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tiefes Grübchen in jeder Wange. Volles, lockiges, kastanienbraunes Haar umwallte ihr Haupt, und sonderbar stachen dagegen die wunderbar schönen blauen Augen ab, die sich so selten zugleich mit dunkeln Haaren finden. Die unweibliche Beschäftigung der Jagd hatte aber keinen nachtheiligen Einfluß auf ihr Benehmen ausgeübt. Sie glich in keiner Weise jenen sogenannten „emancipirten" Frauenzimmern, die gerade darin etwas suchen, ihre schönste Zierde - schüchterne Weiblichkeit - abzustreifen. Sie war frei und offen in ihrem ganzen Wesen, ohne je auch nur um eines Haares Breite die Grenzen zu überschreiten, welche zarte Sitte um ihr Geschlecht gezogen.

      Aber in den blauen Augen lag auch eine tiefe Schwärmerei, ein Erbtheil, und zwar ein gefährliches, der Mutter, und fand allerdings in den vielen einsamen Stunden, die sie hier verleben mußte, reichliche Nahrung.

      Berchta war tief religiös, aber ihr gesunder, klarer Geist bewahrte sie doch vor einer Uebertreibung dieser Tugend, die so leicht in ein bigottes Formenwesen ausartet. Der Tod der Mutter ergriff furchtbar ihr weiches Gemüth und nährte mit den schon in ihr Herz gelegten Keim, der ihr die ganze Seele bald mit einem unerklärlichen Sehnen erfüllte.

      Die Erziehung des Vaters, der sie fortwährend mit hinaus in Feld und Wald nahm, diente allerdings dazu, sie in etwas davon ab- und der Erde wieder mehr zuzuwenden, aber ganz unterdrücken konnte er diese geistige Anspannung nicht, ja er gab ihr auf der andern Seite - selbst bei dieser Erholung - frische Nahrung.

      Die Kreuzzüge waren, wie schon erwähnt, sein Lieblingsthema, ja er hatte sogar einmal seinen Vorfahr, der eine Streitaxt in Form eines Kreuzes geführt haben sollte, poetisch besungen und das Gedicht dann, da keine größere Zeitung veranlaßt werden konnte es aufzunehmen, in das Kreisblatt einrücken lassen. Von diesen Kreuzzügen erzählte er auch am liebsten, und hatte sich in der That eine ganze Bibliothek /4/ darüber angeschafft, in der auch Berchta natürlich fleißig lesen mußte.

      Dadurch bekam ihre Schwärmerei ein bestimmtes Ziel. Sie konnte sich dafür begeistern, daß es Menschen gegeben hatte, die ihr Leben einsetzten, um das Grab des Heilands den Bekennern des Islam nicht allein zu entreißen, sondern auch dadurch wieder das Christenthum auf jenen Boden zu pflanzen, von dem es ausgegangen war und sein Licht über die ganze Erde verbreitet hatte.

      Warum war sie kein Mann geworden - warum nicht in einer Zeit geboren, in der sie selber Theil an solchen Gefahren nehmen konnte! Ach, wie gern hätte sie freudig ihr Leben hingegeben, um ein so hohes, so seliges Ziel erreichen zu helfen!

      Ein wenn nicht täglicher, doch sehr häufiger Gast im Schlosse war der Diakonus des Ortes.

      Unter dem Schölfenstein, und kaum ein halb Stündchen davon entfernt, lag das kleine Städtchen Rothenkirchen. Der Pastor aber, der schon seit längerer Zeit kränkelte, hatte einen Diakonus beibekommen, um ihn in seinen Predigten zu unterstützen, und dieser erwies sich denn auch bald für den Baron als ein wahrer Schatz in seiner Einsamkeit. Kästner, wie der Diakonus hieß, war ein durchaus gebildeter, tüchtiger junger Mann, der zugleich mit einem bedeutenden musikalischen Talent einen Lieblingswunsch des alten Herrn von Schöffe erfüllen und Berchta in der Musik unterrichten konnte. Aber dabei blieb es nicht; das junge, damals kaum der Schule entwachsene Mädchen, dessen reger Geist eine entsprechende Beschäftigung verlangte, sehnte sich selber nach einer solchen, und ihr Vater bewilligte gern, daß der Diakonus auch noch einen Cursus von Literatur und Kirchengeschichte - inclusive „Kreuzzüge" - hinzufügte. Gehörte der Diakonus doch einer streng orthodoxen Richtung an, und es war deshalb nicht zu fürchten, daß er schädliche Lehren in die Brust des noch halben Kindes pflanzen würde.

      Aber Diakonus Kästner war auch noch in anderer Weise im Schlosse willkommen, denn er spielte nicht allein sehr gut Clavier, sondern auch eben so fertig Schach und Piquet, und zeigte sich dadurch also nach allen Seiten nützlich, ja fast un-/5/entbehrlich. Uebrigens war er in seinem ganzen Wesen gerade das Gegentheil von dem alten Baron, der eben derb und rauh seinen geraden Weg durch's Leben ging und ohne Scheu herauspolterte, was und wie er's meinte. Kästner dagegen, obgleich wahrscheinlich eben so rechtschaffen in seinen moralischen Ansichten und dabei, was der alte Baron nicht war, gründlich gebildet und belesen, hatte - in sehr gedrückten Verhältnissen erzogen - das Gefühl der Freiheit und Ungebundenheit, das jenem eine so große Sicherheit verlieh, nie kennen gelernt. Er war, so lange er denken konnte, immer von anderen, fremden Menschen abhängig, und der erste Lichtblick in seinem Leben eigentlich der gewesen, als er die Stellung als Diakonus in Rothenkirchen bekam.

