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zu verwenden."

      „Und was sind die dortigen Indianer für Menschen?" fragte der Freiherr.

      „Mein werther Herr," sagte der Missionsprediger, „die Frage ist allerdings so gemein gehalten, daß sie Ihnen kein Mensch direct beantworten könnte. Die Eingeborenen jeder Inselgruppe, von denen es eine große Menge giebt, haben nicht allein andere Sitten und Gebräuche, eine andere Religion, einen andern Charakter, sondern selbst auch nicht selten verschiedene Farbe. Im Ganzen kann man aber doch nur ein günstiges Urtheil über die verschiedenen Stämme fällen, die sich sehr häufig bildungsfähig gezeigt haben und auf manchen Inseln mit Begierde die Religion ergriffen, ja selber mit weiter verbreiten halfen. Auf anderen ist es uns schwerer gemacht worden, und verschiedene Gruppen existiren noch, selbst bis auf die heutige Stunde, wo die Bevölkerung sich hartnäckig weigert, den Segen des Christenthums anzunehmen. Aber wir dürfen nicht nachlassen im guten Werke: Gehet in alle Welt und lehret alle Heiden' Das ist das Motto, das Gott uns auf das Schild geschrieben, und um das schwere und edle Werk zu fördern, mache ich jetzt die Rundreise durch Deutschland. Unsere Missionäre setzen wohl ihre Gesundheit, ja ihr Leben für die gute Sache ein, sie entbehren da draußen Alles, was hier der Mensch zum täglichen Leben fast unent-/21/behrlich hält; aber sie sind arm wie die Jünger Jesu, die damals in die Welt zogen. Wir brauchen Druckschriften und Druckerpressen, ja selbst den Bedarf für das tägliche Brod; wir müssen kleine Fahrzeuge unterhalten, die unsere Missionäre von einer Insel zur andern führen, um unsere Filiale zu revidiren oder neue zu gründen. Wir brauchen Tauschartikel, um dadurch das Nothwendige zum Leben von den Eingeborenen selber zu erhalten, da man auf sehr vielen Inseln nicht einmal den Begriff des Geldes kennt. Und selbst die Reise dorthin macht viele Kosten, nicht allein für die Missionäre selber, sondern auch für ihre Familien. Zu entschieden hat sich da nämlich die Nothwendigkeit herausgestellt, in den Frauen derselben den Frauen der Eingeborenen Lehrerinnen zu geben, die sie auf ein civilisirtes, christliches Leben nicht allein vorbereiten können, sondern ihnen auch durch ihren Wandel als gute und nachahmungswerthe Beispiele vorleuchten. Doch das sind Alles Sachen, verehrter Herr, die ich in meiner morgigen Predigt näher und ausführlicher entwickeln werde;

      es würde Sie hier nur ermüden, wollte ich jetzt weitläufig darauf eingehen."

      „Und fallen selbst jetzt noch Kämpfe unter den Eingeborenen vor?" fragte Berchta, die mit der gespanntesten Aufmerksamkeit den Worten des fremden Mannes gelauscht hatte.

      „Allerdings, mein gnädiges Fräulein," erwiderte der Misssionär, „aber weit weniger in den Distrikten, welche wir unserem Glauben gewonnen haben, als in denen, in welchen noch blinder Aberglaube herrscht. Manche Inselgruppen, z. B. den Archipel von Hawaii, haben wir - ich kann wohl mit Recht sagen, vollkommen civilisirt, und seit Jahren ist dort keine Streitaxt erhoben, kein Schuß abgefeuert worden.

      „Welche Wohlthat für die armen Menschen!“ flüsterte Berchta.

      „Wohl eine solche - in der That!" nickte der Missionsprediger, „aber kein Mensch weiß auch, was jene wackeren Leute, die sich einer solchen Unternehmung widmeten, auszustehen hatten; ja sie werden noch von vielen Seiten angefeindet und verdächtigt. Wie traurig ist allein ihr häusliches Leben, wenn /22/ sie nicht glücklich genug waren, von daheim ihre eigene Frau, ihre Familie mitzubringen!"

      „Aber warum heirathen sie da nicht eine von den Landestöchtern?" sagte der Freiherr. „Es soll ein schöner Menschenschlag sein."

      „Das geht nicht," schüttelte der Missionär mit dem Kopf. „Es ist uns auch von dem Collegium selber, wenn auch nicht gerade untersagt, doch angedeutet worden, welche fatale Con- sequenzen das nach anderer Richtung haben könnte; und die Herren waren da in ihrem vollen Recht," setzte er nach kurzer Pause hinzu. „Die Frau des Missionärs soll Mitlehrerin, nicht Schülerin sein, und gerade in dem Nimbus, den wir uns dadurch bewahren, sichern wir uns einen großen Theil unserer Erfolge."

      „Dann müssen also die Missionäre, die ohne Frau hinübergehen, unverehelicht bleiben?" sagte der Freiherr.

