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haben - 's ist gar nicht so weit von hier, und wenn wir der Schneuße folgen, kommen wir ganz in die Nähe."

      Damit rückte er sich seine Büchse wieder auf die Schulter und schritt langsam voran, Bernhard folgte ihm, und Beide gingen die ganze Strecke lang schweigend neben einander hin; nur unterwegs brach sich der Förster ebenfalls einen Bruch ab und steckte ihn sich, alter Sitte folgend, auf den Hut - war doch ein jagdbarer Hirsch erlegt, und dabei durfte keine althergebrachte Form versäumt werden.

      So erreichten sie nach einer Weile das bestimmte Rendezvous, eine kleine offene Waldblöße, an deren Rand ein Bürsch-Haus gebaut war, um den Kreisern, wenn sie hier in der Nähe Dienst hatten, ein Obdach zu bieten. Der Förster trug allerdings den Schlüssel dazu in der Tasche, aber bei dem prachtvollen Wetter dachten die beiden Jäger nicht daran, sich in das dumpfige Haus zu setzen, und Buschmann, mit seinem Hirschfänger einen Zweig von einem dort stehenden breitästigen Weißdorn schlagend, hing seine Büchse an den Zacken und warf sich dann auf das Moos im Schatten des Baumes nieder, welchem Beispiel sein junger Forstgehülfe folgte.

      „Wenn wir jetzt eine Flasche Bier hätten," sagte dieser, /96/ indem er sich, in Ermangelung eines andern Labsals, wenigstens seine kurze Pfeife stopfte und in Brand setzte - „das müßte jetzt schmecken."

      „Die Kreiser bringen ein paar Flaschen mit," nickte der Förster, „denn ich wußte ja nicht, was wir noch für Arbeit mit dem Hirsch bekamen."

      „Das ist gescheidt - und die müssen bald kommen."

      „Etwa in einer halben Stunde spätestens," sagte der Förster und qualmte stärker - „aber - was ich gleich sagen wollte, Raischbach - Sie - Sie meinten vorher da drüben am Bau - am Fuchsbau meine ich - an der wunderlichen Stelle, die rings von steilen Sandsteinfelsen wie eingedämmt ist, daß sie fast so aussähe, als ob der Platz eingesunken wäre."

      „Ja wohl, Herr Förster, es hat merkwürdige Aehnlichkeit, und drin im Tyrol müßt' ich genau so eine Stelle, wo sich auch die Leute erzählen, daß dort vor uralten Zeiten eine Alm gestanden hätte - und jetzt ist's ein See, kein Mensch weiß wie tief."

      „Es kommt Alles vor in der Welt, Raischbach," nickte der Alte still vor sich hin - „Alles - wir sehen‘s nur manchmal nicht, oder wollen's eben nicht sehen."

      „Und hat der Platz irgend eine Bedeutung?"

      „Dort an Ort und Stelle," sagte der alte Mann, „mochte ich Ihnen nicht gern Red' und Antwort stehen; man spricht nicht gern davon, wo die Worte bis hinunter in den Grund schallen können, und wenn Sie die Kreiser frügen, würde Ihnen wohl keiner Auskunft geben; aber das ist Thorheit, denn einem frommen Christen kann der Spuk nichts anhaben."

      „Aber welcher Spuk, Herr Förster?"

      „Der im Bau drunten."

      „Im Fuchsbau? Also ist es wirklich ein eingesunkener Platz?"

      „Das sieht ein Kind ein," nickte der alte Forstmann, der hier wieder vollständig auf seinem Steckenpferd saß. „Da hat vor alten Zeiten eine große und reiche Stadt gestanden, mit einem Kirchthurm, dessen Kuppel sie so dick vergoldet hatten, daß man Abends bei Sonnenuntergang das Blitzen bis drüben in die fernen Berge sehen konnte. - Aber auf einmal war's /97/ aus - was sie getrieben, der Herr nur weiß es, aber übermüthig sind die Leute jedenfalls geworden, und eines Tages, als Jemand vom nächsten Dorf hinein zur Ortsbehörde wollte, trifft er an der Stelle, wo sonst die stolze Stadt gelegen, einen See mitten im Wald an. Erst glaubte er auch, er hätte den Weg verfehlt, und versucht's dann mit einem andern, aber es war dasselbe. Alle die breiten Fahrwege, die sonst hinein in den Ort führten, liefen jetzt bis an den Rand der blanken Steinwand und g'rad in's Wasser hinein, und der See muß lange an der Stelle gestanden haben, denn mein Großvater wollte sich noch erinnern, ihn gesehen zu haben. Seichter war er aber mit den Jahren geworden, zuletzt sickerte er ganz weg, und heutzutage ist nur noch der moorige Grund geblieben, den aber kein Mensch, nicht einmal ein Stück Wild betritt. - Nur die Füchse hausen da drin und finden da allerdings gar vortrefflichen Schutz."

      „Aber haben Sie mir nicht selber gesagt, Sie hätten schon einen Hund da drin verloren?"

