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Lebenspfand. Robin Carminis
Читать онлайн.Название Lebenspfand
Год выпуска 0
isbn 9783748587736
Автор произведения Robin Carminis
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Schwieriger würde es dagegen sein, Harukis Aufbruch und Aufenthalt in der Vergangenheit zu verschleiern. Unzählige Sicherheitsmechanismen sorgten dafür, dass Missbrauchsversuche quasi unmöglich waren. Von Ausnahmen abgesehen, durften Historyscouts und ihre Tablets nur von den Transiträumen aus, ihre Reisen antreten. Jeder unautorisierte Versuch, eine portable Zeitmaschine aus der Agency zu bringen, durfte sogar durch Schusswaffengebrauch verhindert werden.
Gunnarsson war sich dieser Gefahr mehr als bewusst. Sie würde alles tun, damit Sato nichts passierte. Doch an das Sicherheitsprotokoll des Gebäudes kam selbst sie nicht heran. Kein Zugriff seitens ihrer Abteilung. Was sie brauchten, war ein effektives Ablenkungsmanöver. Etwas, dass genug Aufsehen erregte, um Sato samt ITER unbehelligt aus dem Gebäude verschwinden zu lassen.
Sie lächelte, als sie in ihrem Büro ankam. Der Gang durch die vielen gemäldegesäumten Flure des Baus, hatte sie auf eine Idee gebracht. Der Schlüssel zum Erfolg lag im Geltungsdrang des Unternehmens. Haruki und sie würden die Vorstandsmitglieder an ihrer verwundbarsten Stelle treffen - an ihrer eigenen Eitelkeit und natürlich am Portemonnaie.
Als sie gegen Abend nach Hause in die gemeinsame Wohnung fuhr, wusste sie, dass sie noch eine gehörige Portion Überzeugungsarbeit würde leisten müssen. Haruki Sato war alles andere als ein Gauner. Selbst der bloße Gedanke ein ITER Gerät zu entwenden, würde Magengeschwüre bei ihm heraufbeschwören. Zudem bliebe es nicht bei diesem einen Diebstahl. Für einen, von Grund auf korrekten und loyalen Menschen wie Sato, absolut ein Ding der Unmöglichkeit.
Manchmal fragte sie sich, wie es überhaupt je zu dieser Beziehung gekommen war. Zwei unterschiedlichere Personen konnte es auf der Welt kaum geben. Haruki Sato, der stets geradlinige und strukturiert planende Japaner im Biozwirn und Samantha Gunnarsson, die Kreative und Impulsive, die vor Energie regelrecht sprühte und sich erst im Chaos richtig wohlfühlte. Selbst rein optisch waren die beiden ein bemerkenswertes Paar. Überragte sie ihn doch um gut eine Kopflänge und pflegte eher bequeme statt formeller Kleidung zu tragen.
Trotz, oder gerade wegen all dieser offensichtlichen Unterschiede, hatte es schon bei ihrer ersten Begegnung, vor anderthalb Jahren, ordentlich geknistert. Und das, obwohl das zufällige Treffen in der Kantine der TT Agency unter einem denkbar schlechten Stern gestanden hatte. Bei dem Gedanken an ihren fliegenden Purple Macchiato mit Blaubeertopping musste die junge Schwedin noch immer laut lachen. Harukis sandfarbener Anzug hatte nicht den Hauch einer Chance gehabt. Jeder andere wäre vermutlich vor Ärger ausgerastet, aufgesprungen und hätte sich vor allem baldmöglichst umgezogen. Doch was machte Sato stattdessen? Entspannt sitzenbleiben, als wäre nichts passiert. Er hatte ihr sogar spontan einen Stuhl angeboten. Die Tatsache, dass er von oben bis unten mit violetter Milch bekleckert war, schien ihn nicht sonderlich gestört zu haben.
Das ist mein Haruki, dachte sie liebevoll. Schöne Erinnerungen. Doch wenn die Zukunft weiterhin perfekt sein sollte, mussten sie jetzt schnell handeln.
»Wie bitte?«, polterte es aus Sato heraus, nachdem Gunnarsson zu Ende gesprochen hatte.
»Du willst das Eckstein Gemälde aus meinem Büro klauen?«
»Jaaaaa…«
»Aber warum das denn, um Himmels Willen?«
»Sobald ich das Bild von der Wand nehme, wird im ganzen Haus Alarm ausgelöst. Das ist gut!«
»Das ist nicht gut, das ist Selbstmord!«
»Nein, nein. Ist es nicht! Das Wachpersonal unten im Foyer wird noch im selben Moment benachrichtigt, was entwendet wurde. Ihre gesamte Aufmerksamkeit gilt somit einem Gemäldedieb mit einem rechteckigen Paket oder einer großen Rolle in der Hand.«
»Mag sein. Und weiter?«
»In dem Moment, in dem der Alarm ausgelöst wird, gehst du, mitsamt dem Zeitreisetablet, nach draußen.«
»Mit dem ITER?«, stieß Sato ungläubig hervor. »So blind können die doch gar nicht sein, dass sie das nicht merken.« Sam sah ihn leicht verwirrt an.
