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Gut uns zu rauben der frech und verrucht

      Den Gaucho auf's Neue mit Ketten bedeckt,

      Die Freiheit entehrt und den Namen befleckt.

      Und wie er auch heiße, und wer er auch sei.

      Zu Boden mit ihm, denn der Boden sei frei!"

      Es wäre unmöglich, den Tumult zu schildern - den diese wenigen Reime in der Versammlung hervorriefen.

      „Viva la libertad!" donnerte der alte Gaucho mit dröhnender Stimme, „viva la libertad!“ tobten alle anwesenden Gauchos im Jubelruf mit ein, und nur der argentinische Officier stand schweigend, zürnend dazwischen. „Viva la libertad!" war auch Rosas' Schlagwort, aber er fühlte recht gut, daß die Männer hier die Freiheit nicht meinten, die ihnen der Dictator gebracht, und daß ein gefährlicher, rebel-/23/lischer Geist in den Burschen stecke. Wie aber war dem zu begegnen?

      Noch dauerte die Aufregung, die das letzte Lied hervorgerufen, als eins der Mädchen, das durch Zufall den Blick auf das Fenster geworfen, laut und erschreckt ausrief:

      „l,os indios! Gott sei uns gnädig."

      Rasch drehte Don Diego den Kopf dorthin; aber er sah nur noch, wie, einem Schatten gleich, ein dunkler Schein vom Fenster glitt.

      „Dort, dort war es!" wiederholte das Mädchen, den zitternden Arm der Gegend zustreckend, wo sie die Ursache ihres Schreckens gesehen haben wollte. Als ihr Aller Augen aber dahin folgten, ließ sich nichts weiter erkennen, und ein Theil der Gäste drängte jetzt der Thür zu, um die Straße draußen zu untersuchen.

      IV.

      Nur der argentinische Officier war noch zurückgeblieben und wandte sich, während sich Don Diego wieder auf seinen Stuhl niederließ und sein Glas füllte, an das junge Mädchen, um genauer zu erfahren, was sie so erschreckt habe.

      Beatriz, des Wirthes Tochter, konnte ihm aber nichts weiter sagen, als daß sie einen dunkeln Kopf mit glühenden Augen am Fenster gesehen und im ersten Augenblick geglaubt habe, es sei ein Indianer. Die Bewohner der Pampas dachten in damaliger Zeit ja fast an nichts weiter, als an jene wilden Horden.

      Nun war es schon außerordentlich unwahrscheinlich, daß sich ein einzelner Wilder hier in das von Soldaten gefüllte Städtchen gewagt haben sollte. Außerdem befanden sich aber unter dem argentinischen Militär eine Menge Mulatten und Neger, und jedenfalls hatte einer von diesen - wenn überhaupt Jemand - in das Fenster hereingesehen. Nichtsdestoweniger erforderte es die Pflicht des Officiers, nachzuschauen, und es gefiel ihm nur nicht, den ihm überhaupt verdächtigen /24/ Fremden mit den Mädchen allein zu lassen. - Aber was konnte er auch in den wenigen Minuten thun? Er war jetzt Commandirender in Cruzalta, und daß ihm der Fremde da nicht lästig werden sollte, dessen war er gewiß. - Was brauchte ein Officier der Argentinischen Republik oder vielmehr des allmächtigen Rosas auch große Umstände zu machen!

      Er verließ das Zimmer, und Don Diego saß noch immer ruhig auf seinem Stuhl, nahm die Guitarre wieder und spielte leise und wie in Gedanken ein kleines spanisches Lied. Wieder und wieder schweifte sein Blick nach dem schönen fremden Mädchen hinüber, das sich jetzt mit den Freundinnen in die entfernteste Ecke des Zimmers zurückgezogen hatte, und nur Auge und Ohr für dieselben zu haben schien.

      Der Wirth, der mit den Uebriqen vor die Thür getreten war, kam jetzt zurück, und sich neben Diego niedersetzend, sagte er lachend:

      „Du hast einen schönen Lärm geschlagen, Beatriz, und mir die Gäste im Nu aus dem Haus gejagt. Ihr glaubt gar nicht, Seňor, welche Furcht die Dirnen vor den Indianern haben. Ich bin fest überzeugt, sie begegneten viel lieber dem leibhaftigen Gottseibeiuns auf den Straßen, als einem dieser kupferbraunen Burschen."

      „Und habt Ihr sie schon hier in der Nähe gespürt?" frug Diego gleichgültig.

      „Caramba, ja," sagte der Wirth schnell. „Ausgesandte Spione haben vor einigen Nächten gar nicht so weit von hier entfernt ein Lager der verwünschten Rothhäute angetroffen, - ihre Feuer wenigstens gesehen; denn sie getrauten sich nicht weiter hinan. Als die Soldaten aber von hier am nächsten Morgen dorthin aufbrachen, fanden sie keine Seele mehr daheim. Die Horde war wieder abgezogen, weil sie die Gegend für doch nicht so ganz sicher halten mochte."

