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natürlich vereint. Auch ich fühlte mich in ihrer Nähe ausgesprochen wohl und genoss sogar die Momente unseres Beisammenseins auf gewisse Art.

      Grace erhob sich und trat nun jeden Schritt bewusst wählend ganz dicht an mich heran. Ihr blumiges Parfüm erfüllte kraftvoll die Luft meiner Umgebung. Sacht berührte sie mit ihren weichen Fingern meinen Arm. Ich empfand dies als sehr angenehm und war zugleich erstaunt darüber.

      „In wen?“ Die Frage war kurz und prägnant.

      Die Neugierige wollte unbedingt die Wahrheit wissen.

      „Sie ist einfach vollkommen!“, erklärte ich begeistert mit leuchtenden Augen.

      Die Schöne kam noch näher. Ihr Atem roch etwas nach Kaviar. Sogar das wirkte bei ihr nicht unangenehm, obwohl ich Fisch nicht mochte. Es war nur eine kleine Brise, so als stände man am Rand des Ozeans und ließ dessen erhabenen Odem ganz bewusst auf sich wirken.

      „Wer ist sie?“, flüsterte sie sinnlich und erhoffte dabei eine ganz bestimmte Antwort.

      Ich entfernte mich kurz und holte geschwind ein Blatt von meinem Schreibtisch.

      Grace sah es sich mit einem äußerst verblüfften Ausdruck im Gesicht an. Sie verstand rein gar nichts. Mathematik gehörte nicht zu den Dingen, mit denen die Hübsche sich gern beschäftigte.

      „Was ist das?“ Ihre blauen Augen musterten unverständig und geradezu geringschätzig die langen Zahlenreihen.

      „Das ist der Beweis, dass es sie geben muss?“ Ich war innerlich euphorisch. Das Ergebnis stellte einen Durchbruch dar und bewies, dass meine Theorie absolut richtig war.

      „Wen?“ Meine Besucherin war schockiert und riss ihre großen Augen noch erstaunter auf. Diese schienen fast aus den Höhlen zu fallen. Ihre Augäpfel waren mir noch nie so groß erschienen.

      „Na die Vollkommenste!“, stieß ich abermals enthusiastisch hervor.

      „Percy, das sind doch nur ganz blöde Zahlen!“, brachte es Grace gekonnt auf den Punkt. Man sah, dass das Mädchen in diesem Augenblick maßlos von mir enttäuscht war. Ich ahnte unterbewusst, dass sie offenbar etwas anderes erwartet hatte, doch ich wollte sie keinesfalls belügen oder ihr falsche Hoffnungen machen. Mit uns konnte es nun leider nichts werden, obwohl sie mir keineswegs unsympathisch war. Nein es war noch mehr, ich mochte sie. Es war Grace sogar gelungen, ein Teil meines Lebens zu werden. Mich konnte mit ihr aber nur eine platonische Freundschaft verbinden, da ich mein Herz urplötzlich an eine Andere vergeben hatte. Was kann man schon gegen machtvolle Gefühle tun? Sie sich aus dem Herz reißen?

      Die inzwischen äußerst aufgebrachte Besucherin tat mir in diesem Moment natürlich sehr leid. Sie rang um Beherrschung. Wie hatte ich nur denken können, dass sie sich über diese Offenbarung freuen würde.

      Ich lächelte tapfer.

      „Das sind nicht nur Zahlen!“, erklärte ich bestimmt. Ein wenig gekränkt war ich schon, dass sie dahinter nicht das erkannte, was mein junges Herz zum Klopfen brachte.

      „Du musst vollkommen verrückt sein!“, brach es aus ihr heraus.

      Wütend warf sie das Blatt auf die Erde, trat symbolisch mit ihrem feinen Schuh darauf und brachte demonstrativ ihre bezaubernde weibliche Figur in Erscheinung

      „Hallo, bist du blind?“ Sie reckte ihre großen prallen Brüste vor. Ja, die waren sehenswert. In ihren Augen standen erste kindliche Tränen. Das leicht geschminkte Gesicht wirkte vollkommen fassungslos, als hätte sie den Boden unter den Füßen verloren.

      „Du siehst selbstverständlich wundervoll aus!“, gestand ich ihr stammelnd zu.

      „Was heißt denn das? Percy, ich mag dich wirklich, besonders deinen merkwürdigen Humor!“, murmelte sie. Noch immer hoffte sie wohl, dass alles sich als ein dummer jungenhafter Scherz entpuppen würde.

      Das machte es noch schwerer. Nun wurde es mir sogar etwas peinlich.

      „Tut mir leid, ich liebe eben eine andere!“, zog ich mutig den Schlussstrich. Gerade, weil wir Freunde waren und ich Grace schätzte, musste ich vollkommen ehrlich zu ihr sein.

