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Fräulein Else. Arthur Schnitzler
Читать онлайн.Название Fräulein Else
Год выпуска 0
isbn 9783753187686
Автор произведения Arthur Schnitzler
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Arthur Schnitzler
Fräulein Else
leicht verständlich
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Ein Brief
„Du willst wirklich nicht mehr weiterspielen, Else?“ – „Nein, Paul, ich kann nicht mehr. Bis später. – Auf Wiedersehen, gnädige Frau.” – „Aber Else, sagen Sie doch Frau Cissy zu mir. – Oder lieber noch: Cissy, ganz einfach.” – „Auf Wiedersehen, Frau Cissy.” –„Aber warum gehen Sie denn schon, Else? Es sind noch volle zwei Stunden bis zum Abendessen.” – „Lassen Sie sie, gnädige Frau, sie hat heut' ihren ungnädigen Tag. – Steht dir übrigens ausgezeichnet, das Ungnädigsein, Else. – Und der rote Pullover noch besser.” – „Bis später, Paul.”
Das war ein ganz guter Abgang. Hoffentlich glauben die Zwei nicht, dass ich eifersüchtig bin. – Dass sie was miteinander haben, Paul und Cissy Mohr, darauf schwör ich. Nichts auf der Welt ist mir gleichgültiger. – Aber gut sieht Paul aus – mit dem offenen Kragen und dem Bösen-Jungen-Gesicht …
Um vier, als ich zum Tennis gegangen bin, war der telegrafisch angekündigte Expressbrief von Mama noch nicht da. Wer weiß, ob jetzt. – Warum geh ich so langsam? Fürcht ich mich am Ende vor Mamas Brief? Nun, Angenehmes wird er wohl nicht enthalten. Express! Vielleicht muss ich wieder zurückfahren. O weh. Was für ein Leben – trotz rotem Seidenpullover und Seidenstrümpfen. Drei Paar! Die arme Verwandte, von der reichen Tante eingeladen. Sicher bereut sie's schon. Soll ich's dir schriftlich geben, teure Tante, dass ich an Paul nicht im Traum denke? Ach, an niemanden denke ich. Ich bin nicht verliebt. In niemanden. Und war noch nie verliebt. Auch in Albert bin ich's nicht gewesen, obwohl ich es mir acht Tage lang eingebildet habe. Ich glaube, ich kann mich nicht verlieben. Eigentlich merkwürdig. Mit dreizehn war ich vielleicht das einzige Mal wirklich verliebt. Und als ich sechzehn war, am Wörthersee. – Ach nein, das war nichts. Fred ist mir sympathisch, nicht mehr. Vielleicht, wenn er eleganter wäre. Ich bin ja doch eingebildet. Der Papa findet's auch und lacht mich aus. Ach, lieber Papa, du machst mir viel Sorgen. Ob er die Mama einmal betrogen hat? Sicher, öfter. Mama ist ziemlich dumm. Von mir hat sie keine Ahnung. Andere Menschen auch nicht. Fred? – Aber eben nur eine Ahnung. – Himmlischer Abend. Wie festlich das Hotel aussieht. Man spürt: Lauter Leute, denen es gut geht und die keine Sorgen haben. Ich wär zu einem sorgenlosen Leben geboren. Es könnt so schön sein. Schad. – Auf dem Cimone liegt der Glanz des Abendrots. Paul würde sagen: Alpenglühen. Das ist noch lang kein Alpenglühen. Es ist zum Weinen schön. – Ach, warum muss man wieder zurück in die Stadt! –