»Na, wenn ich jetzt erstmalig eine Tasche mit mir herumtrage, werden die sofort misstrauisch«, wandte er zu Recht ein. Sie schüttelte theatralisch den Kopf.
»Eine Tasche wirst du nicht dabeihaben. Wir binden dir das Tablet hinten auf den Rücken. Dein Jackett wird es perfekt verdecken. Da du bereits auf dem Weg zum Ausgang bist, wenn der Alarm ausbricht, wird dich niemand verdächtigen und man winkt dich durch. Du kannst nicht leugnen, dass du wohlbekannt bist, oder?«
»Mag sein«, gab Sato zerknirscht zu. »Aber was ist mit dir? Man wird dich mit dem Bild erwischen.«
»Vertrau mir, mein Schatz. Kein Mensch wird mich erwischen. Falls man auf mich stößt, habe ich das Bild längst nicht mehr bei mir.«
Die nachfolgenden Abende waren geprägt von weiteren, teils hitzigen Diskussionen. Außerdem bereitete Sato demonstrativ Bewerbungen für andere Unternehmen vor, obwohl er seine Arbeit bei der Agency in Wirklichkeit liebte. Je näher der Tag der Entlassung rückte, desto besser gefiel ihm der Gedanke, sich das Alles nicht ohne Gegenwehr gefallen zu lassen. Letztendlich stimmte er schweren Herzens dem Plan seiner Freundin zu. Gunnarsson hatte insgeheim nie mit etwas anderem gerechnet und daher zielstrebig alles in die Wege geleitet.
Ein bisschen über sich selbst erschrocken, musste sie feststellen, dass ihr das Hacken von Computern sogar Spaß machte. Doch noch eine weitere Sache jagte ihr einen Schreck ein. Jetzt, da sie selbst zum Gegner der Agency mutierte, stellte sie erst fest, wie anfällig das System der Agentur für Generalprävention im Grunde war. Insbesondere, wenn der Angreifer direkt an der Quelle nahezu aller sensiblen Systeme saß. Sogar eine simple Vier-Augen-Authentifikation hätte jeden Hackversuch erheblich schwieriger gestaltet. Nicht unmöglich, aber die Hürden wären deutlich höher gewesen. Zu Samanthas Glück jedoch, wies das Sicherheitskonzept klaffende Lücken auf.
Endlich war es soweit! Gunnarsson war bereit. Zumindest für Plan A. Wenn alles glatt lief, würde Plan B nicht mehr nötig sein, zumal dieser viel risikobehafteter war und einiges an Improvisation bedurfte.
Noch einmal atmete sie tief ein, warf verstohlen einen Blick links und rechts über ihre Schultern, schob eines der ITER Geräte unter ihren dicken Pullover und drückte auf den ENTER-Button des Terminals vor sich. Als nach ein paar Sekunden noch immer keine Reaktion erfolgt war, pustete sie erleichtert aus. Das System hatte ihr kleines Programm ohne Murren geschluckt. Jetzt blieben noch ungefähr fünf Minuten. Mit einem Ächzlaut stand sie auf und krümmte dabei leicht den Oberkörper. Demonstrativ hielt sie eine Hand vor ihren Bauch auf Höhe der Magengegend.
»Stimmt was nicht, Samantha?«. Noah Kelly, ihr Kollege und Stellvertreter, blickte sie besorgt an.
»Ich weiß nicht«, gab sie, mit gespielt leidender Miene, zurück. »Ich glaube, mir ist das Mittagessen nicht bekommen.«
»Schlimm?«
»Es geht«, lautete ihre bewusst knapp gehaltene Antwort. »Hältst du bitte kurz für mich die Stellung? Ich denke, ich sollte mal die Toilette aufsuchen.«
»Klar, lass dir Zeit«, versicherte ihr Gegenüber sofort.
»Danke, Noah!« Sie setzte sich Richtung Tür in Bewegung.
»Ach, Sam?« Gunnarsson stockte der Atem. Sie hielt inne, drehte sich aber nicht um.
»Was hast du eigentlich heute Mittag gegessen?« Samantha verzog das Gesicht. Offensichtlich machte er sich Sorgen, dass ihn gleich dasselbe Schicksal ereilen würde. Damit hatte sie nicht gerechnet. Fieberhaft überlegte sie, was Noah niemals anrühren würde.
»Den Tofu-Burger.«