      „Und wie stark mag der Trupp gewesen sein?"

      „Den Zeichen nach fünfzig Mann. Die Schurken ziehen ja gewöhnlich in so kleinen Banden umher, um einzelne Hütten zu überfallen und zu plündern und gelegentlich eine Heerde mit fortzutreiben. Der Correo wird einen schweren Stand haben, diesmal durchzukommen. Man munkelt schon wieder /25/ davon, daß sie Weiße zu Anführern hätten. Unitarier," - setzte er leise flüsternd hinzu, - „die sich der gerechten Regierung Sr. Excellenz nicht unterwerfen wollen."

      „Das alte Lied," sagte Don Diego, mit den Achseln zuckend, - „aber wann glaubt Ihr wohl, Seňor, daß der Correo hier eintreffen kann? Ich erhoffe Briefe von Buenos Ayres, und möchte ihn gern erwarten, - Euch jedenfalls bitten, wenn ich früher fort müßte, meine Briefe hier zurück zu behalten. Meine nähere Adresse werde ich Euch noch geben."

      „Wenn der Correo überhaupt unter den jetzigen Verhältnissen aus der „Stadt" ausgebrochen ist," sagte der Wirth, „so muß er morgen zu Mittag hier sein. Ich habe ihn eigentlich heute schon erwartet; denn er reitet gewöhnlich am 17. Von Buenos Ayres ab und übernachtet in der letzten

      Estancia."

      „Desto besser, dann treff' ich ihn gewiß," sagte Don Diego und die Guitarre neben sich hinlegend, nahm er aus seinem Gürtel ein kleines Stück Papier, schrieb mit einem Bleistift ein paar Worte darauf und schob es zurück. Langsam hob er dabei den Blick und begegnete dem Auge Josefa's, die vor dem Ausdruck in den Zügen des Fremden zusammenschrak. Der Blick galt ihr und barg ein Geheimniß.

      „Seňor," flüsterte da der Wirth an seiner Seite, „wollt Ihr auf guten Rath hören?"

      „Gewiß," sagte Don Diego rasch, „in diesen Zeiten ist ein guter Rath oft so viel und mehr werth, wie eine gute That."

      „Gut - so nehmt Euch vor dem - Herrn Lieutenant in Acht."

      „Ihr glaubt?"

      „Er hat Böses mit Euch im Sinne," warnte der Mann, noch leiser fast als vorher. „Euer freies und keckes Lied über den Dictator - den Gott erhalten möge - ist ihm in die Krone gefahren, und Ihr wißt, eben so gut wie ich es Euch sagen könnte, daß es in jetziger Zeit wenig mehr als eines Verdachtes bedarf, um Leben und Freiheit irgend eines Menschen zu bedrohen?“ /26/

      „Und nennt Ihr das ein freies Land?" lachte Don Diego verächtlich vor sich hin.

      Der Wirth zuckte, während er einen scheuen Blick über die Schulter warf, mit den Achseln.

      „Don Manuel ist allmächtig," setzte er dann flüsternd hinzu, „und gegen den Stachel kann Niemand lecken. Mir juckt die Kehle schon bei dem bloßen Gedanken, daß ich einmal den Unwillen des - des Herrn erregen könnte. Ich beschwöre Sie also -"

      „Habt keine Angst um mich, Freund," erwiderte ruhig Don Diego, „übrigens danke ich Euch für die Theilnahme, die Ihr mir bewiesen. Selbst das ist schon mehr, als ich zu erwarten hatte - und nun macht Euch weiter keine Sorgen. Ich glaube, die Leute kommen zurück; Caramba, wäre es denn nicht möglich, heut Abend einen kleinen Fandango zu arrangiern? Es ist noch früh, und die Zeit vergeht beim Tanze rascher als je. Wie wäre es, Senoritas, wer von Ihnen hätte Lust, daran Theil zu nehmen?"

      „Ach, an Mädchen soll cs nicht fehlen," lachte der Wirth, damit vollkommen einverstanden. „Wenn's einen Fandango giebt, habe ich in fünfzehn Minuten die ganze Nachbarschaft auf den Beinen."

      „Und die Indianer?"

      „Thorheit, - wer weiß, was für ein Mulattengesicht die Dirne gesehen hat. So frech sind die Burschen nicht, daß sie stch in des Tigers Rachen wagen sollten. Hier, Beatriz - hier, Mareguita, nehmt die Guitarren. Donna Josefa müßt Ihr entschuldigen, Seňor - sic trauert um liebe Freunde - nehmt die Guitarren, Mädchen, und beginnt die Melodie. Wir haben der ernsten Stoffe heute gerade genug

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