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diesem Jahr, die Ernte wird früher als im vergangenen Jahr beginnen, dann wird das Öl, goldgelb aus der Presse fließen und ein wenig bitzeln auf der Zunge - und Fotos von dem See und immer wieder der See.

      In meine Gedanken drängt sich ein anderer See, nur 3 Autostunden entfernt.

      Der Winter war noch einmal zurückgekehrt. An den Uferrändern bewegte der leichte Wellengang eine hauchdünne Eisschicht. Das Grau des Himmels schien auf den See gefallen. Dunkel und abweisend lag er da. Abweisend wie meine eigene Haltung, die Hände zu leichten Fäusten geballt in den Manteltaschen, das Gesicht bis zur Nase hinter einem Kaschmirschal versteckt. Der leichte Wind blies mir die frisch gewaschenen Haare ins Gesicht, verursachte ein Kitzeln auf der Nase, ich musste niesen.

      Das Bild, das sich in meine Erinnerung zwingt, ist sehr lebendig und gegenwärtig. Wie Du da stehst keinen Schritt entfernt von mir, zu nah, ich will diese Nähe heute nicht. Auch erscheinst Du mir größer, – die drei Zentimeter, die Du kleiner bist und lachend beiseitegeschoben hast in den ersten Emails – wir sind auf Augenhöhe. Der Wind bläht Deine grauen Haare, die im Nacken länger sind und türmt sie am Hinterkopf auf, es sieht verwegen aus. Ich lächele in meinen Schal. Wenn Du Dich sehen könntest. Du hasst die Unordnung. Die teure gefütterte Lederjacke macht Dich fülliger. Wie fragtest Du in einer Mail: Magst Du lieber dünne Spienzeln als Mann oder liebst Du les poignees d‘amour. Ich habe schon lieber etwas zum Anfassen antwortete ich und muss wieder lächeln. Doch dann sehe ich in Deine Augen, dieser Blick, von Anfang an kam er mir so spöttisch vor. Dieser Spott, der einem Menschen die Worte verschlägt und nicht mehr aussprechen lässt, der verunsichert. Heute hat er etwas von der Kälte um uns herum. Dein linkes Auge, das Auge wo der Fuß Deiner Zwillingsschwester lag vor der Geburt, nie wieder ganz geöffnet, ist heute noch schmaler und doch hältst Du mich mit Deinem Blick fest, ich kann nicht ausweichen. Auch Du musterst mich, ich fühle es. Ich schließe die Augen, ich weiß, Du siehst mich nackt unter dem Armani Mantel, die Brüste, die Du liebkostest nicht mehr Kerzen gerade, aber das macht Dich aus und gefällt mir, sagtest Du. Ich darf diese Gedanken nicht zu lassen, nicht in diesem Moment. Du, der auch in unserem Alter Sex für die wichtigste Sache im Zusammenleben hält. Ich konnte Dir diesen Sex, den Du wolltest, auf die Distanz nicht vermitteln, nicht in Worte fassen in den Mails, die ich Dir schickte. Ganz kurz habe ich das Bedürfnis diesen einen Schritt auf Dich zuzugehen. Aber ich habe Angst vor Deinem Zurückweichen. Deine Lippen die so weich sein können bei den Küssen, die Du mir schenktest, sind zusammen gepresst, ein schmaler Strich. Du siehst älter aus, als damals im Spätsommer. Das macht wahrscheinlich die fahle Hautfarbe. Auch ich bin nicht mehr braun gebrannt, wahrscheinlich denkst Du genauso. Deine Hände verstecken sich ebenso wie meine in den Jackentaschen. Ich bin froh darüber. Ich will die Erinnerung an Deine Hände nicht. Der Wind mischt sich mit feinem Nieselregen. Wie auf ein Kommando putzen wir beide unsere Brillen. Du trägst heute die schwarz umrandete Brille. Auch das passt zu dem Tag. Sag endlich ein Wort, ganz gleich was, nur rede, bitte. Aber ich weiß, Du wartest, dass ich endlich spreche. Aber dies ist nicht der Augenblick.

      Nur drei Autostunden entfernt von mir, Du weißt es nicht, Du ahnst es nicht einmal.

      2.Tag

      Den schweren Laptop über der Schulter keuche ich den Berg hoch, bin nicht mehr fit. Wir versammeln uns auf der Terrasse, erwartungsvoll, eine angespannte Nervosität. Unwillkürlich kommen mir Jagdhunde in den Sinn, die nervös bellend auf den Befehl warten, das Wild aufzuspüren. Der erste Tag, begierig eigene Worte zu Papier zu bringen, jeder strebt einem Platz zu, den er sicher bei der gestrigen Haus- und Grundstücksbesichtigung schon ausgesucht hat. Da war ich noch nicht angekommen, aber so ist es nun einmal: wer zu spät kommt.., ich entscheide mich für die Naturlaube direkt am Haus, ein rankender Jasmin, der seinen betörenden Duft schon vor längerem versprüht hat, windet sich um die kaum noch sichtbare Eisenkonstruktion und verleiht ihr ein dichtes Dach. Ich starre gedankenlos in die Ferne. Nur zwei Stunden Zeit, ich habe keine Idee, finde keine Worte, alle Teilnehmer, die ich im Blickwinkel habe, scheinen intensiv zu schreiben. Schaue auf die Häuser unter mir am Hang, sie scheinen in das Grün hinein gewachsen. Mein Blick bleibt am Kirchturm hängen, das kreischende Geräusch einer Motorsäge dringt herauf, Hunde bellen, dann und wann geht eine Auto Hupe. Der See liegt ruhig, von der Sonne mit silbernen Fäden durchzogen, kein Schiff, kein Boot stört die Stille, die über ihm liegt. Der See, nein, jetzt nicht an den See denken.

