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man keine Gefahr erkennt. Doch eine Woche konnte alles verändern. Ein Moment allein konnte alles verändern.

      Es ist zwei Uhr morgens und ich torkle durch einen Waldweg. Nicht das, dass in irgendeine Art und Weise gruselig ist, überhaupt nicht. Ich schüttle benommen meinen Kopf und versuche etwas klarer zu denken. Also kann mir einer sagen, was genau ich um zwei Uhr morgens hier mache? Was ich überhaupt draußen tue? Es wäre vielleicht ganz hilfreich, wenn ich noch ganz genau wüsste, wie ich überhaupt hierherkam. Vielleicht wusste ich es sogar ganz tief im Inneren, aber irgendwann war alles ziemlich verschwommen und dabei hatte ich nicht einmal getrunken. Ok, die Cola ist es auch nicht wert genannt zu werden. Es war schließlich Xenas Geburtstagsparty in einem Club, da erwartet man eher etwas Mehrprozentiges, auch wenn sie selbst das wahrscheinlich nicht so sieht.

      Also was mache ich hier? Ich weiß noch, dass ich auf Xenas fantastischer Party war und ausgelassen getanzt und gelacht hatte. Ich bin jedoch wie immer zu früh gegangen, wenn man zwei Uhr morgens als früh bezeichnen konnte. An einem Freitagabend im Clubbing-Modus zu sein war mehr als gut, wenn man am nächsten Tag nicht wieder früh rausmusste. Das ist bei mir nicht der Fall. Ich hatte Glück gehabt und war nicht alleine in meinem Leid, zwei andere Mädels, die ich auf der Party kennengelernt habe, sind auch mit mir unterwegs. Sie waren superlustig und schon kicherte ich wieder, ohne einen besonderen Grund. Warum mache ich das? Ich habe doch nicht doch aus Versehen etwas getrunken, oder? Und halte im Kichern inne.

      >>Alles gut, Mandy? <<, fragt mich die eine mit den strahlenden blauen Augen, die sogar jetzt im Dunklen zu leuchten scheinen. Wie hieß sie nochmal? Es war irgendwas mit L oder E. El? Elisa? Lisa? Liz? Sie schaut mich ein wenig besorgt an, atmet aber wohl erleichtert durch als ich nicke.

      Wir wollten alle gleichzeitig nach Hause, deshalb haben wir wohl gemeinsam den Club verlassen und anscheinend wohnen wir wohl auch in der Nähe voneinander, aber ich konnte mich nicht erinnern, den beiden gesagt zu haben, wo ich überhaupt wohne oder dass sie mir gesagt hätten, wo sie wohnen. Ich runzle die Stirn.

      >>Wir sind fast da. <<, sagt nun die andere dunkelhaarige mit den funkelnden grünen Augen und ich erkenne durch meine Gabe die Wahrheit darin, während sie mir tief in die Augen schaut und dann fühlt sich alles wie in einer Wolke an. Ich vergesse völlig, wohin ich mich bewege, das liegt wahrscheinlich auch an meiner Orientierung, die seit jeher zu bemängeln gewesen ist.

      In meinen Gedanken sehe ich verschwommen, wie wir in Münster in den Bus gestiegen waren. Ich habe mich gar nicht von Xena verabschiedet. Das ist doch gar nicht normal und dann sind wir an der Bushaltestelle nahe der alten Kirche ausgestiegen, wo der gruselige Spielplatz ist. Wir laufen jetzt wohl im Wald hinter dem Spielplatz. Das ist die eine kleine Abkürzung, die nur die Einheimischen kennen und es sieht gespenstig hier aus. Plötzlich überkommt mich ein Eisschauer und ich lege die Hände um die nackten Schultern. Großmutter Margareth meinte immer, ich sollte doch nicht hierher. Schon ruft eine Eule in die Nacht und ich erschrecke mich. Überall ist plötzlich Nebel und dabei ist nicht einmal die Geisterstunde. Eigentlich dürfte es doch nicht so nebelig sein und eiskalt dazu, es ist doch Sommer. Doch ich kann mein Atem vor der Nase kondensieren sehen. Das fühlt sich nicht so gut an. Ich drehe mich um die eigene Achse und frage mich, warum nochmal ich mit den beiden losgezogen bin. Das scheint mir im Moment keine so gute Idee gewesen zu sein.

      Und wo bitte schön bin ich eigentlich gerade noch mal? Ein Ast knackt in die Stille hinein und plötzlich sehe ich aus der Ferne ein Kerl aus dem Dunkeln auf uns zukommen. Der Nebel umgibt seine Gestalt, als würde er ihn umarmen. Ich sollte wahrscheinlich Angst haben, aber ich bin ja nicht allein, nicht dass es hilfreich ist mit zwei weiteren jungen Frauen, um diese Uhrzeit unterwegs zu sein, wenn möglicherweise ein Serienkiller unterwegs ist, aber daran sollte ich jetzt lieber nicht denken.

