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eingefallen war. Möglich, daß er von dem Alten irgend eine Kunde erfahren konnte; auf keinen Fall durfte er einen Feind in ihm erwarten.

      Der Alte schien gesonnen, hinaus in die Steppe zu reiten. Drüben, an der andern Seite der Straße war sein Pferd angebunden, und er selber stieg eben mit vorsichtigen und unbehülflichen Schritten, ein paar riesige, an seinen Fersen hängende Sporen nachschleifend, daraus zu. Der alte Bursche ging, als ob er lahm an allen Gliedern sei und kaum einen Fuß vor den andern setzen könne; sobald er aber nur mit der Linken Zaum und Mähne seines muntern Thieres erfaßt hatte, war er gleich ein anderer Mensch. Der Körper richtete sich empor, der Kopf hob sich, die Augen blitzten, und kaum hatte er sein Pferd gelöst, als er sich, wie von einer Feder emporgeschnellt, in den Sattel warf.

      Das wackere Thier fühlte den mahnenden Schenkeldruck, hob sich auf die Hinterbeine, und im nächsten Augenblick wären Roß und Reiter die Straße hinabgeflogen, als der Blick des Alten auf den Fremden fiel und fast unwillkürlich die Hand den Zügel schärfer faßte. Don Diego wünschte aber gerade hier kein Gespräch mit ihm, und ebenfalls zu seinem Pferd schreitend, nickte er dem Alten nur zu, hob sich in den Sattel und sprengte rasch voraus der Richtung zu, die, wie er vorher gesehen, der alte Gaucho ebenfalls einschlagen wollte. Dieser war auch bald an seiner Seite, und neben ihm hinreitend rief er:

      „Auch schon gerüstet, Seňor? - Ich glaube, es liegt uns Allen im Blut, daß wir keine Ruhe haben. Wenn wir's auch nicht sehen können, fühlen wir doch, daß da draußen ein Unheil für uns brütet."

      „Und welches Unheil könnte uns noch hier bedrohen?" sagte Diego, der den Blick des Alten fest auf sich haften sah. /36/

      „Los Indios“, sagte finster der Alte, indem sein Blick unwillkürlich nach dem weiten, unbegrenzten Süden der Steppe hinüberstreifte.

      „Und habt Ihr etwas von ihnen gemerkt, Amigo?" frug Diego.

      Der Alte antwortete nicht, der Blick aber, den er seinem Begleiter zuwarf, verrieth mehr, als er vielleicht sagen und aussprechen mochte.

      „Nun? - Ihr habt etwas auf dem Herzen," drängte der Fremde. „Mißtraut Ihr mir, ob ich es ehrlich meine?"

      „Ehrlich? - das ist ein weiter Begriff in unserer Zeit," brummte der Alte vor sich hin. „Ehrlich meint es Don Manuel auch - wie er wenigstens sagt. Ehrlich meint es der Officier, der das arme Mädchen als Gefangne mit sich schleppt - ehrlich - in ihrer Art - meinen es die Unitarier vielleicht ebenfalls - wenn man das auch nicht gerade überall aussprechen dürfte, und ehrlich meinen es selber die verwünschten Indianer; ehrlich nämlich im Rauben und Stehlen, woraus sie nicht das geringste Hehl machen und unsere Heerden demnach so gewaltsam als offen wegtreiben. Es ist ein wunderliches Wort und läßt sich zu Allem gebrauchen."

      „Also als Gefangene?" rief Don Diego, der hierin eine Bestätigung des von dem Wirth Gehörten fand.

      „Thut nur nicht so überrascht," sagte aber der Alte trocken. „Wenn Ihr das nicht schon früher wußtet, weshalb hättet Ihr dem Mädchen gestern Abend heimlich einen Zettel in die Hand gedrückt? Bah, bemüht Euch nicht; wenn ich Euch hätte verrathen wollen, wäre es lange geschehen. Von mir habt Ihr nichts zu fürchten."

      „Auch nichts zu hoffen, Compaňero?" sagte der junge Mann rasch, und sein Blick haftete fest auf den wetterharten braunen Zügen des Alten, in denen eine wunderliche Mischung von Ehrlichkeit und Verschmitztheit lag.

      „Alle Wetter," grinzte dieser, „Ihr reitet rasch und ziemlich unbekümmert vorwärts, Amigo. Aber Geduld, sonst überspringt Ihr Euer Ziel, und - das wäre gefährlich."

      „Und haben wir nicht etwa Geduld genug gehabt?" sagte ingrimmig in sich hinein der junge Fremde. „Ist das etwa /37/ ein freies Land, wo Jeder, der ein freies Wort nur spricht, schon fürchten muß, in der nächsten Stunde die Banden der mashorca10 auf seinen Fersen zu haben."

