertreffen. Ich ging duschen und legte mich anschließend auf mein Bett. Ich träumte kurz von Ayse, vielleicht würde ich ihr an jenem Tag eine Karte aus Teheran schreiben. Es war inzwischen früher Nachmittag geworden und wir wollten mit der U-Bahn wieder ins Zentrum zurück. Der Große Basar in Teheran war der größte Basar der Welt. Den wollten wir zumindest einmal gesehen haben.

      Wir nahmen also wieder die U-Bahn zurück und liefen ein Stück Richtung Osten bis zum Basar. Mir fiel auf, dass der größte Teil der Basarbesucher junge Leute waren, die sich gaben wie wir, gute Kleidung, gegelte Haare, Handy. Aber es gab auch die Basiji, das war eine Art paramilitärische Miliz, deren Aufgabe es war, auf Einhaltung von Sitten und Gebräuchen zu achten. Das waren junge Männer mit Flaumbärten, Palästinensertüchern und Cargohosen, die Frauen zur Rede stellten, wenn sie zu bunte Kopftücher trugen oder zu viel Bein zeigten. Die Jugend machte sich über sie lustig, trieb es damit aber nicht zu toll. Die Gefahr, verhaftet zu werden, bestand immer. Diese Basiji durchstreiften den Basar, immer auf der Suche nach Sittenverstößen, wenn sich ein junges Paar zum Beispiel küsste oder auch nur berührte. Jungen und Mädchen flirteten im Auto oder in der Waschstraße. Man fuhr auf den großen Avenuen parallel und flirtete bei geöffneten Wagenfenstern. Die Situation war ein wenig beängstigend, so richtig ernst schien sie aber niemand zu nehmen. Wir kamen zu den Gewürzhändlern, die ihre Gewürze in offenen Säcken anpriesen, wobei die Farben der Gewürze ins Auge stachen. Ganze Basarstraßen zogen sich die Reihen der Gewürzsäcke lang, der Basar war riesig. Dann waren wir mit einem Mal im Teppichviertel gelandet, die Verkäufer bemühten sich aber nicht, uns einen Teppich aufzuschwatzen, sie sahen uns an, dass wir keinen kaufen würden. An einer großen Kreuzung der Basarstraßen gab es ein Cafe, das von Jugendlichen bevölkert wurde. Wir setzten uns an einen Tisch, an dem noch vier Stühle frei waren. Jean-Jacques, Pierre und Steve steckten sich Zigaretten an, wir bestellten uns jeder einen Espresso.

      Sofort wurden wir angesprochen, woher wir kämen, wir antworteten aus Frankreich, England und Deutschland. Die jungen Leute waren in etwa so alt wie wir. Wo wir in Teheran wohnten, wir sagten im „Azadi Hotel“.

      Das wäre aber teuer, ob wir nicht etwas Billigeres haben wollten, natürlich wollten wir. Wir unterhielten uns auf Englisch, das die jungen Leute gebrochen, aber gut verständlich sprachen, alte Teheraner sprachen nur Farsi. Wir wollten wissen, was mit den Basiji los wäre, ob man sich vor ihnen fürchten müsste. Wir brauchten keine Angst zu haben, sagten die jungen Leute, so lange wir bei ihnen wären, würde uns nichts passieren. Fast alle waren Studenten, sie hätten Ferien, weshalb viele nach Hause gefahren wären, sie könnten uns deshalb für wenig Geld im Wohnheim unterbringen, da gäbe es genügend freie Betten. Wir sagten, dass wir schon eine Nacht im „Azadi“ gebucht hätten, am nächste Tag würden wir aber gerne zum Wohnheim kommen. Wir unterhielten uns ausgiebig mit unseren neuen Freunden, meine drei Bekannten aus dem Zug sagten, dass sie über Pakistan nach Indien wollten, ich sagte, dass ich die Seidenstraße entlang pilgern wollte. Damit zog ich die Blicke aller Anwesenden auf mich. Warum ich eine so anstrengende Reise machen wollte. Ich antwortete, dass ich versuchen wollte, zu mir selbst zu finden, sie verstanden, was ich meinte und nickten mit den Köpfen.

      Wir sahen am Nebentisch jemanden essen und fragten, wo man etwas zu essen bekäme. Was wir denn essen wollten und wir sagten, dass wir Reis, Fleisch und Gemüse haben wollten, genau das gleiche, das am Nebentisch gegessen würde. Dann ging jemand ins Cafe und bestellte unser Essen. Wir saßen bis zum frühen Abend in dem Cafe, an der Kreuzung war eine Menge los, die Menschen eilten vorbei und trugen ihre Neuerwerbungen nach Hause, es wurden viele Teppiche vorbei geschleppt. Später bestellten alle Falude, ein beliebtes persisches Eis in Form von Nudeln mit Zitronenaroma. Was wir denn am Abend machen wollten, wurden wir gefragt. Das wüssten wir noch nicht, sagten wir. Wenn wir Lust hätten, könnten wir doch zu einer Party kommen, die jemand zu seinem zwanzigsten Geburtstag im Wohnheim gäbe. Wir nahmen die Einladung dankend an. Bei uns saßen auch einige Mädchen, die sich die ganze Zeit zurückgehalten hatten. Sie trugen Kopftücher und einen Mantel, einen schlichten knielangen Mantel. Sie kicherten untereinander, beteiligten sich aber nicht an unseren Gesprächen.

      Wir verabschiedeten uns bis zum Abend, ließen uns die Adresse vom Wohnheim geben, wo die Party gefeiert werden sollte und verschwanden. Nette Leute, dachten wir und liefen zur Valiasr-Straße zurück. Es hatte angefangen zu nieseln und um nicht allzu nass zu werden, fuhren wir wieder hoch zum Hotel und legten uns eine Stunde hin. Jean-Jacques, Pierre und Steve waren in Ordnung, ich hatte schon Adressen mit ihnen getauscht, die beiden Franzosen kamen aus Aix-en-Provence, Steve kam aus Brighton, wir wollten uns alle zu Hause treffen, auch bei mir in Essen. Ich musste merkwürdigerweise an Frau Aldenhoven denken, was sie wohl zu Teheran gesagt hätte?

      Um 19.30 h trafen wir uns wieder in der Halle und wollten dann zur Party fahren. Wir nahmen wieder die U-Bahn in die Stadt und liefen dann noch ungefähr dreißig Minuten bis zum Wohnheim. Der Junge, mit dem wir im Basar am meisten geredet hatten, hatte uns einen Zettel mit der Adresse geschrieben, sein Name war Arvid. Die Namen der anderen mussten wir noch in Erfahrung bringen. Als wir an dem Wohnheim ankamen, war fast alles ganz dunkel. Wir fanden aber hinein und mussten nur der Musik folgen. Dann kamen wir in einen großen Partyraum, es waren bestimmt dreißig Personen

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