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Signatur erscheint homogen und in einem Zug ausgeführt. Der Bildtitel weist ähnliche Strukturen auf.

       Somit geben die naturwissenschaftlichen Untersuchungen keine Argumente gegen eine Zuordnung zu Paul Gauguin.

       gez. Dr. Dr. Mannzahn, gez. Dr. Guller

      Im Anhang des Gutachtens fand sich dann noch die Aufführung aller Einzelproben. Neben dem genauen Entnahmeort innerhalb der Bildoberfläche wurde auch der Aufbau und die Zusammensetzung der jeweiligen Proben beschrieben, sortiert nach den Farben der Schichtenfolge und der gefundenen Materialien. Auf die letzte Seite waren schließlich noch stark vergrößerte Fotografien der Proben aufgeklebt. Simon legte sein Exemplar des Gutachtens auf den Besprechungstisch und lehnte sich in seinen Stuhl zurück.

      »Diese Berichte sind immer so geballt an naturwissenschaftlichen Erkenntnissen«, stöhnte er.

      »Kommen Sie, die Herren haben sich aber wirklich bemüht, alles verständlich auszudrücken«, kommentierte Heinz Kühler. »Ich habe da schon Schlimmeres gelesen. Außerdem müssen Sie sich nur die Seite mit dem Ergebnis genauer durchlesen.«

      Simon richtete sich wieder auf, griff nach dem Gutachten und suchte noch einmal die Seite mit der Zusammenfassung und las sich das Fazit des Berichtes erneut durch.

      »Es klingt doch eigentlich so, als wenn der Gauguin echt ist«, sagte er schließlich. »Warum heißt es dann aber am Ende, dass es keine Argumente gegen eine Zuordnung zu Paul Gauguin gibt, warum sagen die nicht einfach, dass das Bild ein Original ist?«

      »Nichts Genaues weiß man nicht«, zitierte Heinz Kühler und lächelte. Dann räusperte er sich. »Also, Fazit ist doch, dass der Gauguin aus Materialsicht authentisch ist.«

      Simon nickte. »Natürlich, so verstehe ich es letztendlich auch, ohne dass wir die Herren Chemiker noch einmal befragen müssten. Soweit so gut.« Er machte eine kurze Pause und atmete hörbar aus. »Jetzt haben wir noch das Problem mit dem Herkunftsnachweis«, sagte er schließlich.

      »Gut!«, überlegte Heinz Kühler. »Es gibt zwei Adressen, unter denen eine Recherche Erfolg versprechend ist, einmal in den Tate Galleries und dann noch im Victoria and Albert Museum, beide Institutionen haben ihren Sitz in London und beide verfügen über umfangreiche Sammlungen von Ausstellungskatalogen sowohl der noch existierenden Galerien und Museen als auch der bereits geschlossenen oder zum Beispiel im Krieg ausgebombten Häuser.«

      »London wäre doch eine schöne Dienstreise für Sie«, meinte Simon.

      »Sicherlich, wenn man zum Trafalgar Square oder zu Madame Tussaud will, aber nicht, wenn man sich in einem staubigen Archiv durch Akten wühlen muss, ich weiß nicht.«

      Simon lächelte. »Fahren Sie doch einfach für eine Woche hin. Vielleicht sind Sie schneller fertig als Sie glauben und dann können Sie den Rest der Zeit für ein Sightseeing nutzen.«

      Heinz Kühler sah seinen Chef ungläubig an. »Das ist doch nicht Ihr Ernst, eine Woche bezahlten Urlaub.«

      »Oh, das habe ich aber nicht gesagt«, antwortete Simon lachend. »Von Urlaub habe ich nicht gesprochen. Sie sollen schon dort arbeiten. Sie dürfen sich nur ein wenig Zeit lassen, das habe ich gemeint.«

      »Nun gut, eine Woche oder maximal vier Tage ist schon realistisch«, rechnete Heinz Kühler. »Für die Recherche selbst benötigt man schon zwei oder drei Tage. Was ich bis dahin nicht ausgrabe, das gibt es dann auch nicht und ich denke gerade das wird auch das Problem sein. Was machen wir, wenn der Gauguin tatsächlich niemals irgendwo ausgestellt war oder nie einem Museum oder einer Galerie gehört hat, wenn er die ganze Zeit in Privatbesitz verschlossen war. Dieser Linz besitzt das Bild doch auch schon seit sieben oder acht Jahren und die Fachwelt hat nichts davon erfahren.«

      Simon nickte nachdenklich. »Er hat nicht viel dazu sagen können. Er hat mir auch nicht verraten, wie der Kontakt genau zustande kam. Er hat sich ein- oder zweimal mit dem Verkäufer getroffen und weiß angeblich bis heute nicht, wer es war, oder wie der Mann hieß. Er hat das Bild dann gekauft, nachdem er seine eigenen Materialanalysen gemacht hatte. Es war ihm damals nur wichtig das Bild zu bekommen, nachdem er davon überzeugt war, dass es echt sei.«

      »Wie sieht es mit unseren Kosten aus?«, fragte Heinz Kühler.

