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nicht unnötige Zeit und Geld in sie zu investieren.

      Carlos war in diese Strategie ebenso eingeweiht, vergaß jedes lobende Wort des Hausherrn zu den Leistungen aus der Küche oder auch des Zimmermädchens so rasch, wie er sie vernahm, hatte begriffen, dass sie beide den Puffer zwischen den beiden Frauen und den Lings waren, ein Filter, der Gutes wie auch Böses stets abgeschwächt, aufgeweicht oder überhaupt nicht weitergab.

      »Wir Hausangestellte sind wie ein Mikro-Kosmos«, hatte ihm Aílton einmal erklärt, »wir sind ein lebender Organismus und jeder Teil mit dem anderen verbunden und in ewig gültigen Gesetzen gefangen. Wir müssen diese Gesetze leben und ihnen folgen, denn jede Zuwiderhandlung würde unweigerlich im Chaos enden.«

      *

      Alabima lag nackt auf einer der drei Liegen in der Sauna im Keller, schwitzte bei über neunzig Grad Hitze aus allen Poren, fühlte sich matt und schläfrig, eingelullt und behütet. In ein paar Minuten würde sie aufstehen und draußen ins große Becken mit dem eisigen Wasser tauchen, ihren Kreislauf in Schwung bringen. Doch bis dahin war noch etwas Zeit, zum Überlegen, aber auch zum Träumen.

      Wie so oft, wenn sie allein in der Sauna lag, dachte sie an ihre Beziehung zu Jules, wie sie früher war, wie sie sie heute empfand, wie es mit ihnen beiden weitergehen konnte.

      Immer noch stand der große Vertrauensbruch zwischen ihnen, als Jules von ihrem früheren Liebhaber erfuhr, sie jedoch nicht auf ihn ansprach und stattdessen für Wochen einfach wegfuhr, um erst mit sich selbst ins Reine zu kommen. Doch auch nach seiner Rückkehr schnitt er dieses Thema nie an, verhinderte jede ehrliche Aussprache, rannte sogar zweimal aus dem Haus, als sie davon sprechen wollte. Darum hing ihre frühere, kurze Affäre weiterhin wie ein Damoklesschwert über ihnen beiden und ihrer Beziehung.

      Nein, sie hatte keine Angst, dass Jules sie verließ oder gar verstieß. Ihr Ehemann kannte sehr wohl seine eigenen Fehler, hatte sie ihr auch mindestens zum Teil ehrlich und offen gebeichtet. Sie hatte ihm verziehen, auch mit ihrem Herzen, nicht zuletzt wegen ihres eigenen Treuebruchs. Doch ihr damaliger Ausrutscher wurde ihr von ihm wohl immer noch nicht verziehen, war nur teilweise gesühnt, mit der langen Untersuchungshaft, die ihr ein übereifriger Staatsanwalt verschafft hatte. Doch von Jules selbst kam bislang kein Wort, weder ein Vorwurf noch eine Vergebung.

       Ohne Ehre gab es keine Heimat.

      Darüber war sich Alabima während den Wochen im Gefängnis klar geworden. Doch Jules hatte ihr diese Ehre genommen, hatte sie heimlich wohl des Mordes verdächtigt oder ihr die Planung der Tat zumindest zugetraut, hatte sie nicht in seine Gedanken einbezogen und stattdessen hinter ihrem Rücken nach Aufklärung gesucht, ihr nicht länger vertraut. Doch ohne Vertrauen gab es keine Ehre und ohne Ehre keine Heimat. Und was war ein Leben ohne Heimat? Ohne Wurzeln, die einen festhielten, wenn der Wind auffrischte, die einen aber auch stützten, wenn der Blitz einschlug?

      Die Äthiopierin bemerkte, dass sie kaum mehr schwitzte. Um nicht zu überhitzen musste sie aufstehen und die Sauna verlassen, sich im Tauchbecken abkühlen und danach im Liegeraum entspannen und einen Liter Wasser trinken.

      Aber sollte sie überhaupt aufstehen? War es nicht besser, der Ungewissheit der Zukunft zu entfliehen? Einfach hier liegen bleiben, den zunehmenden Durst ertragen, die heiße Luft weiterhin in sich aufsaugen, bis das Hirn überhitzte und die Kontrolle über den Körper verlor?

      Was würde wohl Jules empfinden? Genugtuung? Ihren Tod als Sühne für ihren Treuebruch und so ihre Affäre mit dem Studenten endlich akzeptieren?

      Würde er über ihren Tod weinen?

      Alabima glaubte es nicht.

      Sie dachte an ihre Tochter Alina.

