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Die schönsten Weihnachtsgeschichten I. Charles Dickens
Читать онлайн.Название Die schönsten Weihnachtsgeschichten I
Год выпуска 0
isbn 9783753127859
Автор произведения Charles Dickens
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Dann sagte er mit einem schnellen Wechsel der Gefühle, der seinem sonstigen Charakter sehr fremd war: »Der arme Knabe!« und er weinte von neuem.
»Ich wollte«, murmelte Scrooge, die Hand in die Tasche steckend und um sich blickend, nachdem er sich mit dem Rockaufschlag die Augen gerieben hatte, »aber es ist zu spät jetzt.«
»Was willst du?« fragte der Geist.
»Nichts«, sagte Scrooge, »nichts. Gestern Abend sang vor meiner Tür ein Knabe ein Weihnachtslied. Ich wünschte, ich hätte ihm etwas gegeben; das ist alles.«
Der Geist lächelte bedächtig, winkte mit der Hand und sagte dann: »Laß uns ein anderes Weihnachten sehen.«
Scrooges früheres Selbst wuchs bei diesen Worten, und das Zimmer wurde etwas dunkler und verschmutzter. Die Täfelung warf sich, die Fensterscheiben sprangen; Stücke Kalkbewurf fielen von der Decke und das nackte Bretterwerk zeigte sich; aber wie das alles geschah, wußte Scrooge ebensowenig wie ihr. Er wußte nur, alles erfolge ganz gehörig, er sei es wieder, der dort allein sitze, während die anderen Knaben nach Hause gereist waren zur fröhlichen Weihnachtsfeier.
Er las nicht, sondern ging in Verzweiflung und Düsternis im Zimmer auf und ab. Scrooge blickte den Geist an und schaute mit einem traurigen Kopfschütteln ängstlich nach der Tür.
Sie ging auf, und ein kleines Mädchen, viel jünger als der Knabe, sprang herein, schlang die Arme um seinen Nacken, küßte ihn und begrüßte ihn als ihren »lieben, lieben Bruder.«
»Ich komme, um dich nach Hause zu holen, lieber Bruder!« sagte das Kind, fröhlich in die Hände klatschend. »Dich nach Hause zu holen, nach Hause!«
»Nach Hause, liebe Fanny?« fragte der Knabe.
»Gewiß!« antwortete die Kleine, in überströmender Fröhlichkeit. »Nach Hause und für immer. Der Vater ist soviel freundlicher als sonst, daß es bei uns wie im Himmel zugeht. Er sprach eines Abends, als ich zu Bett ging, so freundlich mit mir, daß ich mir den Mut nahm und ihn noch einmal fragte, ob du nicht nach Hause kommen dürftest. Er sagte ja und sendet mich im Wagen her, um dich zu holen. Und du sollst jetzt dein eigner Herr sein«, sagte das Kind, und blickte ihn bewundernd an, »und nicht mehr hierher zurückreisen. Aber erst sollen wir alle zusammen das Weihnachtsfest feiern und die fröhlichste Feier in der ganzen Welt haben.«
»Du bist ja eine richtige Dame geworden, kleine Fanny!« rief der Knabe aus.
Sie klatschte in die Hände, lachte und versuchte, bis an seinen Kopf zu reichen; aber da sie zu klein war, lachte sie wieder und stellte sich auf die Zehen, um ihn zu umarmen. Dann zog sie ihn in kindlicher Ungeduld nach der Tür, und er begleitete sie mit leichtem Herzen.
Eine schreckliche Stimme in dem Hausflur rief: »Bringt Master Scrooges Koffer herunter!« Und in dem Hausflur erschien der Schullehrer selbst, der Master Scrooge mit erschreckender Herablassung musterte und ihn in große Angst versetzte, als er ihm die Hand drückte. Dann geleitete er ihn und seine Schwester in das Innere eines unfreundlichen, feuchtkalten Sprechzimmers, wo die Landkarten an den Wänden und in den Fenstern vor Kälte glänzten. Hier brachte er einen Krug merkwürdig leichten Wein und ein Stück merkwürdig schweren Kuchen herbei und bewirtete das Jungvolk schonend sparsam mit diesen auserlesenen Leckerbissen. Zugleich schickte er eine hungrig aussehende Magd hinaus, um dem Post-Boy ein Schlückchen anzubieten, wofür dieser aber mit der Bemerkung dankte, wenn es von demselben Faß wie das vorige sei, möchte er lieber nicht davon probieren. Während dieser Zeit war Master Scrooges Koffer auf dem Wagen befestigt worden, und die Kinder nahmen ohne Bedauern von dem Schulmeister Abschied, setzten sich in die Kutsche und fuhren so schnell zum Garten hinaus, daß der Reif und der Schnee von den dunklen Blättern des Immergrüns wie Puder stoben.