      Aber Kästner war ehrgeizig, und der Umgang mit dem Baron schmeichelte zuerst seiner, darin allerdings unschuldigen Eitelkeit, während es ihm Freude machte, das noch blutjunge, aber bildhübsche Mädchen, dessen reiche Fähigkeiten er bald erkannte, heranzubilden und zu unterrichten.

      Doch die Jahre vergingen; Berchta wurde älter, und während sie in Allem, worin sie Kästner unterrichten konnte, erstaunlich rasche Fortschritte machte, erwachte in dem Diakonus selber allmälig und unbewußt ein Gefühl für die Jungfrau, vor dem er, als er es entdeckte, erschrak.

      Allerdings kämpfte er ernstlich dagegen an; er suchte sich klar zu machen, wie wahnsinnig eine solche Leidenschaft für ihn, den armen Diakonus, sein müsse; aber was richtet überhaupt Vernunft gegen Liebe aus? Nach einiger Zeit begann er schon in seinem Herzen das Für und Wider solcher aufkeimenden Hoffnungen zu erwägen, bei denen das Wider freilich sehr das Für überwog. Wenn der alte Baron überhaupt auf etwas stolz genannt werden konnte, so war er das auf seine Ahnen und sein Kind, und trotzdem baute Kästner auf dessen streng frommes Gemüth seine Hoffnung. Er wußte auch, wie der alte Herr an seinem Kinde hing, und sah er wirklich, daß sich Berchta auch unter bescheidenen Verhältnissen

      glücklich fühlen würde, hätte er da nicht doch vielleicht seinen alten Ahnenstolz vergessen?

      Aber das Alles mußte ja doch der Zeit überlassen bleiben, /6/ und Diakonus Kästner war auch der Mann dazu, um diese geduldig abzuwarten. Selber ziemlich heftiger Gemüthsart, hatte er solche mit zäher Willenskraft zu bändigen gewußt und sich, schon von der Liebe zu Berchta dabei getrieben, den Launen des alten Herrn so angeschmiegt, daß sich dieser wirklich keinen besseren Gesellschafter wünschen konnte. Ein Streit fiel zwischen ihnen in ihrer Unterhaltung niemals vor. Ueber Religion waren sie fast vollständig einerlei Meinung, das Thema also zu monoton, um es weiter zu behandeln, und über Politik wurde, nach stillschweigendem Uebereinkommen, wenig oder gar nichts gesprochen, da der alte Herr, wenn er auch in seinen Kreisen einer sehr freisinnigen Richtung angehörte, doch in seinen Ansichten mit dem weit radicaleren Diakonus noch ziemlich auseinanderging. Dafür aber hatten sie ein anderes Thema, auf welchem sie sich desto ungestörter und harmonischer bewegen konnten: die Forstwissenschaft.

      Kästner, der mit der ihm eigenen Gewandtheit Alles ergriff, was ihn interessirte, war bei seinen tüchtigen Vorkenntnissen in Naturwissenschaften und mit der Gelegenheit umher ein ganz tüchtiger Forstmann geworden, und dabei - allerdings nicht zufällig - auf die Lieblings-beschäftigung des Barons gerathen. Dieser bedauerte auch in der That nichts weiter, als daß der junge Geistliche nicht auch Jäger und Schütze wäre, um ihn manchmal mit auf die Jagd hinaus zu nehmen. Dafür hatte aber Kästner keinen Sinn, und wenn er auch anfangs, dem alten Herrn zu Liebe, ein paar Mal mitfuhr, so hätte das doch beinahe ein böses Ende genommen und der Diaconus einen der Treiber erschossen. Die Kugel ging dem armen Teufel wenigstens zwischen Hemd und Haut durch, und es kostete dem Baron damals viel Geld, um die Sache zu vertuschen, damit sie nicht dem Consistorium zu Ohren kam.

      Von da an lud er ihn nie wieder mit zur Jagd ein, ging aber desto öfter mit ihm im Walde spazieren, um die neuen Culturen anzusehen oder frische Anlagen zu besprechen. So, mit seiner Partie am Abend und dem Unterricht der Tochter, war Kästner nicht allein ein gerngesehener, nein, unentbehrlicher Gast im Schlosse geworden, und selbst Berchta /7/ fühlte sich einsam, wenn sie ihn einmal einen Tag entbehren

      Und Berchta wuchs heran; sie wurde achtzehn und zwanzig Jahre, und mit ihr wuchs in Kästner's Brust die Leidenschaft für das junge, wunderschöne und so liebliche Mädchen. Wohl sagte er sich oft, wie unmöglich es sein würde, den alten, adelsstolzen Baron zu einer Einwilligung zu vermögen, und dann auch wieder, wenn er mit diesem und Berchta manchen Abend über altvergangene Scenen sprach, und der Baron nicht aufhören konnte, die Alles opfernde Liebe der Kreuzfahrer zu schildern, und Berchta ihm zustimmte,

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