      Der Vollmond leuchtet kurz hinter den wenigen Wolken auf uns herab und ich kann kurz einen gutproportionierten Körper erkennen, als dabei das Mondlicht auf sein Gesicht trifft, blitzen dabei kurz seine Gesichtszüge auf. Er ist ein sehr gut aussehender Kerl und er hatte etwas Bekanntes an sich, aber im gegebenen Mondlicht kann ich es nicht eindeutig erkennen. Er kommt zielgerichtet auf uns zu, als habe er nur auf uns gewartet, während ich meine Augen nicht von ihm abwenden kann. Es fühlt sich wie ein Zwang an. Er könnte locker in meinem Alter sein. Siebzehn, Achtzehn. Wohlmöglich auch schon zwanzig Jahre alt sein, aber wer will das schon so im Mondlicht raten? Je näher er kommt, desto mehr zeigt sich wie gut er gebaut ist. Wie attraktiv er wirklich sein muss, aber spätestens im Moment, wo er vor mir steht, weiß ich es. Mir stockt der Atem, mein Herz rast. Mein Mund öffnet sich voller Erstaunen. Er kommt, sieht und zieht mich auch schon in seine Arme. Umklammert mich mit seinen muskulösen Armen und drückt mich an seine stählerne Brust. Mir bleibt der Atem im Hals stecken und ich kann nicht anders als zu ihm hochschauen. Ein Teufelsengel, der mich gerade in seinen Bann zieht.

      Und wo sind die anderen? Ich versuche nach ihnen zu sehen, aber da sind sie nicht mehr. Sie sind einfach verschwunden. Seltsam! Dabei muss ich die Stirn runzeln. Doch bei solchen Armen, die um einen gelegt sind und auch noch solch einem Kerl, ist es irgendwie auch nicht komisch, wenn man an nichts anderes mehr denken kann. Starke schützende Arme. Jeder Gedanke wird wohl eher Zuckerwatte. Doch dann schlagen wie Blitze Gedanken und Klarheit auf mich ein. Mein Bauch verkrampft sich und ich werde starr. Etwas stimmt hier nicht. Kann gar nicht stimmen. Wie heißt es so schön:

      Halt dich von der Schattenheide fern, wenn dein Leben ist dir wert.

      Darum war Großmutter nie damit einverstanden, dass ich jemals auf die Schattenheide ging! Am liebsten hätte ich mir mit der Hand auf die Stirn geschlagen. Wie konnte ich nur all diese Legenden vergessen haben. Die Schattenheide, ist das Terrain, das kein Wesen betreten darf, ohne vorher ausdrücklich eingeladen worden zu sein. Meine Warnsirenen schrillen nun laut nach Gefahr. Jeder Mann wäre auf einem dunklen Weg oder Pfad ein mögliches Problem, dass man als Frau bewältigen musste, aber auf der Schattenheide? Auf der Schattenheide gibt es kein Problem, dass man bewältigen kann, sondern nur darauf hoffen kann nicht hineingezogen zu werden.

      Die Schattenheide ist nämlich kein harmloses Terrain. Dieses Gebiet ist der Inbegriff von Gefahr. Gefahr für jedes menschliche Wesen. Für wirklich jedes Wesen. Nicht die übliche Gefahr eines normalen Menschen, der ohne Fähigkeiten auf diese Welt kommt und ein solcher ahnt diese Gefahr nicht einmal. Die Sagen, die die Menschen haben, begannen genau hier und nicht in Transsilvanien. Dieses eine Gebiet ist in ganz besonderem Maße dafür mitverantwortlich, denn hier leben die Wesen, die niemals schlafen. Denn wenn die Nacht wach ist, kann keiner seines Lebens sicher sein.

      Daher weiß auch eigentlich jeder mit ein bisschen mehr Verstand und Magie in sich, dass man sich von diesem Gebiet fernzuhalten hat, ganz besonders in der Nacht und am Morgengrauen. Alle die das nicht beherzigen müssen dafür bezahlen. Und ich? Ich befinde mich gerade mitten darin.

      Denn die Schattenheide ist das Hoheitsgebiet der Vampire.

      Und Vampire spielen gerne mit ihrem Essen. Daher kann dieser Kerl, der mich gerade in seinen Armen hält, nichts anderes sein als ein Vampir. Als habe er meine Gedanken gehört, hält er mich plötzlich fester in seinen Armen. Hält mich so stark wie ein Schraubenstock und erst da sehe ich seine Augen. Augen, die in der Dunkelheit so hell leuchten. Kann es sein? Ist er es wirklich? Nur Jay hat solche Augen! Er sieht mir ebenfalls tief in die Augen und genau in diesem Moment sehe ich noch etwas anderes in seinen Augen, denn plötzlich glimmen sie rot auf. Rot wie Rubine. Rot wie Blut. Er ist ein Vampir! Ich wusste es! Ganz tief im Innern habe ich es gewusst. Ich wusste, dass es Vampire gibt, aber es laut zu sagen, würde mich immer nur in Schwierigkeiten bringen. Ich schüttle den Kopf. Das ist doch alles abstrus. Hatte ich mir dieses Glimmern nur eingebildet? Kann ich es mir im Mondlicht eingebildet haben? Denn jetzt sehe ich es nicht mehr. Ich kann mir nicht mehr völlig sicher sein, denn in der nächsten Sekunde ist es nicht mehr da. Er senkt seinen Kopf zu meinem Ohr und murmelt etwas, was für mich unverständlich ist. Dann schaut er mir kurz in die Augen, bevor er seinen Mund auf meinem legt. Er küsst mich. Erst zart und leicht, dann fest. Fester. Seine Zunge stürmt in meinen Mund, mit solch einer Leidenschaft, dass ich mich nicht dagegen wehren kann. Will ich es denn überhaupt? Meine Lippen kribbeln. Meine Beine zittern.

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