„Guten Abend, Fräulein Else.” – „Guten Abend, Herr von Dorsday.” – „Vom Tennis, Fräulein Else?” – „Was für ein Scharfblick, Herr von Dorsday.” – – „Wenn man mit dem Schläger so gut ausschaut, darf man ihn gewissermaßen auch als Schmuck tragen.” – Esel, darauf antworte ich gar nicht. Das Beste, ich lächle höflich und gehe. „Auf Wiedersehen, Herr von Dorsday.” Wie tief er sich verbeugt und was für Augen er macht. Kalbsaugen. – Warum die Leute bei dem wundervollen Wetter in der Halle sitzen? Unbegreiflich. Oder wartet jeder auf einen Expressbrief? Der Portier hat mich schon gesehen; – wenn ein Expressbrief für mich da wäre, hätte er mir ihn sofort hergebracht. Also keiner da. Gott sei Dank. Ich werde mich noch ein wenig hinlegen vor dem Essen. – Ach, wär der Brief lieber schon da. Am Ende kommt er während des Essens. Und wenn er nicht kommt, hab ich eine unruhige Nacht. – „Bitte sehr, Fräulein, ein Brief.” [BILD Portier] Der Portier! Also doch! – Ich wende mich ganz ruhig um. Es könnte auch ein Brief von der Karoline sein oder von der Bertha oder von Fred oder Miss Jackson? „Danke schön.” Doch von Mama. Express. Warum sagt er nicht gleich: ein Expressbrief? „O, ein Express!” Ich mach' ihn erst auf dem Zimmer auf und les' ihn in aller Ruhe. – So, da wär' ich. Nummer siebenundsiebzig. Eigentlich eine Glücksnummer. Hübsches Zimmer. Dort steht mein jungfräuliches Bett. – Nun ist es richtig ein Alpenglühen geworden. Aber Paul gegenüber werde ich es abstreiten. Eigentlich ist Paul schüchtern. Ein Arzt, ein Frauenarzt! Vielleicht gerade deshalb. Vorgestern im Wald, als wir so weit voraus waren, hätt' er schon etwas mutiger sein dürfen. Aber dann wäre es ihm übel ergangen. Wirklich mutig war eigentlich mir gegenüber noch niemand. Höchstens am Wörthersee vor drei Jahren im Bad. Mutig? Nein, unanständig war er ganz einfach. Aber schön. Ich hab' es ja eigentlich nicht ganz verstanden damals. Nun ja mit – sechzehn Jahren. Meine himmlische Wiese! Meine –! Wenn man sich die nach Wien mitnehmen könnte. Zarte Nebel. Herbst? Nun ja, dritter September, Hochgebirge.
Nun, Fräulein Else, möchten Sie sich nicht doch entschließen, den Brief zu lesen? Er muss sich ja gar nicht auf den Papa beziehen. Könnte es nicht auch etwas mit meinem Bruder sein? Vielleicht hat er sich verlobt mit einer seiner Flammen? Mit einer Chorsängerin oder einem Handschuhmädel. Ach nein, dazu ist er wohl doch zu gescheit. Eigentlich weiß ich ja nicht viel von ihm. Als ich sechzehn war und er einundzwanzig, da waren wir eine Zeit lang geradezu befreundet. Von einer gewissen Lotte hat er mir viel erzählt. Dann hat er plötzlich aufgehört. Diese Lotte muss ihm irgendetwas angetan haben. Und seitdem erzählt er mir nichts mehr. – Nun ist er offen, der Brief, und ich hab' gar nicht bemerkt, dass ich ihn aufgemacht habe. Ich setze mich aufs Fensterbrett und lese ihn. Achtgeben, dass ich nicht hinunterstürze. Wie uns aus San Martino gemeldet wird, hat sich dort im Hotel Fratazza ein beklagenswerter Unfall ereignet. Fräulein Else T., ein neunzehnjähriges, bildschönes Mädchen, Tochter des bekannten Anwalts … Natürlich würde es heißen, ich hätte mich umgebracht aus unglücklicher Liebe oder weil ich schwanger war. Unglückliche Liebe, ah nein.
Dreißigtausend Gulden
›Mein liebes Kind‹ – Ich will mir vor allem den Schluss anschaun. – ›Also nochmals, sei uns nicht böse, mein liebes, gutes Kind und sei tausendmal‹ – Um Gottes willen, sie werden sich doch nicht umgebracht haben! Nein, – in dem Fall wär' ein Telegramm von Rudi da. – ›Mein liebes Kind, du kannst mir glauben, wie leid es mir tut, dass ich dir in deine schönen Ferienwochen‹ – Als wenn ich nicht immer Ferien hätt', leider – ›mit einer so unangenehmen Nachricht hineinplatze.‹ – Einen furchtbaren Stil schreibt Mama. – ›Aber nach reiflicher Überlegung