      „Nicht immer," erwiderte der Missionär. „Mit einigem Erfolg haben wir doch bewirkt, daß dann und wann brave und gottesfürchtige Jungfrauen den allerdings kühnen Schritt wagten und hinaus zu einem solchen einsamen Bruder zogen, um seine treue Hausfrau zu werden und seine schweren Pflichten mit ihm zu theilen."

      „Ohne ihn zu kennen?" rief Berchta erstaunt.

      „Allerdings, ohne ihn zu kennen," erwiderte Johnson; „es erfordert freilich vielen Muth. Fast immer gehören jedoch diese, wenn auch tugendhaften Wesen den unteren Ständen an - Töchter von Handwerkern zum großen Theil, die auch solch ein Loos als eine Art von Versorgung betrachten, und der arme Missionär muß trotzdem noch froh sein, daß er wenigstens eine Landsmännin gefunden hat, die - wenn sie auch nicht auf dem nämlichen Bildungsgrad mit ihm steht - doch in Freud' und Leid bei ihm ausharren will."

      „Welch ein eigenthümliches Verhältniß!" sagte Berchta sinnend. „Und ganz allein zogen sie in die Welt hinaus, fern von ihrer Heimath fort, ohne Eltern und Geschwister, nur um dort ihre Hand in die eines vollkommen fremden Mannes zu legen? Es ist kaum denkbar!"

      „Und weshalb nicht?" sagte der Missionsprediger freundlich. /23/ „Weshalb sollen Frauen nicht den nämlichen Muth zeigen wie Männer, wenn es gilt, einer Sache zu dienen, die man erst einmal für gut und edel erkannt hat? Und welcher schöne, herrliche Wirkungskreis blüht ihnen nicht da drüben unter den Töchtern des Landes, auf welche der Missionär selber nur durch die Männer des Stammes seinen Einfluß ausüben könnte, und mit denen sie dann direct verkehren und glückliche Familien um sich emporwachsen sehen! Sie, mein gnädiges Fräulein, sind allerdings in anderen Verhältnissen erzogen; Sie ahnen noch gar nicht, welchen Segen ein weibliches Herz über seine Umgebung ausgießen kann, wenn es sich opferfreudig selbst dem Schwersten unterzieht."

      „Und wie leben überhaupt die Frauen dort?" sagte der alte Freiherr, den diese wunderlichen Ehestandsverhältnisse nicht besonders interessirten und der gern mehr von den Eingeborenen des Landes hören wollte. Johnson ging auch gern darauf ein, und erzählte jetzt auf so einfache, aber wirklich höchst anziehende Weise von den Eigenthümlichkeiten der dort lebenden verschiedenen Stämme, daß sie ihm Alle gespannt lauschten und das Gespräch erst zum Schlusse allgemein wurde, wo verschiedene Fragen und Bemerkungen herüber und hinüber wechselten.

      Diakonus Kästner hatte im Anfang fast gar keinen Antheil der Unterhaltung genommen, sondern nur mit großer Aufmerksamkeit die Erzählung des Missionärs verfolgt und dann und wann durch eine geschickt eingeworfene Frage dessen Erklärungen bald auf diesen, bald auf jenen Punkt gelenkt. Cigarren wurden jetzt herumgereicht, aber der Missionsprediger rauchte nicht, er trank auch fast keinen Wein oder doch nur mit Wasser verdünnt, und schien überhaupt an ein sehr mäßiges Leben gewöhnt - wohl die natürliche Folge eines langen Aufenthalts in wilden Ländern und unter daraus folgenden Entbehrungen aller Art.

      Bald nach Tisch empfahl er sich aber, da er noch hinunter in das Städtchen wollte, um mit dem durch Unwohlsein an sein Zimmer gefesselten Geistlichen Manches zu bereden. Die kleine Gesellschaft blieb jedoch im Salon, denn zu viel neue und fremdartige Eindrücke waren ihr geboten worden, um diese /24/ nicht, wo sie noch so frisch in ihrem Gedächtniß lagen, weiter zu verfolgen.

      So saßen sie noch beisammen, als drunten im Hof klappernde Hufschläge gehört wurden; der Freiherr drehte den Kopf danach um, und Claus, der mit im Zimmer servirt hatte und jetzt eben damit beschäftigt war, eine frische Flasche Bordeaux auf den Tisch zu stellen, trat zum Fenster, um zu sehen, wer da gekommen wäre. Sein ganzes Gesicht leuchtete aber auf in demselben Augenblick, und schmunzelnd sagte er:

      „Der junge Herr Baron! Das ist gescheidt!"

      „Der Franz?" rief der alte Freiherr, beide Arme auf den Tisch stemmend.

      „Gewiß! auf einem prächtigen Rappen!" rief Claus. „Und wie er geritten sein muß! Schade, daß er nicht ein bischen früher gekommen ist," setzte er dann halblaut und mehr zu sich selber redend hinzu.

      „Ei, wo kommt der Wetterjunge her?" rief der alte Baron, erfreut von seinem Stuhl aufspringend; aber es blieb ihm kaum Zeit, zum Fenster zu gehen, als die Thür schon aufgerissen wurde, denn Franz, wie er nur

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