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darf es denn sein? Für dein Schlafzimmer? Lass mich mal nachdenken … Vielleicht die Rosenkranzmadonna? Oder gar die Allegorie der Vergänglichkeit?“

      „Nein, bloß kein altväterliches Genre!“, wehrte er sogleich ab.

      Er merkte nicht einmal, dass ich ihn beleidigen wollte, oder vielleicht ignorierte er es auch einfach, weil er mich ohnehin noch nie für voll nahm.

      „Nackt soll sie sein. Jung und nackt. Nicht fett, nicht mager, nicht religiös verklärt. Und vor allem: nicht teuer!“

      „Die gibt’s im KHM nicht“, bemerkte ich und stichelte nach: „Und vor allem keine, die billig ist!“

      Abermals wich er meiner mühsam zugefeilten Klinge aus und meinte nur: „Du wirst schon eine finden. Du kennst meinen Kunstgeschmack.“

      Den kannte ich allerdings. Sein Kunstgeschmack war drall. Möglicherweise waren es auch die Mädchen, die nach mir kamen.

      Und er hatte leider recht. Ich musste nicht lange überlegen und nicht mal den Katalog des Museums zurate ziehen, denn da kam nur eine infrage: die Kurtisane aus Saal I, bei deren Betrachtung schon dem alten Tizian der Pinsel aus der Hand gefallen sein muss – möglicherweise war das auch der Grund, weshalb er da und dort mit den Fingern gemalt hat. – Diese Besonderheit erfuhr ich von einer Kunsthistorikerin … Ob es wegen der körperlichen Reize seines Modells war, ist historisch freilich nicht belegt.

      Dem Mädchen im Pelz – einer blutjungen Schönheit aus der Renaissance – sieht man jedenfalls nicht an, dass der Alte Meister auf unkonventionelle Weise an ihr herumgefingert hatte. Sie wirkt, wie alle diese Damen: arrogant und unnahbar. Ihrer atemberaubenden Wirkung bewusst, blickt sie kokett aus dem schweren Goldrahmen und ist dem Betrachter direkt zugewandt. Ihre rechte, milchig weiße, perlengeschmückte Hand schiebt mit einer eleganten Geste die kostbare Pelzstola beiseite und offenbart einen nackten, makellosen Busen.

      Ralph, mein Ex, war begeistert von meinem Vorschlag. Ja, genau die sollte es werden – die sollte künftig seine Muse sein. Sanctus!

      „Die wird aber teuer“, meinte ich beiläufig.

      Geradezu hörbar zog er die Luft ein, aber ich fuhr unbeirrt fort, denn schließlich wusste ich ja, wie ich ihn aus der Reserve locken konnte, selbst wenn ich mein Wissen nur selten angewendet habe. „Du kennst meinen Qualitätsanspruch bei meinen Arbeiten – einen Alten Meister zu kopieren ist keine Pfuscharbeit! Schon allein die Untermalung ist eine Wissenschaft für sich; bereits da muss alles stimmen, sonst wird das nichts. Selbstverständlich, verwende ich – wie du ja weißt – nur die besten Materialien: die teuerste Leinwand, die feinsten Pigmente, das hochwertigste Öl …“ Dann zählte ich auch noch eine Reihe von Pinseln in der Stärke 0 bis 16 auf, natürlich mit Rotmarderhaaren und von Kolinsky, alle direkt aus Sibirien und von vorerst noch nicht artgeschützten Tieren, aber genauso teuer, als wären sie es bereits.

      Im Hörer schnaufte es.

      Ich wollte langsam zum Schluss kommen. „Das sind nur einige der Werkstoffe, die ich anschaffen muss, um mich überhaupt mal aus der Ferne dem Meister nähern zu dürfen! Und außerdem“, setzte ich noch mal an, „wenn die Kopie genauso aussehen soll wie das Original, musst du mit“ – ich legte eine Denkpause ein, holte tief Luft, um gleich darauf tapfer zu eröffnen – „neun Monaten Arbeitszeit rechnen.“

      Wie nicht anders zu erwarten, verlor er die Beherrschung und bellte ins Telefon: „Da bekommen ja andere Weiber schon Kinder!“

      Ich tat, als hätte ich seinen emotionalen Ausbruch überhört – anscheinend war ich gut in Form – und fuhr fort: „Nun – alles zusammengerechnet, macht einen Preis von …!“

      Die immens hohe Zahl musste wie eine Kakerlake durch die Leitung geschlüpft sein, denn ich hörte einen kurzen, kaum unterdrückten Brüller.

      Dann war es ganz still am anderen Ende der Leitung. Kein Schnaufen mehr, kein Ringen nach Luft, auch keine Ausfälligkeiten, die ich eigentlich erwartet hätte angesichts des weit überhöhten Honorars; im Hintergrund war nur das nervöse Ticktack seiner Pendeluhr zu hören, dieses Geräusch, das mir so verhasst war wie nächtliches Telefonklingeln.