      Mit nur sechs Jahren die eigene Mutter zu verlieren, das war hart. Über diesen Gedanken wurde Alabima schwermütig und noch trauriger, fühlte sich verloren. Sie weinte ohne Tränen, schluchzte leise. So einfach war es mit dem Sterben also doch nicht. Man hinterließ stets eine Lücke unter den Lebenden. Und für einige von ihnen spürte man die Verantwortung, konnte sie weder abstreifen noch einem anderen aufdrängen.

      Alabima dachte an Jules und an den Gehirnkrebs, den der Schweizer vor zwei Jahren besiegt hatte. Wie schwer musste es ihm gefallen sein, noch einmal dem sicher geglaubten Tod zu entgehen? Sich mit dem bereits abgeschlossenen Leben erneut auseinander zu setzen? Sich ihm aufs Neue zu stellen? Die Äthiopierin konnte in diesem Moment tief in die Seele von Jules hineinblicken, erkannte seinen inneren Kampf, für das Weiterführen seines Lebens oder für die Erlösung durch den eigenen Tod.

      Plötzlich stemmte sie sich von der Liege hoch und verließ die Sauna, stellte draußen die Heizung ab, ging hinüber zum Becken und stieg ohne Zögern ins kalte Wasser, spürte, wie die Hitze aus ihrem Leib getrieben wurde, wie ihr Blut zu pulsieren begann, sie mit neuem Leben ausfüllte. Sie betrat kurz die Dusche, hüllte sich danach in den bereit hängenden Bademantel, ging hinüber in den Ruheraum, legte sich auf eine der gepolsterten Liegen und schloss ihre Augen.

      Sie hörte ihren Atemzügen zu, versuchte ihren Herzschlag zu spüren. Das Leben war schön. War das Leben schön?

      *

      Die beiden standen wieder unten an der Princelet Street und berieten sich.

      »Die Polizei können wir nicht einschalten. Dafür wird Sheliza noch zu wenig lange vermisst«, stellte Henry klar, »bevor nicht 48 Stunden vergangen sind, unternehmen die Behörden nichts.«

      »Aber bis dahin kann es doch längst zu spät sein?«

      »Bislang wissen wir doch erst, dass Sheliza in den letzten Wochen zu dieser sunnitischen Moschee ging und wahrscheinlich auch heute Morgen hier war.«

      Holly sah Henry fragend und auffordernd an.

      »Ich will damit sagen, dass sie derzeit wohl überall sein könnte.«

      »Aber wenn sie tatsächlich konvertiert ist? Ausgerechnet zu den Sunniten? Du hast doch gesagt, es wären Sunniten gewesen, die für den Tod ihrer Eltern verantwortlich waren?«

      »Ja, das ist auch einer der Punkte, die ich noch nicht verstehe«, gestand ihr Henry, »doch auch Sherif ist Sunnit. Womöglich hat das alles eher mit ihm zu tun?«

      »Und was unternehmen wir jetzt?«

      »Viel können wir nicht tun.«

      Holly sah ihren Lebenspartner ohne Verständnis an, meinte dann: »Aber du bist Henry Huxley? Du hast mit Jules schon die tollsten Abenteuer erlebt und schlimme Gefahren überstanden. Und nun fällt dir nichts mehr ein?«

      »Danke für die Blumen, Holly. Doch in diesem Fall sind uns vorerst die Hände gebunden.«

      »Wir könnten uns gewaltsam Zutritt zur Moschee verschaffen.«

      Die Augen der aparten Frau funkelten angriffslustig und zornig, als sie sich an die Abfuhr durch diesen hochnäsigen Muslimen erinnerte.

      »Sheliza ist kaum mehr dort. Ich denke, in diesem Punkt hat uns der Mann sogar die Wahrheit erzählt.«

      »Und wenn wir diesen verrückten Imam ausquetschen?«

      »Du hörst dich an wie eine CIA Agentin, die auf Terroristen losgehen will.«

      »Und?«

      »Bislang wissen wir doch bloß, dass Sheliza nicht mehr zu uns ins Hotel zurückgekehrt ist. Dass sie irgendwo gegen ihren Willen festgehalten wird, davon kannst du nicht ausgehen, ebenso wenig, dass sie heute Morgen hierhergefahren ist.«

      »Aber es muss doch einen Grund für ihr Ausbleiben geben?«

      »Daran denke ich, seit wir diese Afifa vor der Moschee angetroffen haben.«

      Wieder forschte Holly im Gesicht des Briten.

      »Und zu welchem Schluss bist du gekommen?«

      Henry verzog seine Mundwinkel zu einem matten, traurigen Lächeln.

      »Ich habe noch keine Antwort gefunden.«

      Holly blickte ihm noch

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