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sei, wodurch er dann allerdings jeden Paß und Weg, jeden Fluß und Ucbergang genau kennen mußte. In einem Lande wie Mexiko aber war Terrainkenntniß die wichtigste und nothwendigste Eigenschaft eines Führers, und wenn dieser dann noch außerdem Muth genug besaß, um unerschrocken voranzugehen, so konnte er seines Erfolges so ziemlich sicher sein.

      Mehr und mehr füllten sich die Säle, und besonders trafen noch viele Herren der hohen Geistlichkeit ein, von denen Miramon keinen übersprungen hatte. Oberst Mendez, ein anderer sehr tapferer mexikanischer Officier, der sich aber weit weniger zur geistlichen Partei hielt als Miramon und Marquez, erschien ebenfalls, wenn auch etwas später als die Uebrigen, da er erst an diesem Tag von einer Recognoscirungstour aus dem Westen zurückgekehrt war.

      Mendez trug aber eben so wenig wie Lopez den mexikanischen Typus, und aus den ersten Blick hätte ihn wohl /14/ Jeder für einen etwas sehr dunkelhäutigcn Franzosen, oder auch vielleicht für einen Deutschen gehalten. Mit einem ziemlich runden Gesicht, mit braunem, nicht schwarzem Haar und einem Knebel- und Schnurrbart, verrieth nur die dunklere Färbung seines Gesichts indianische Abkunft, und er hatte außerdem etwas entschieden Soldatisches in seinem ganzen Wesen. Er mochte übrigens, wie schon vorerwähnt, von der Priesterwirthschaft nicht viel wissen, und stand deshalb auch nur wenig in Miramon's Gunst, aber er war ein wackerer Haudegen und haßte die Liberalen aus vollem Herzen - was Wunder denn, daß er sich den Franzosen, die er bald als tapfere Soldaten kennen lernte, mit voller Seele in die Arme warf. Wie die meisten seiner Landsleute jubelte er den Fremden entgegen, weil diese ihnen halfen, Rache an ihren persönlichen Feinden zu nehmen, und dachte nicht an eine kommende Zeit und wie es werden sollte, wenn diese einmal den Lohn für ihre Dienste verlangten. - Außerdem war er auch nur Soldat - die Politik mochte die Regierung besorgen und verantworten, und so lange er nur den Feind vor sich Hertreiben konnte, lag ihm das Andere wenig genug am Herzen.

      Miramon, der den Erzbischof auf das Ehrerbietigste begrüßt und einige Worte mit ihm gewechselt hatte, wurde jetzt durch seine Eigenschaft als Wirth in Anspruch genommen. Viele der älteren Herren besuchten diese Tertulias nur, um ihre Partie dabei zu machen, und betrachteten jeden Augenblick, der ihnen daran gekürzt wurde, als unwiederbringlich verloren. Es blieb deshalb Sache des Wirths, sie in dem Arrangement zu unterstützen.

      Eine kleine Gruppe mexikanischer wie französischer Officiere war eben im Begriff gewesen, in eins der Vorzimmer zu treten, wo auf der Credenz spirituöse Getränke, wie Cognac und Xeres, als auch Wasser und Zucker zum allseitigen Gebrauche stand, als sie den Erzbischof auf sich zuschreiten sahen und ihre Stärkung noch verschieben mußten, denn Monseňor konnten sie doch nicht gut mit dazu einladen.

      Der Erzbischof befand sich in diesem Augenblick in einer ganz eigenthümlichen und nicht gerade angenehmen Stellung /15/ in Mexiko, denn selbst aus dem bisher regierenden Regentschaftsrathe, den er mit Bazaine und Minister Salas bildete, war er gewissermaßen ausgestoßen worden - er wurde wenigstens nicht mehr zu den Berathungen gezogen, und in Folge einer Malice Bazaine's gegen ihn auch der Ehrenposten von seiner Thür entfernt. Freundlich gestimmt konnte er deshalb nicht gegen die jetzigen Verhältnisse sein, und war es auch wahrlich nicht, aber der Gesellschaft zeigte er trotzdem ein glattes Angesicht.

      Mit seinem Blick überflog er die Gruppe, und wohl sah er da manche „Gutgesinnte" - d. h. der Kirche vollkommen Angehörige - aber doch noch sehr viele „Zweifelhafte", ja Manche sogar, die er zu seinen entschiedenen Gegnern zählen durfte. Doch was that das? Das Oberhaupt der Kirche war es gewohnt, schwierige und oft sogar gefährliche Curven zu wandeln, und als sein Blick Obrist Lopez unter den Uebrigen erkannte, wandte er sich mit der ihm eigenen Leutseligkeit an diesen.

      „Nun, lieber Obrist - guten Abend, meine Herren - ich habe Sie ja noch gar nicht wiedergesehen, seit Sie von Ihrem letzten wilden Zug zurückgekehrt sind. - Wie geht es Ihnen?"

      „Diesmal war ich nicht so weit, Monseňor," lächelte Lopez, indem er sich aber doch zur Begrüßung straff und soldatisch emporrichtete. „Seit wir das Raubgesindel hier aus der Nachbarschaft trieben, hatte ich schon wieder die Ehre, in einer Soirée des Herrn Ministers Salas mit Ihnen zusammen zu treffen."

