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Couscous Crème fraîche. Iris Maria vom Hof
Читать онлайн.Название Couscous Crème fraîche
Год выпуска 0
isbn 9783738006544
Автор произведения Iris Maria vom Hof
Жанр Документальная литература
Издательство Bookwire
Fuck, es ist nicht einfach
Saint-Jean-Pied-de-Port, Juni 1984 /// Der Vater Ben Ali stirbt nahe der spanischen Grenze. Saint-Jean ist ein weithin bekanntes Städtchen, sehr beliebt bei den Touristen. Zwei Flüsse mit romantischen Brücken, mittelalterliche Häuser mit Holzbalkonen über dem Wasser. Stadtmauer, Zitadelle, Kirche Notre Dame. Die Altstadt traditionell aus rosa und grauem Sandstein erbaut, schön. / „Diese verfickte Scheiße“, meutert Katy biestig, als sie in Saint-Jean eintrifft. Ihre Mutter und die zwei älteren Brüder sind bereits da. Ihr kleiner Bruder wollte nicht zur Beerdigung kommen. Hat sich der bekloppte Kabyle noch was geleistet zum guten Schluss. Ganz freiwillig ist die Sauf-Nase allerdings nicht zu diesem Aufenthalt gekommen, der alte Gauner. Er erholt sich gerade im Schatten hoher Palmen. So jubelten sie als Kinder, wenn der Vater in den Knast einfuhr. Die Einweisung in Saint-Jean kommt dem dummen Spruch ziemlich nahe. Palmen stehen hier tatsächlich ein paar herum. Nur dass es diesmal nicht der Knast ist, sondern das Irrenhaus. Delirium tremens, weiße Mäuse. Der ist so was von ausgetickt, dass sie ihn abholen mussten. Der hat zuletzt nur noch verrück gespielt. Der hat sich in die Ecken geschmissen und den nackten Arsch in die Luft gehoben, Schwein. Seine Kacke hat er an die Wände geschmiert, die Bude vollgepisst. Grobschlächtig gezittert hat er, dass ihm der Löffel öfter im Hals stecken blieb wenn Katy ihn füttern musste. Alles immer nachts, weil sich sein Tag-Nacht-Rhythmus umgedreht hat. Katy stellte sich ganz gemeine Schmarotzer in seinem Hirn vor, die ihn zur Strafe für seine Untaten in den Wahnsinn treiben. Irgendwie war Katy der Krankheit dankbar, die Hilflosigkeit dieses Idioten von einem Vater verschaffte ihr Urlaub von seinen Schlägen. Verkommener Irrer. Am Ende fast ein Glücksfall. Schwein bleibt Schwein. Und Larve bleibt Larve. Die Mutter war wenig beeindruckt von dem Komplett-Absturz ihres Mannes. Schlampe. Fette Larve. Aber so war sie immer. Kein Interesse an nichts, oh nein. In wenigen Stunden wird der alte Sack unter die Erde verfrachtet. Ein Segen das.
Le Havre, Oktober 1979 /// Von Anfang an macht das Delirium des Vaters Katys Leben zur Hölle. Noch schlimmer als sowieso. Einmal steht es ihr so im Hals dass sie ihre Mutter stinkig anbrüllt. „Kümmerst du dich überhaupt jemals um irgendwas? Du rufst doch noch nicht mal jemand an, wenn der verrückte Idiot nachts durchknallt!“ „Was soll denn der Scheiß jetzt?“, stänkert die Mutter zurück, „du, mach mir hier nicht die Dramaqueen! In dieser Wohnung habe immer noch ich das Sagen, verstanden! Koch mir was, ich hab’ Hunger!“ „Willst du ihn auf kleiner Flamme verrecken lassen oder wie?!“ „Mach du lieber deine Arbeit! Wie es hier schon wieder aussieht!“ In Katys Kindertagen war es nicht viel anders. Oh ja, Katy schrubbte und kochte und räumte auf, während sich die fette Larve vor dem Fernseher den nächsten Fotoroman reinzog. Diese Mutter war schon immer das Allerletzte. Das Maul gehalten, wenn der Alte um sich schlug. Und immer brav die Schenkel breit gemacht, wenn er ankam. Klar hörte die kleine Katy alles, wenn der Alte mit seiner Morgenlatte auf die Larve drauf stieg. Rein, raus, rein, raus, schönes Wetter heute. Und wenn es mal nicht sofort hinhaute, dann tanzte der Vater den Twist mit der Mutter und schallerte ihr ein paar. Katy durfte selten zur Schule weil irgendjemand die Hausarbeit machen musste. Die fette Larve hat noch nie irgendetwas gemacht. Höchstens wenn sie wegen neuer Klamotten zur Fürsorge mussten. Dann war die Larve gezwungen ihren fetten Arsch zu lüften. Sonst war die schöne Kohle futsch, die sie als Kindergeld einsackte. /// „Armeleutepack! Melonenfresser!“ Die Mitschüler waren gnadenlos, wenn die Bande Ben Ali mit haargenau den gleichen Schuhen ankam. Von der Beihilfe, konnte jeder sofort sehen. Ätzend, die blöden Dinger an den Füßen sahen nicht nur beschissen aus, die passen keinem, nie. Wie die Klamotten. Zu klein oder zu groß. Katy kam immer mit kaputten Füßen zur Schule. „Hinkefüße! Klumpfüße!“ Den Brüdern war es schnuppe, aber Katy stank das gewaltig. Auch, wenn sie keine Unterhosen anhatte. War doch zu peinlich. Dieser Stress, dass alle ihren Hintern sahen wenn sie an die Tafel musste. Deshalb klaute Katy Wäsche. Wenn sie alleine auf dem Heimweg war, streifte sie unter den Wäscheleinen vor den Sozialwohnungen durch und zisch, das Einsammeln von Unterhosen