»Sie war immer ein zartes Wesen, das ein Hauch hätte vernichten können«, sagte der Geist. »Aber sie hatte ein liebreiches Herz.«
»Ja, das hatte sie«, rief Scrooge. »Ich will nicht widersprechen, Geist. Gott behüte! nein.«
»Sie starb verheiratet«, sagte der Geist, »und hatte Kinder, glaube ich.«
»Eines nur«, antwortete Scrooge.
»Ja«, sagte der Geist. »Dein Neffe.«
Scrooge schien unruhig in seinem Gemüt zu werden und er antwortete kurz: »Ja«.
Obgleich sie die Schule nur einen Augenblick hinter sich gelassen hatten, befanden sie sich doch jetzt mitten in den lebendigsten Straßen der Stadt, wo schattenhafte Fußgänger hin und her eilten, wo gespenstische Wagen und Kutschen um den Weg kämpften, und wo alles Gedränge und aller Lärm einer wirklichen Stadt war. An dem Schmuck der Läden erkannte man deutlich, daß auch hier Weihnachten sei; aber es war Abend, und die Straßenlaternen waren angezündet.
Der Geist blieb vor einer Geschäftstür stehen und fragte Scrooge, ob er sie kenne.
»Ob ich sie kenne?« meinte Scrooge. »Habe ich hier nicht gelernt?«
Sie gingen hinein. Beim Anblick eines alten Herrn mit einer französischen Perücke, der hinter einem so hochragendem Pulte saß, daß er mit dem Kopfe hätte an die Decke stoßen müssen, wenn er zwei Zoll größer gewesen wäre, rief Scrooge in großer Munterkeit: »Ach, das ist ja der alte Fezziwig; bei Gott, es ist Fezziwig, wie er leibt und lebt!«
Der alte Fezziwig legte seine Feder hin und sah nach der Uhr, deren Zeiger auf Sieben wies. Er rieb die Hände, zog seine umfangreiche Weste in Ordnung, lachte über und über, von den Fußspitzen zur wohlwollend klingenden Kehle, und rief mit einer komfortablen, voll und doch mild tönenden, heiteren Stimme: »Heissa dort! Ebenezer! Dick!«
Scrooges früheres Selbst, jetzt zu einem Jüngling geworden, trat dienstbeflissen herein, begleitet von seinem Mitlehrling.
»Dick Wilkins, wahrhaftig!« sagte Scrooge zu dem Geist. »Wahrhaftig, er ist es. Er war mir sehr verbunden, der Dick. Der arme Dick! Gott, Gott!«
»Heissa, Burschen«, sagte Fezziwig. »Feierabend heute. Weihnachten, Dick! Weihnachten Ebenezer! Schluß machen«, rief der alte Fezziwig, munter die Hände zusammenklatschend, »ehe einer sagen kann: Jack Robinson.«
Schluß machen! Man hätte nicht glauben sollen, wie frisch die beiden Jungen Schluß machten. In einer Minute war's geschehen. Sie liefen mit den Fensterladen hinaus – eins, zwei drei – hatten sie sie eingehängt – vier, fünf, sechs – sie zugezogen und verriegelt – sieben, acht, neun – und kamen zurück, ehe man bis zwölf zählen konnte, außer Atem, wie Rennpferde.
»Heissa hallo!« rief der alte Fezziwig, mit wunderbarer Behendigkeit von seinem hohen Sessel herunterspringend, »räumt die Bude leer, Jungens, und schafft Platz! Hussaho, Dick! Hallo Ebenezer!«
Aufräumen! Sie würden alles weggeräumt haben und konnten alles wegräumen, während Fezziwig zuschaute. Im Handumdrehen war's getan. Alles was nicht niet- und nagelfest war, wurde in die Ecke geschoben, als wenn es für immer aus dem offiziellen Dasein verabschiedet sei; der Flur wurde gefegt und gesprengt, die Lampen geputzt, Kohlen auf das Feuer geschüttet! und der Geschäftsraum war so behaglich und warm und hell, wie ein Ballsaal, wie man ihn sich nur an einem Winterabend wünschen kann.
Jetzt trat ein Geiger mit einem Notenbuch herein und erkletterte Fezziwigs hohen Stuhl, um dort sein Orchester aufzuschlagen, und fiedelte dort für fünfzig. Dann trat Mrs. Fezziwig ein. Dann kamen die drei Misses Fezziwig, freudeglänzend und liebenswürdig. Dann nahten sich die sechs Jünglinge, deren Herzen sie knickten. Dann kamen die Burschen und Mädchen, die im Hause beschäftigt waren. Das Hausmädchen mit ihrem Vetter, dem Bäcker, die Köchin mit ihres Bruders vertrautem Freunde, dem Milchmann. Dann kam der Laufbursche von gegenüber, von dem man sagte, er habe bei seinem Herrn knappe Kost. Er versuchte, sich hinter dem Mädchen aus dem Nachbarhause zu verstecken, der man bewies, sie sei von ihrer Herrschaft ausgescholten worden. Sie kamen alle, einer nach dem andern; einige verlegen, andere keck, einige