      „Ach ja - ach ja - in der That! war mir wirklich entfallen; aber Sie dürfen mir deshalb nicht zürnen, Herr Obrist. Wir leben in einer ernsten Zeit, und unsere Gedanken werden unwillkürlich und immer nur unserer augenblicklichen precären Lage zugelenkt."

      Lopez war zerstreut, denn an der Schulter des vor ihm stehenden Geistlichen vorbei erblickte er eine nicht in den Salon gehörende Gestalt, die er selber aber nur zu gut kannte. Es war anscheinend ein ganz gewöhnlicher Mexikaner aus den unteren Ständen, der sogar seine Zarape nach der Landessitte /16/ so umgeschlagen trug, daß sie ihm den untern Theil des Gesichts verdeckte. In der Hand aber hielt er ein zusammengefaltetes Papier, und augenscheinlich suchte er irgend Jemand im Saal.

      Wie kam der Bursche hier in diese Räume, wie durch die Dienerschaft, und was wollte er? - suchte er ihn?

      Der Erzbischof, dem Lopez' zerstreuter Blick nicht entging, wandte sich der Richtung zu, die dieser suchte, und war nicht minder erstaunt, den Peon5 in seiner Straßentracht, und wie er eben von der Straße kam, im Salon zu sehen. Aber dieser schien auch schon den, welchen er suchte, gefunden zu haben, und zwar General Miramon, der nicht weit vom Erzbischof an dem einen offenen Fenster stand. Auf diesen zugleitend, überreichte er ihm das Papier, das jedenfalls zu solcher Zeit, von einem solchen Boten gebracht, etwas Wichtiges enthalten mußte. Sobald er es aber übergeben, und, ohne eine Antwort abzuwarten, warf er den Blick zurück, als ob er nicht gleich wisse, nach welcher Richtung er sich wenden solle. Die hatte er jedoch bald gefunden, und jetzt, dicht an Lopez vorbeigleitend, flüsterte er ihm nur das Wort zu: „der Kaiser", und eilte jetzt, durch die ihm erstaunt Raum gebenden Gäste, aus dem Saal. Allerdings wollten ihn, schon an der Thür, die Diener noch zur Rede stellen, aber er ließ sich mit ihnen gar nicht ein, sprang die Stufen hinab und war im nächsten Augenblick in der dunkeln Straße verschwunden.

      Die Aufmerksamkeit der Gäste wurde indessen schon im nächsten Moment von einem andern Gegenstand vollkommen abgelenkt, denn Miramon, der nur einen flüchtigen Blick auf das Blatt geworfen, trat rasch in die Mitte des Salons. Etwas Außerordentliches mußte geschehen sein - man sah, er wollte sprechen, und Alles drängte sich ihm zu.

      „Meine Herren!" rief der Wirth des Hauses, das Blatt emporhebend, „soeben erhalte ich die Kunde, daß Seine Majestät der Kaiser Maximilian in Vera-Cruz gelandet ist."

      „Der Kaiser! Der Kaiser!" - wie das Wort durch die /17/ ! Versammlung rauschte und wogte. „Also doch," flüsterte es fast unbewußt von vielen Lippen, denn trotz Allem hatten noch Viele an der Verwirklichung ihrer Hoffnungen gezweifelt, und es - wenn auch vielleicht unausgesprochen - für unmöglich gehalten, daß irgend Jemand seine Heimath, Ruhe und Sicherheit verlassen könne, um die Zügel eines so verwilderten und bis in seine untersten Schichten hinab zerrütteten Volkes in die Hand zu nehmen.

      Und was nun? blieben die Franzosen noch länger in Mexiko, wenn der Kaiser die Regierung antrat, oder zogen sie ab? und was wurde dann in beiden Fällen?

      Eigenthümlich war es, zu beobachten, wie die Thatsache, die Allen eine totale Umwälzung ihrer ganzen bisherigen Verhältnisse vor Augen stellte, für einen Moment fast lähmend auf die eben noch so geräuschvolle Gesellschaft wirkte. Kein Wunder auch; es blieb ein Jeder mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt und jeder Einzelne auch bei der ganzen Wendung der Dinge bald mehr, bald weniger betheiligt - betheiligt aber in jedem Fall. - Und was für Hoffnungen knüpften sich an die sie erwartende neue Welt!

      Sie hatten wohl schon ein Kaiserthum in Mexiko gehabt: der unglückliche Iturbide lag mit zerschossener Brust unter mexikanischem Rasen - das aber war doch etwas Anderes gewesen, kein wirklicher Fürst, sondern nur ein Mann, der lange in ihrer Mitte gelebt, ein einfacher General und nachher ein Kaiser mehr dem Namen nach, und nicht viel mehr als eben ein erblicher Präsident. Er kam und ging auch so rasch, daß man kaum recht darüber zur Besinnung gelangte, und nachher jagten zahllose Regierungen immer eine die andere, und brachten nur Blut und Verderben über das ganze Land.

      Und das sollte jetzt Alles anders werden? - eine feste Regierung bestehen, ein Kaiser eintreten, der, wenn er im Lauf der Jahre starb, ohne Revolution seinem Erben den Thron überließ,

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