      „Ihr habt vollkommen Recht," sagte vorsichtig der Alte, indem er sein Pferd einzügelte und aufmerksam nach Osten hinüberschaute. „Aber was könnt Ihr thun? Nur der Schein einer Widersetzlichkeit, und unter dem Namen von Unitariern könnten wir ein eben so ruhiges und gemüthliches Leben führen, wie ein toller Hund mit dem Geschrei einer ganzen Stadt auf seiner Fährte."

      „Aber Ihr seid Männer hier?"

      „Ja - die ausgenommen, die eben Weiber sind," lachte der Alte. „Geduldet Euch, Amigo."

      „Geduld und ewig Geduld!" rief Don Diego, indem seine Hand dabei unwillkürlich den Griff des Messers suchte. „Die Geduld eines Heiligen müßte ermüden, dieser jämmerlich ewigen Knechtschaft gegenüber."

      „Aber was wollt Ihr thun?"

      „Und wenn ich Euch nun Hülfe brächte?"

      „Wahrt Euch vor der Hülfe, die Ihr im Sinne habt," sagte der Alte plötzlich sehr ernst. „Traut mir; ich bin ein alter Mann und in den Pampas groß geworden, kenne auch in der That keine andere Welt. Nur zweimal war ich in Buenos Ayres und einmal in Mendoza. Aber die Indianer kenn' ich und weiß, was wir von ihnen zu befahren haben. Es ist eine tapfere, wilde, urkräftige Nation, ja; aber falsch und verrätherisch gegen die Weißen, wie auch immer ihre Versprechungen mögen gelautet haben. - Laßt mich ausreden, Amigo. Ja, so lange ihr eigener Nutzen mit im Spiel ist, da dürft Ihr Euch auf sie verlassen, aber nicht eine Secunde darüber hinaus. Schließt heute mit einem ihrer Häuptlinge einen Vertrag gegen wen Ihr wollt, selbst gegen Rosas - denn hier zum Teufel - ist doch wenigstens Niemand, der uns hören kann - und Ihr werdet sie unermüdlich auf seinen Spuren finden. Laßt ihn aber in Unterhandlung mit ihnen treten und mehr bieten, und sie reißen ihre Pferde auf den /38/ Hinterbeinen herum und schleudern Euch die gegen ihn gehobenen Bolas an den Schädel. Trau' ihnen der Böse."

      „Und wenn Ihr Alles mit ihnen erreicht habt, was Ihr erreichen wolltet?"

      „Ja, wenn! Aber gut Ding will Weile haben, und nochmals, Seňor, Ihr spielt mit jenen rothen Horden ein gefährlich Spiel."

      „Woher wißt Ihr, daß ich überhaupt je mit ihnen zusammenkam - daß ich nur Einen von ihnen kenne?"

      „Erinnert Ihr Euch, daß Ihr am letzten Sonntag mit einem Trupp der rothen Halunken zusammen dem Rioquarto zurittet und daß der Führer der Horde dort ein einzeln weidendes Pferd fing?"

      „Wer hat Euch das verrathen?" rief Don Diego, jetzt wirklich auf's Aeußerste erstaunt.

      „Das Pferd hier, das ich reite," entgegnete der Alte mit verhaltenem Spott, „könnte Euch noch mehr davon erzählen, wie ich. Es ist das nämliche, das damals ein rothes Mädchen tragen mußte. Ich selber aber lag mit meinem Sattel unter ein paar Weidenbüschen ganz in der Nähe versteckt, und blieb auch dort bis spät in die Nacht, denn ich wußte recht gut, daß mein alter Brauner hier zu mir zurückkommen würde, sobald er sich nur halbweg frei und unbehindert sähe."

      „Und Ihr habt mich erkannt?"

      „Ihr standet nicht zehn Schritt von mir ab, als der rothe Heide seinen Lasso um den Hals meines Thieres warf," schmunzelte der Alte, „und einmal hatte ich gar nicht übel Lust, heraus zu fahren und ihm mein Messer zwischen die Rippen zu rennen. Zu Fuß ist der Mensch aber ein unbehülf- lich Geschöpf, und ich blieb lieber ruhig liegen, bis mein gutes Pferd zu mir kam, mich abzuholen."

      „Habt Ihr dem Officier eine Anzeige davon gemacht?"

      „Caracho!" fluchte der Alte tief in den Bart hinab, „er soll sich seine Kundschaft selber holen, wenn er dergleichen haben will. Rosas hat Alles von mir bekommen - oder genommen, was er je bekommen soll; wir Beiden sind fertig mit einander. Aber erscheint einmal die Zeit" - der Alte griff seinem Thier so ingrimmig in die Zügel, daß es hoch /39/ aufbäumte, sammelte sich jedoch rasch wieder, und dem Rosse beruhigend den Hals klopfend, fuhr er fort: „komm - komm - Brauner - du kannst nichts dafür, daß die beiden braven Jungen in's Gras beißen mußten. Waren ihnen doch bessere Leute schon vorangegangen."

      „Ihr habt Freunde, Verwandte verloren?"

      „Ja, Seňor, zwei Söhne."

      „Im Kriege?"

      „Wenn

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