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hatte ich ihn noch nie ohne gesehen. Mit ausdruckslosem Gesicht starrte der Mann an mir vorbei. Ich lächelte freundlich. “Hallo, Josef. Wie geht es dir? Ich hoffe, alles ist im grünen Bereich.“ “Alles bestens“, erwiderte er monoton. “Danke der Nachfrage. Und selbst?“ “Ich kann nicht klagen.“ “Freut mich“, sagte er ausdruckslos. “Komm doch rein.“ Damit drehte er sich auf dem Absatz um und ging zurück ins Innere seiner Wohnung. Ich putze mir gründlich die Schuhe an der Fußmatte ab, weil Josef sich über Schmutz so aufregte, betrat die Wohnung, ließ die Tür leise ins Schloss fallen und folgte Josef. Die Wohnung sah aus, wie eh und je. Klein, aufgeräumt und klinisch sauber. Die Wände waren weiß und alles hatte seinen genauen Platz. Es lag kein Krimskram herum und es hingen keine Bilder an den Wänden. Das einzig auffällige war ein großer Kratzbaum auf dem eine fette, weiße Perserkatze lag und mich beäugte. Tiere reagieren nicht immer gut auf mich. Besonders Hunde verwirre ich, da ich rieche, wie ein Tier, aber aussehe, wie ein Mensch. Einigen von den Flohpelzen macht das Angst, aber die meisten reagieren mit Aggression. Katzen sind da wesentlich leichter in der Handhabung. Die hochnäsigen Biester interessieren sich meistens gar nicht für meine Anwesenheit, was mir ganz recht war. Josef war mitten im Raum stehen geblieben und starrte hinter mir die Wand an. Nur für einen Augenblick schoss sein Blick zu mir hinüber und scannte mich, dann schaute er wieder auf die Wand. “Was ist der Anlass deines Besuches?“, fragte er monoton. Lächelnd kramte ich meinen Datenstick hervor und hielt ihn in die Höhe. “Ich arbeite an einem neuen Fall. Es geht um ein paar verschwundene Kinder und mögliche übernatürliche Beteiligung daran. Auf diesem Stick ist alles, was ich bisher habe. Ich möchte, dass du für mich Nachforschungen anstellst. Informationen sammelst, nach Verbindungen zwischen den Kinder suchst und so weiter.“ Er nickte und nahm den Datenstick entgegen. “Das ist kein Problem. Ich fange sofort an.“ Ruckartig drehte er sich um und setzte sich an seinen super leistungsfähigen Laptop an der Wand. Augenblicklich begann er, wie ein Geisteskranker auf der Tastatur herumzutippen. “Das könnte einige Stunden dauern“, sagte er abwesend. “Willst du solange warten?“ “Nein“, erwiderte ich. “Ich habe noch andere Termine. Schick mir alles per E-Mail oder melde dich telefonisch bei mir, okay?“ “Selbstverständlich“, sagte er monoton. “Den Weg raus findest du ja alleine.“ Lächelnd nickte ich. “Ich werde mich bemühen. Schönen Tag noch.“ Doch Josef hörte mich schon nicht mehr. Er war in seiner Internetwelt verschwunden. Ich zuckte mit den Schultern. Auch gut. Nachdenklich lief ich zurück zur Wohnungstür und trat hinaus ins Treppenhaus, schließlich hatte ich es eilig. Ich musste noch zur Polizei.

      Kapitel 5

      Entspannt schlenderte ich den Gang auf dem Polizeirevier entlang, bis ich vor der Tür von Jürgen Hickmann stehen blieb und höflich anklopfte. Er war seinerseits Kriminalhauptkommissar und mein Kontaktmann bei der Polizei. Hinter der Tür ertönte ein gedämpftes >Herein< und schon öffnete ich die Tür. In dem kleinen Büro standen zwei Schreibtische. Einer war leer. Hinter dem anderen, saß ein Mann in den mittleren Jahren mit leichten Bäuchlein und einfallslosem Bürokraten Seitenscheitel. Das war Jürgen. Ein guter, pflichtbewusster Polizist, der selbstverständlich keine Ahnung hatte, dass ich ein Werwolf bin und es eine übernatürliche Welt gibt. Der Grund weswegen er mir gelegentlich unter der Hand Informationen zukommen ließ, war der, dass ich mich in der Vergangenheit als nützlich erwiesen hatte. Bei dem ein oder anderen schwierigen Fall hatte ich die entscheidenden Hinweise gefunden, Täter gefasst oder vermisste Personen gefunden. Sachen in diese Richtung also. Logischerweise wollte ich dafür keine öffentliche Anerkennung erhalten und so konnte Jürgen die Früchte meiner Arbeit einheimsen. So war hier und da mal eine Gehaltserhöhung oder eine Beförderung für ihn herausgesprungen. Und so hatten wir beide etwas von unserer Zusammenarbeit. Ich kriegte Zugang zu vertraulichen Akten und er konnte sich von seinem Chef Zucker in den Arsch blasen lassen, als Beamter des Monats. Zurück zum Wesentlichen. Jürgen lächelte erfreut, als er mir sah. “Hallo, Oskar. Die Akten, die du sehen wolltest, habe ich schon hier“, sagte er und zeigte auf einen Ordner auf seinem Schreibtisch. “Mehr konnte ich nicht kriegen.“ “Hallo und danke dafür“, sagte ich, schüttelte ihm die Hand und setzte mich an den Schreibtisch. “Wo ist dein neuer Partner?“ “Der macht Mittagspause“, erwiderte er. “Er braucht von unserer kleinen Zusammenarbeit nichts zu erfahren. Jedenfalls noch nicht.“ “Verstehe“, murmelte ich und begann die Akten durchzusehen. Ich überflog einige Seiten, nur um zu überprüfen, dass es auch das war, was ich haben wollte. Soweit sah alles gut aus. “Perfekt“, sagte ich. “Kann ich die Akten mitnehmen?“ “Sicher. Das sind alles nur Kopien“, erwiderte er. “Sie gehören dir.“ “Danke“, sagte ich. “Kannst du mir noch irgendwas über die Fälle erzählen?“ Er seufzte und lehnte sich zurück. “Das ganze ist ziemlich gespenstisch! All diese Kinder sind verschwunden und wir haben keine wirklichen Spuren. Es wurde nicht eingebrochen, es gibt keine DNA Spuren, keine ersichtliche Verbindung zwischen den Kindern und auch keine komischen Geldflüsse auf den Konten der Eltern, die nahelegen würde, dass sie irgendwas damit zu tun hätten! Die Kinderbetten waren aufgewühlt und ein paar Stofftiere lagen auf dem Boden herum. Das war´s.“ Langsam nickte ich. “Verdammt, das klingt wirklich eigenartig!“ Jürgen kratzte sich am Hinterkopf. “Hoffentlich wirst du daraus schlau! Wenn du was findest, rufst du mich an?!“ “Natürlich“, erwiderte ich. “Sobald ich etwas handfestes habe, melde ich mich.“ “Gut“, sagte er. “Dann geh jetzt besser, bevor mein Partner wiederkommt.“ Ich stand auf und wir gab uns die Hände, dann klemmte ich mir den Ordner unter den Arm und ging.