      Eine vage Hoffnung keimte in mir auf: Vielleicht würde er es sich doch noch überlegen, und ich wäre den Auftrag elegant los. Diesen Preis wird er bestimmt nicht zahlen wollen. Dazu verspürte ich ja so gut wie keine Lust, wegen meines Ex gegen meine Prinzipien zu verstoßen und Kopien anzufertigen wie eine Kunststudentin im ersten Semester. Aber genau genommen wollte ich nicht für ihn malen … um keinen Preis!

      Doch er blieb dabei. „Einverstanden! Wann kannst du anfangen?“

      Dass er mir damit nun den Wind aus den Segeln nahm, war auch wieder typisch für ihn. Vermutlich sagte er nur zu, weil er genau wusste, dass er mir damit eins auswischen konnte.

      Ein außergewöhnliches Ereignis

      Das Klima im Museum war kühl und feucht.

      “Perfekt klimatisiert für die kostbaren Bilder – die brauchen das“, erfuhr ich von einer Aufseherin, als ich sie fragte, ob das normal sei und ob man das Ding, das neben mir in der Ecke stand und mir beständig feuchte Luft in den Kragen blies, nicht einfach ohne viel Aufhebens abdrehen könnte.

      Und was brauchte ich? Natürlich Geld! – Wozu sonst würde ich mir das antun. Barock gewölbte Leiber malen war nie meine Sache. Als Studentin einer privaten Kunstschule musste ich oft genug verstaubten Kunststil nachpinseln – eine schier nicht enden wollende Galerie von blaugrün beschatteten, füllig aufgetürmten Hautdellen auf pompösen Oberschenkeln rotgesichtiger, wulstiger Weiber einer der Fresssucht verfallenen Epoche. Allein schon beim Anblick dieser Bilder wurde mir übel. Vielleicht rührte meine Vorliebe für Dinner-Cancelling von daher … und nicht, weil ich gegen das Schönheitsideal von Ex rebellierte.

      Zugegeben, das Mädchen im Pelz ist keine von den Rubens-Dolce-Vita-Anhängerinnen, die auch mein Lehrer – nahezu besessen von diesen gewissen Fleischtönen – an der Kunstschule so schätzte.

      Das fellbehangene Luder gehört einer früheren Epoche an, hat aber ebenso das untrügliche Zeichen um das Handgelenk: eine Verdickung, die sie als zu wohlgenährt ausweist.

      Jedoch, was soll’s, sagte ich mir. Der Künstler lebt ungern nur von Brot allein.

      Also begann ich, das Venusgeschöpf zu reproduzieren.

      Mein Arbeitsplatz im Museum war zwar noch langweiliger, als ich ursprünglich befürchtet hatte, aber was ich durchaus zu schätzen wusste: Es gab hier keine Hunde!

      Seit mich der irgendwie zu klein geratene Schoßhund einer meiner Auftraggeberinnen – während ich sein Frauchen porträtierte – offensichtlich mit einem Baum verwechselte und mir ans Bein pinkelte, kann ich Hunde, die mich beim Malen beobachten, nicht ausstehen. Zur Ehrenrettung der kleinen Bestie muss ich allerdings anmerken, dass Fifi sicher noch nie einen Baum gesehen hat, weil Fifi üblicherweise in einem mit Katzenstreu angefüllten und mit rosa Plüsch verbrämten Kistchen sein Geschäft verrichten musste. Damals hatte ich einen schlammfarbenen, langen Kittel an – so einen, wie Monet ihn trug – und fragte mich: Wer hat dem verflixten Winzling bloß gesagt, dass Baumrinde eine ähnliche Farbe hat? Ein Rest von Hundegenom in seinem kleinen Fledermausschädel wird es ihm wohl geflüstert haben. Aber, sind Hunde nicht farbenblind? Was wusste ich schon, ich war ja kein Tierflüsterer, ich malte sie bloß gelegentlich.

      Hier im Museum gab es nur Touristen. Viele Touristen! Sie umringten mich in Scharen und bestaunten mich, als wäre ich das zweite Weltwunder – nach den Pyramiden –, das noch erhalten ist. Und manchmal sinnierte ich darüber, ob die Menschheit noch nie eine zierliche 22-Jährige in einem viel zu großen weißen Kittel gesehen hat … die sich in den Götterhimmel der unsterblichen Kopisten malen wird! – Diese Ansage ist nicht von mir, sondern von einem männlichen Besucher, der mir wahrscheinlich mit dieser plumpen Art den Hof zu machen versuchte. Oder weiß der Teufel, was er wollte.

      Vor allem die Leute von der

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