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du hast dir die alten Kamellen gemerkt“, lachte Frija, die den Wagen vor Sveas Elternhaus stoppte. „So, da wären wir. Svea, dir noch einen schönen Nachmittag.“

      „Danke, ebenso“, antwortete sie brav und stieg aus. „Bey, bey, Sara, wir sehen uns morgen.“

      „Alles klar. Wir treffen uns wieder, wenn sich der Sturm verzogen hat.“

      „Davon kannst aus ausgehen …“

      „Mädels, habt ihr’s jetzt?“, fragte Frija ungeduldig.

      „Jaaaa, Mam“, antwortete Sara gereizt und Svea schlug die Autotür zu.

      Die restliche Strecke bis zum Haus legten sie schweigend zurück. Mehrere Tannenzapfen trafen die Windschutzscheibe, als eine heftige Bö durch die Bäume fegte. Frija fuhr den Wagen wieder in die Garage und rief besorgt nach Smilla.

      „Miez, Miez, wo steckst du nur?“

      Die Katzendame ließ sich nicht blicken und Frija schloss hastig die Haustür auf. Der Sturm hatte noch einmal an Stärke zugelegt und das Holzhaus erzitterte bei jeder Böe.

      „Himmel, was für ein Wetter.“ Sie rieb sich fröstelnd über die Arme. „In fünf Minuten ist das Essen fertig.“

      „Okay, ich ziehe mich in der Zwischenzeit um.“

      Kurz darauf saßen sie am Tisch.

      „Was macht dein neues Projekt?“, erkundigte sich Sara.

      „Ich hatte vorhin quasi den Durchbruch und wenn ich mich ranhalte, kann ich bis zum Abend meine Vorschläge nach Stockholm schicken.“

      „He, das ist doch super. Falls es einen Extrabonus gibt, lass es mich wissen. Ich könnte eine neue Skinny-Jeans gebrauchen.“

      „Typisch, meine Tochter. Wenn es etwas zum Abgreifen gibt, dann bist du die Erste“, lachte Frija. Nur noch drei Jahre würden sie gemeinsam am Tisch sitzen, um die Mahlzeiten zu teilen, und schon jetzt wurde ihr schwer ums Herz, ihr kleines Mädchen ziehen zu lassen. Sara hatte große Pläne und wollte ausgerechnet in Stockholm studieren.

      Frija wäre es lieber gewesen, wenn sich Sara für eine andere Stadt entschieden hätte. Kleiner, überschaubarer und sicherer. Vielleicht gelang es ihr doch noch, Sara in puncto Uni umzustimmen.

      „Danke Mam, es hat wie immer lecker geschmeckt.“ Sara stand auf und stellte ihren Teller in die Spüle. „Ich bin dann wieder in meinem Zimmer, lernen und so.“

      „Ja, mach mal“, antwortete Frija abwesend.

      Sie spülte das wenige Geschirr per Hand und hob mehrmals ihren Blick, um aus dem Fenster zu schauen. Sie hätte Smilla nicht ins Freie lassen sollen, schon gar nicht bei diesem unberechenbaren Wetter.

      Sie musste alles im Blick behalten, das war fast schon eine Obsession. Sara reagierte in letzter Zeit auf ihren übergroßen Mutterinstinkt mit Ablehnung, sie nabelte sich ab. Von ihren Freundinnen wurde Sara oft mitleidig belächelt, wenn sie die zehnte Nachricht ihrer Mutter in Folge beantworten musste. Doch das Loslassen fiel Frija alles andere als leicht. Sara schwärmte zum Beispiel für einen Jungen, aber bis heute hatte sie noch keinen Namen verraten. Das versetzte ihr einen Stich mitten ins Herz.

      Sie kehrte nach oben in ihr Arbeitszimmer zurück und machte sich mit Feuereifer wieder an die Arbeit. Es herrschte eine friedliche Atmosphäre im Haus, in der sie zur Höchstform auflief und ihr die kreativen Einfälle nur so zuflogen. Die Dämmerung hatte die Umgebung bereits in ein einheitliches Grau getaucht, als Frija auf den Senden-Button klickte und sich zufrieden zurücklehnte. Auftrag erledigt.

      Anschließend klopfte sie an Saras Zimmertür und drückte die Klinke herunter. Ihre Tochter tippte in rasanter Geschwindigkeit einen Text ins Handy.

      „Wolltest du nicht lernen?“, fragte Frija.

      „Wolltest du nicht abwarten, bis ich dich ins Zimmer bitte?“, schmollte Sara.