      „Allerdings - aber der Hund ist allein hineingelaufen, ich selber war nie drin und hab' auch nie nachgeschaut, wo er geblieben sein kann. Jedenfalls ist er in eine der Spalten gestürzt. Was hat der Jäger auch dort unten zu suchen? Wild steht dort nicht - und sei's nur aus dem Grunde, daß sie nirgends wieder auskönnen, wenn ihnen der einzige hineinführende Wechsel verstellt wird. Das ganze Terrain ist wie eine große Art Falle, und vor solchen Plätzen scheuen sie sich; außerdem mag aber auch die Aesung auf dem feuchten Boden sauer schmecken, denn von oben hinab sieht man eigentlich nichts als Haidekraut und eine Art schilfiges Gras und Schachtelhalm."

      „Aber was für ein Spuk war der, Förster, von dem Sie sprachen?" sagte der junge Mann, durch das Alles neugierig gemacht - „der Spuk, der einem frommen Christen nichts anhaben könne?"

      „Hm," brummte der Alte, doch nicht ganz sicher, wie seine Erzählung aufgenommen werden könne. „In neuerer Zeit hat man lange nichts mehr davon gehört -"

      „Aber in früheren Jahren?" /98/

      „Da soll das alte Nest da drin ein Hauptplatz für derlei gewesen sein," nickte der Alte; „man darf freilich nicht Alles glauben, was die Leute erzählen," setzte er gewissermaßen entschuldigend hinzu, „aber wenn nur die Hälfte von dem wahr wäre, reichte es aus. Daß der wilde Jäger hier im Spessart seinen Hauptsitz hatte, ist allbekannt. Von hier ging er aus - hierher kam er zurück, wenn er vor der Morgendämmerung seine tolle Meute wieder eintrieb, und die Kreiser, bei denen sich die Erzählung von Vater auf Sohn vererbt hat, viele Geschlechter durch, behaupten, daß er dort in dem versunkenen Bau eingefahren sei wie ein Fuchs, und es nachher noch Stunden lang da drinnen getobt und gelärmt habe, als ob ein unterirdischer Donner durch den Wald führe. Irrwische sind da drunten genug gesehen worden, und nirgends hat's mehr Erd- und Waldweible gegeben, als in der Gegend. Manchem Förster - vor meiner Zeit, denn ich müßte lügen, wenn ich 'was Derartiges behaupten wollte - sind auch Bewohner des weggesunkenen Ortes erschienen - einmal einem Jäger - einem fürstlichen Herrn - ein bildhübsches Mädchen in fremdartiger Tracht, die aber kein Wort gesprochen, sondern nur gewinkt hat, bis er ihr gefolgt ist. Der ist er nachgestiegen in den Kessel hinein - der Jägerbursche, den er bei sich gehabt und der ihm nicht folgen durfte, hat's erzählt, und am Abend haben sie ihn da drin gefunden, todtenbleich - und er war tiefsinnig geworden und hat nie im Leben wieder gelacht oder auch nur verkündet, was er dort unten gesehen. Er durft's wohl nicht."

      „Hm, das sind ja wunderbare Geschichten von dem alten Bau," sagte der junge Forstgehülfe kopfschüttelnd, „mir ist nur merkwürdig, daß ich noch kein Wort davon gehört."

      „Bei uns wär' wohl schon oft davon gesprochen," sagte der Alte, „aber wir thun's nicht gern, wenn die alte Lisel dabei ist."

      „Die Lisel?" sagte Raischbach erstaunt.

      „Ahem," nickte der Förster. „Wenn sie den Ort nur nennen hört, steht sie jedesmal auf, geht hinaus und setzt sich in eine dunkle Ecke und weint. Es muß ihr da in ihrer Jugend 'was Liebes abhanden gekommen sein. Die Leute /99/ versichern wenigstens, ihr Schatz habe sich in ein Erdweibl von da drunten her, das es ihm angethan, verguckt und Niemand wieder etwas von ihm gehört."

      „Aber kann der nicht auf andere Art verunglückt sein?"

      „Möglich; doch wahrhaftig, da kommen die Kreiser - das ist gescheidt, mir ist die Zunge schon ordentlich am Gaumen angetrocknet, und ein Schluck Bier wird uns jetzt nicht schlecht munden. Also erst frühstücken, und dann mit unserem Hirsch zu Thal, daß er zur rechten Zeit an Ort und Stelle eintrifft."

      Die Kreiser hatten ihre Zeit richtig eingehalten, ja waren eher noch eine Viertelstunde früher angekommen und sahen auch gleich an den grünen Brüchen auf den Hüten der beiden Forstleute, daß die Bürsche keine vergebene gewesen. Vor allen Dingen lagerten sich aber die Leute, denen sich auch die drei Mann Forstschutz beigesellten, im Schatten, um sich von ihrem mühseligen Marsch auszuruhen und einen Bissen zu essen. Dabei mußte Raischbach erzählen, wo er den Hirsch gefunden und wie er an ihn angekommen sei, was sie natürlich

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