      Eine Trennung ist immer dann schwierig, wenn eine Seite Gefühle entwickelt, die andere jedoch nicht. Das war mir schon klar. Was sollte ich aber sonst tun? Mir blieb nur Aufrichtigkeit.

      Die Aufgebrachte nahm fassungslos und von Zorn erfüllt ihren Mantel. Sie fühlte sich gekränkt und zudem ihrer weiblichen Würde beraubt.

      „Mein Gott, ich verliere gegen eine Zahlenreihe!“

      Tränen liefen ihre Wangen hinunter.

      Einen kurzen Moment hielt sie inne und zog ein kleines Päckchen heraus. Sie warf es in meine Richtung. Es verfehlte mich jedoch.

      „Fast hätte ich dein Geschenk vergessen!“

      Ohne Gruß schmetterte sie wütend die Tür hinter sich zu. Das Mädchen besaß viel Temperament. Für eine Sekunde bereute ich meine Offenheit. Ich hatte sie keineswegs aus meinem Leben vertreiben wollen.

      Vielleicht war das aber am besten für uns beide. Es gibt vielleicht keine platonische Freundschaft zwischen einem richtigen Mann und einer Frau. Nur Dummköpfe halten so etwas offenbar für möglich.

      Wer ist schon vollkommen

      Den Kopf voll wirrer Gedanken und noch immer aufgewühlt ging ich in meinen Sportraum und schlug wütend immer wieder auf den Punchingball ein. Körperliche Betätigung half mir in solchen Momenten, wieder zu mir zu finden. Ich war nicht nur ein guter Mathematiker, sondern auch ein ziemlich guter Faustkämpfer, Pistolenschütze und Reiter. Schon manches sportliche Turnier hatte ich zur Freude meiner Mutter auf dem Pferderücken oder im Ring für mich entschieden. Auf einem Sideboard standen einige Pokale und an der Wind hingen mehrere Urkunden als Zeugnis meiner Siege. Wie heißt es so schön? Gegensätze ziehen sich an. Meine ganze Persönlichkeit war dafür ein Beispiel.

      Ich galt gemeinhin als ein ganz besonderes Wunderkind, so etwas wie ein mathematisches Genie. Das Schicksal oder der Zufall hatte mich mit einem sogenannten eidetischen Gedächtnis gesegnet. Unter Milliarden Menschen besaß dieses Talent meist nur einer. Ganze Buchseiten speicherte ich binnen Sekunden für immer in meinem Gehirn ab. Das Wissen war dort jederzeit abrufbar, wie aus einem Lehrbuch.

      Trotz meiner wissenschaftlichen Interessen und des fotografischen Merkvermögens war ich also kein bleicher Bücherwurm oder einer dieser mit dicken Gläsern bebrillten Klugscheißer. Mein fröhliches Lachen, die muskulöse, aufrechte Gestalt, mein Witz und die schalkhaften Augen wirkten wie der Zauber einer Fee auf die Menschen. Das hatte anscheinend auch bei Grace zu Gefühlen für mich geführt. Die Welt liebte und bewunderte mich zumeist. Durch diese Fähigkeiten, meine vornehme Erscheinung und das große Erbvermögen galt ich im Moment als eine gute Partie.

      Wir zählten zu den zehn reichsten Familien in Manhattan. In etwa drei Jahren, zum 21. Geburtstag, würde ich zudem große Reichtümer erben. Mein Vater hatte sie mir als einzigem Nachkommen zugedacht. Er war seit drei Jahren verschollen und ich sein einziger Sohn. Man vermutete, dass Banditen ihn auf einer Geschäftsreise getötet hatten. Sein spurloses Verschwinden blieb ein Rätsel und konnte bisher nicht aufgeklärt werden. Von einem auf den anderen Tag war er einfach aus unserem Leben verschwunden. Fast so, als hätte es ihn niemals gegeben und sein Leben wäre nur eine dieser Geschichten.

      Unser Domizil befand sich im Zentrum von Manhattan. Zusammen mit Mama und unseren Bediensteten lebte ich in einem repräsentativen Penthouse. Das gesamte marmorverkleidete Hochhaus gehörte uns allein. Unter der riesigen Wohnung, die sich über zwei Stockwerke erstreckte, befanden sich die zahlreichen Büroräume unserer Handelsfirma. Man munkelte, dass ihn vielleicht ein Konkurrent entführt und ermordet hatte. Die Polizei tappte jedoch noch immer im Dunklen. Wir hatten uns inzwischen mit dieser Situation arrangiert.

      Im Nachhinein erschien es mir als ein Fehler, dass ich Grace mein besonderes Geheimnis offenbart hatte. Mir war klar, dass ich sie verletzt hatte

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