      Kapitel 6

      Ich stand in meinem Wohnzimmer und starrte die Wand an. Dort hingen mit Pinnnadeln befestigt alle Informationen zu den verschwundenen Kindern, die ich bisher hatte. Grübelnd kratzte ich mich an meinem stoppeligen Kinn. So sehr ich mir auch mein Hirn zermarterte, es gelang mir einfach nicht eine Verbindung herzustellen. Leise fluchend stierte ich auf die Zettel, aber es machte einfach nicht >Klick< in meinem Kopf. Grummelnd lief ich in die Küche und nahm mir einen Orangensaft. Mit großen Schlücken trank ich das Glas aus und seufzte. In dem Moment näherten sich Schritte der Haustür, ein Schlüssel wurde ins Schloss gesteckt und die Tür geöffnet. Violetta kam herein. Das erkannte ich am Geruch. Sie kam in die Küche und bemerkte mich. “Oh, Hi“, sagte sie. “Wie geht es dir? Hast du die Unterlagen gekriegt?“ “Natürlich“, erwiderte ich. “Das war kein Problem. Wie war das Kaffeetrinken mit deiner alten Freundin?“ “Ganz gut“, sagte sie. “Wir hatten uns viel zu erzählen...“ “Gut“, sagte ich und damit war das Thema für mich eigentlich erledigt, doch Violetta machte ein Gesicht, als wollte sie mir noch dringend etwas sagen. Erwartungsvoll schaute ich sie an. Irgendwann atmete sie geräuschvoll aus. “Es tut mir leid, dass ich dich heute nicht begleitet habe.“ “Kam der Vorschlag nicht von mir?“, fragte ich irritiert. “Mach dir da mal keine Gedanken. Du kennst diese Stephanie also aus dem Waisenhaus?“ “Ja, genau. Und nachdem ich von dort ausgerissen bin, habe ich sie auf der Straße wiedergetroffen. Wir waren ziemlich gute Freundinnen.“ “Und dann?“, fragte ich. “Wie kam es, dass ihr euch aus den Augen verloren habt?“ Violetta setzte sich an den Küchentisch und seufzte. “Das war vor ein paar Jahren. Stephanie hatte so einen zwielichtigen Freund. Ich habe den nie gemocht. Ich glaube, der war ein Drogendealer oder so was. Jedenfalls sind die beiden eines Tages einfach verschwunden. Ihre gemeinsame Wohnung war leergeräumt und sie waren einfach weg.“ Ich zog die Augenbrauen hoch. “Interessant. Hast du sie heute gefragt, was damals los war? Und was sie in den letzten Jahren gemacht hat?“ “Ja, habe ich“, sagte sie. “Aber da wurde sie nur ganz ernst und hat das Thema gewechselt. Keine Ahnung, was da los war!“ Nachdenklich musterte ich sie. “Das klingt ziemlich verdächtig. Das weißt du, oder?“ Sie nickte. “Ist ja ihre Angelegenheit. Ich mische mich da nicht ein.“ “Vernünftig“, sagte ich. “Soll ich dir die Informationen zeigen, die ich bisher habe? Vielleicht findest du die Nadel im Heuhaufen, die ich bisher übersehen habe.“ “Gerne“, sagte sie. “Ich werde es zumindest versuchen.“ Gemeinsam gingen wir ins Wohnzimmer und grübelten für den Rest des Tages über dem Zettelchaos.

      Kapitel 7

      Es war früher

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