      Mittags sitzen wir auf der Dachterrasse und lesen das Geschriebene vor, jeder hat seinen Roman im Kopf, seine Vorstellung eines Buches, nur ich nicht, ich kann und will nicht hier die Geschichte meiner Liebe zu Dir erzählen, einer gescheiterten Liebe, ja ich sage bewusst meiner Liebe zu Dir, denn Deiner Liebe zu mir bin ich mir nicht mehr sicher trotz der vielen Mails von Dir, die mit diesem Wort endeten. Es ist alles gesagt worden, vieles auch nicht, dieses Nichtgesagte, das in mir arbeitet und mich verstummen ließ. Ich fühle mich unsicher, nicht am richtigen Ort. Meine Stimme klingt brüchig, als ich an der Reihe bin, vorzulesen.

      Als ich den gestrigen Tag, meine Verspätung und die jetzige Situation schildere, bemerke ich Verblüffung, erfahre hinterher, dass keine Momentaufnahme gewünscht war, aber da war ich noch nicht anwesend.

      Der Anfang meiner Geschichte liegt vierzehn Monate zurück, fast eine Ewigkeit, vergraben mit einem Geheimkode in meinem Computer, geschrieben wie ein Tagebuch, alle fast täglichen Mails und SMS, meine Empfindungen, meine Enttäuschungen, immer wieder geöffnet, immer wieder verwundet, ich darf den Ordner jetzt noch nicht öffnen, ich muss erst den Weg finden, wieder unbeschadet auszusteigen, den Weg, den ich mir hier vielleicht erhoffe, eine mir selbst verschriebene Therapie, deren Ausgang ein großes Fragezeichen ist.

      Einen geforderten Text zu schreiben, kein Problem, das beherrsche ich heute immer noch. Er ist empört über das Wort „Softporno“, Ausdruck meiner hamburgisch-hanseatischen Sprödheit, ich bin ihm zu nahe getreten, habe ich mich aus der Gemeinschaft heraus katapultiert? Nein, man stimmt mir zu, wenn auch hinter vorgehaltener Hand, man hält mich für mutig. Ich und mutig? Aber ich fasse Mut für den nächsten Tag.

      Am späten Abend müde, aber zu unruhig, um an Schlaf zu denken, nehme ich die Bibel vom Regal über dem Bett.

      Und Gott schuf den Menschen, das war der sechste Tag. Und Gott, der Herr schuf den Garten Eden und setzte den Menschen hinein und er schuf den Baum des Lebens mitten in dem Garten und Gott, der Herr sprach: Du sollst essen von allerlei Bäumen, aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen sollst Du nicht essen, denn wenn Du davon isst, wirst Du des Todes sterben. Und Gott der Herr, ließ den Menschen in einen tiefen Schlaf fallen und entnahm ihm eine Rippe und baute ein Weib daraus, damit sie um ihn wäre und sie waren beide nackt und sie schämten sich nicht.

      Es war nicht unsere Nacktheit, die mich Scham empfinden ließ, es war das geschriebene Wort in Deinen Emails, das etwas in mir blockierte.

      Ich hatte mich in einem Single-Portal angemeldet auf Anraten von Elena, meiner besten Freundin, die gerade wieder in eine feste Beziehung glitt. Es fing alles so normal an, wenn man es normal nennen kann, dass eine Frau in meinem Alter, nach über einem halben Menschenleben mit ein und demselben Mann noch einmal versucht, ganz von vorn anzufangen.

      Zwei Jahre nach dem Tode meines Mannes. Ich versuchte es ihm auf dem Friedhof zu erklären, nachdem ich mich vergewissert hatte, dass niemand mich hörte.

      Wenn Du mich nicht allein gelassen hättest! Aber Du hast so entschieden, jeden Tag den Tod vor den Augen und dann auch noch jeden Tag auf ein neues Herz hoffen, Warteliste, nein, das wolltest Du nicht! Und ich, ich musste auch damit leben, was blieb mir anderes übrig bei dieser Deiner letzten großen Entscheidung, die Du für Dich getroffen hast, so wie Du immer Entscheidungen nur für Dich getroffen hast, es gab keine guten Argumente, um Dich umzustimmen, was häufiger gelang, wenn ich Dir den Misserfolg Deiner Aktionen klar machen konnte, hier gab es nur ein Ende, ein bitteres Ende.

      Gott schenke Dir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die Du

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