      Simon spitzte die Lippen. »Noch hält sich das Ganze in Grenzen«, antwortete er, »das müssen Sie doch auch zugeben, oder?«

      »Gut, was haben das Labor und der Gutachter zusammen gekostet, vielleicht Zweitausend.« Heinz Kühler überlegte. »Die Reise, die ich nach London machen soll, wird auch noch einmal einen Tausender kosten. Das ist in der Tat soweit noch überschaubar.«

      *

      In den letzten anderthalb Wochen hatte Florence ihr Büro nur selten betreten. Sie war viel unterwegs. Bei den Inventurvorbereitungen hatte sie von der Krankenhausverwaltung den Auftrag erhalten, alle Bestände an Medikamenten und medizinischen Geräten, auch in den beiden anderen Hospitälern auf Hiva Oa und Ua Pou zu erfassen. Hierfür war sie allein drei Tage unterwegs. Sie hatten insgesamt nur eine Woche zur Vorbereitung des Termins, an dem der Wirtschaftsprüfer aus Tahiti eine Inspektion des Krankenhausbetriebs durchführen wollte. Die Apotheke hatte zwar ihre Eigenständigkeit, war aber eng mit dem Krankenhaus verbunden. Eine gegenseitige Unterstützung war hier unumgänglich. Alles war gut verlaufen. Das Krankenhaus war zufrieden und auch der Wirtschaftsprüfer hatte nichts auszusetzen. Am Morgen hatte Florence noch mit den Ärzten und der Verwaltung zusammengestanden und den positiven Bescheid aus Tahiti gefeiert. Sie hatte heute Vormittag tatsächlich wieder das erste Mal die Ruhe, ihre Mails am Computer zu lesen. Während das Gerät noch hochfuhr, holte sie sich einen Kaffee. Als sie zurückkam, musste sie feststellen, dass sie ihr Passwort für den Zugriff auf das Netz und auf ihre eigenen Daten, vergessen hatte. Für diesen Fall, der bei ihr immer wieder einmal vorkam, hatte sie in einem Aktenordner, einem richtigen Aktenordner aus Pappe und Papier, unter dem Buchstaben C, ihr Passwort aufgeschrieben. Beim weiteren Hochfahren des Rechners wurden einige Programme aufgerufen, die sie sich in die Autostartdatei gelegt hatte. So wurde gleich das Mailprogramm gestartet und sie hatte sofort Zugriff auf alle neuen Nachrichten, die in der Zwischenzeit eingegangen waren. Es waren über hundert Einträge. Sie begann zu sortieren. Vieles hatte sich bereits erledigt. Es gab sogar schon Mails von den Firmen, deren Stände sie auf der Messe in Paris besucht hatte. Ein Firmenvertreter hatte ihr sogar eine recht persönliche Nachricht geschrieben, in der er sich noch einmal für das Interesse an seinem Unternehmen bedankte. Florence musste an die Bemerkung ihres Bruders denken, obwohl sie sich an den Mann kaum erinnern konnte. Sie ging die Mails weiter durch. Ziemlich zum Schluss entdeckte sie dann eine Nachricht von ihrer Freundin Colette aus München. Sie öffnete die Mail sofort und las sich den Text durch. Colette hatte ihr die Fotografien geschickt. Es waren die Bilder von den beiden Tagen in München. Florence begann eines nach dem anderen zu öffnen. Die Bilder waren sehr schön geworden. Nach der zweiten Aufnahme stellte sie das Anzeigeprogramm auf Vollbild und ließ die Fotos automatisch durchlaufen. Bei einem machte sie halt. Es war die Szene im Restaurant, als sie den Fotoapparat auf den Nachbartisch gestellt hatten und Colette wegen des Selbstauslösers schnell auf ihren Platz zurückmusste. Florence erinnerte sich, dass Colette gestolpert und fast hingefallen wäre. Als sie es gerade noch an den Tisch geschafft hatte, schaute sie ganz verdutzt und blinzelte in das aufflackernde Blitzlicht. Colette hatte anscheinend keine Zensur vorgenommen und ihr auch dieses Bild geschickt. Florence ging zum nächsten Foto und zum übernächsten. Der Torbogen am Sendlingplatz und der Hamburger Fischmarkt mitten in München. Sie konnte sich an die eine oder andere Situation noch gut erinnern. Als sie die achte Datei öffnete, begriff sie nicht gleich. Die Aufnahme zeigte weder sie noch Colette. Sie dachte erst, es sei das Foto eines Buchdeckels, bis sie erkannte, dass es sich um ein gemaltes Bild handelte, um ein Ölgemälde. Sie betrachtete es ausgiebig. Sie dachte erst, dass es ein Spaß sei. Sie schaute das Bild lange an, nicht so sehr das kleine Mädchen mit dem Sonnenhut, sondern mehr die Umgebung im Hintergrund, den Strand und die Palmen. Die Form des Bootes kam ihr bekannt vor. Auf den Marquesas gab es nicht mehr viele dieser Fischerboote. Sie kannte sie aber noch von alten Fotos. Und dann das kleine Mädchen, dieses Gesicht, der Hut, der einen kurzen Schatten auf die glatte Stirn

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