      „In Ordnung, ich habe verstanden. Was möchtest du zum Abendessen?“

      „Zwei Brote mit Käse und Tee.“

      „Majestät, euer Wunsch ist mir Befehl“, lachte Frija.

      Bevor sie in der Küche verschwand, ging sie noch einmal nach draußen, um nach Smilla Ausschau zu halten. Der heulende Wind verschluckte ihre Worte und sie sah ein, dass es wenig Sinn machte, die Katze zu rufen.

      Sie wollte sich gerade abwenden, als sie eine dunkel gekleidete Gestalt zwischen den Fichten und Birkenstämmen verschwinden sah. Ihr Herz klopfte wie ein flatterndes Vögelchen und die Furcht kroch ihr den Nacken hinauf. Wie gebannt starrte sie auf die Stelle, an der sich die Gestalt scheinbar in Luft aufgelöst hatte. Die Umgebung war zu einer dunklen Masse verschmolzen, denn das Tageslicht hatte sich bereits verabschiedet.

      „Smilla?“, rief sie ein letztes Mal, dann eilte sie ins Haus zurück. Nervös strich sie sich die Haare aus dem Gesicht. Die letzten Jahre hatte sie sich so geborgen und energiegeladen gefühlt wie nie zuvor. Warum kehrte ausgerechnet jetzt die Angst zurück?

      „Mama?“ Sara hatte ihr Zimmer verlassen und musterte sie fragend. „Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen.“

      „Ich war kurz draußen, um nach Smilla zu sehen. Aber sie ist wie vom Erdboden verschluckt.“

      „Ich habe dir doch schon so oft gesagt, dass du eine Katzenklappe in die Haustür einbauen sollst“, rügte Sara neunmalklug. „Ständig lässt du die Katze raus und machst dir anschließend Sorgen. Dabei ist Smilla immer wieder aufgetaucht.“

      „Du hast ja recht, aber ich kann ihrem bettelnden Blick einfach nicht widerstehen. Aber wenn wir eine Katzenklappe einbauen, dann greift die Versicherung nicht mehr, und das will ich keinesfalls riskieren.“

      Frija hätte Sara gern von der Gestalt erzählt, von ihren nagenden Ängsten, aber sie brachte kein einziges Wort über ihre Lippen. Reiß dich gefälligst zusammen, ermahnte sie sich, deine Fantasie hat dir nur einen üblen Streich gespielt. Sie durfte ihre Tochter auf keinen Fall verunsichern, schon gar nicht jetzt, wo sich die Situation zwischen ihnen veränderte.

      „Wir könnten Smilla zum Beispiel ein Häuschen zimmern, in dem sie sich verkriechen kann, wenn es regnet“, schlug Sara vor.

      „Gute Idee“, antwortete Frija. „Vielleicht gibt es so etwas auch im Internet zu kaufen, das spart eine Menge Zeit.“

      „Immerhin ein Kompromiss.“

      Sara verschwand schulterzuckend wieder in ihrem Zimmer, während Frija an den Schreibtisch zurückkehrte, um nach einem Häuschen für Smilla zu suchen. Diesmal zog sie die Vorhänge zu, man wusste schließlich nie, wer sich da draußen herumtrieb. Wahrscheinlich wäre es besser gewesen, sich statt der Katze einen Hund zuzulegen. Während Smilla stets durch Abwesenheit glänzte, hätte der Hund bestimmt angezeigt, dass ein Fremder in der Nähe gewesen wäre.

      Suchend klickte sich Frija durch die Seiten. Die Auswahl an Hütten für Hund und Katz hielt sich in Grenzen und so hatte sie innerhalb weniger Minuten ihren Kauf getätigt. Nun würde Sara endlich Ruhe geben und Smilla hätte einen Ruheplatz – zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen.

      Frija wälzte sich unruhig von einer Seite auf die andere. Schüsse hallten in ihren Ohren wider und der Boden war mit Blut bedeckt. Leise stöhnend griff sie sich an die Brust und fuhr schweißgebadet aus dem Schlaf. Das Mondlicht, das sich durch einen schmalen Spalt im Vorhang zwängte, ließ ihre Haut silbern schimmern. Hektisch tastete sie nach dem Schalter der Nachttischlampe. Das warme Licht vertrieb die dunklen Schatten und ihr Herzschlag beruhigte sich.

      Fröstelnd schlug sie die Bettdecke zurück, streifte sich den Morgenmantel über und schlüpfte in ihre Schuhe. Mit der Taschenlampe bewaffnet schlich sie nach unten, um Sara nicht zu wecken. Eine innere Unruhe hatte sie erfasst, weil Smilla immer noch draußen herumstreunte. Außerdem konnte sie die unheimliche

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