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      Ich biss mir auf die Unterlippe. »Du siehst aber auch nicht schlecht aus«, feixte ich und Tyler lachte.

      Ich räusperte mich, da ich es nicht gewohnt war, so bewundernd von einem Jungen angesehen zu werden.

      Er deutete zu seinem Wagen. »Bereit?«

      »Bereit wofür?«, fragte ich lächelnd, als er mir die Autotür aufhielt und ich vorsichtig einstieg, darauf bedacht, ihm nicht ungewollt einen Blick unter mein Kleid zu bescheren.

      »Lass dich überraschen«, erwiderte Tyler geheimnisvoll und ich seufzte, als er die Tür schloss und das Auto umrundete, um auf der Fahrerseite einzusteigen.

      Er startete den Wagen und warf mir noch einen Tyler-typischen Blick zu, mit dem er wohl alles von mir bekommen hätte.

      In den ersten Minuten der Fahrt schwiegen wir, doch ich fühlte mich keineswegs unwohl – im Gegenteil. Wir mussten nicht sprechen, die Nähe zueinander reichte vollkommen aus, um sich beschützt und gewollt zu fühlen. Es war … unglaublich.

      Die Autofahrt dauerte ungefähr fünfzehn Minuten die Berge hinauf und ich konnte kaum erwarten, zu erfahren, was er geplant hatte. Als er anhielt und ich einen ersten Blick auf die Aussicht werfen konnte, stockte mir schier den Atem.

      »Wow, das ist der Wahnsinn«, sagte ich, als ich aus dem Wagen stieg und ein paar Schritte in Richtung Abgrund machte. Von hier oben konnte man die Freiheit schmecken und mir wurde schwindelig, wenn ich daran dachte, mit wem ich hier war. Ich stolperte über einen Stein und wartete schon auf den schmerzhaften Fall, doch ein starker Arm fing mich auf.

      »Hey, vorsichtig.«

      Ich wagte es, nach oben zu sehen, und sofort durchbohrten mich seine Augen bis tief in meine Seele. Mit Tyler war ich verletzlicher, als ich es je gewesen war. Aber auf eine ziemlich verkorkste Art und Weise störte es mich nicht.

      Ich wandte mich wieder der Aussicht zu und atmete tief ein. Tyler ließ mich nicht los, stattdessen zog er mich noch enger zu sich und bettete seinen Kopf auf meinem.

      »Ich komme immer hierher, wenn mich etwas beschäftigt«, beantwortete er meine unausgesprochene Frage, wieso er sich gerade diesen Ort ausgesucht hatte.

      »Machst du das öfter?«, wollte ich wissen, bevor ich länger darüber nachdenken konnte. »Ich meine, ein Mädchen herbringen?«

      Er versteifte sich hinter mir und ich spürte, wie er sich mir langsam entzog. Tyler berührte sanft meine Schulter und drehte mich so, dass er mich ansehen konnte. »Wie kommst du denn auf so was? Das hier ist mein persönlicher Rückzugsort und ich habe ihn niemals jemandem gezeigt.«

      »Wieso mir? Wieso ich, Tyler?«, stellte ich endlich die Frage, die mich die ganze Zeit beschäftigte.

      Er runzelte fragend die Stirn und ich atmete tief aus.

      »Ich meine, sieh dich an. Bethany hatte recht mit dem, was sie gesagt hat. Sie ist die Sorte Mädchen, mit denen du dich abgeben solltest. Sie ist bildschön, beliebt und so unglaublich perfekt. So wie du. Ich hingegen …« Ich starrte wieder den Abgrund hinunter und seufzte. »Ich bin gewöhnlich. Nicht unbedingt jemand, der einem sofort ins Auge fällt. Aber ich mag es, wie es ist, verstehst du? Ich brauche all die Aufmerksamkeit nicht, denn ich habe sie nicht verdient.«

      Als ich mich zu Tyler drehte, stand er mit verschränkten Armen vor mir, doch er sagte nichts. Ich hatte den Nagel auf den Kopf getroffen und es tat mehr weh, als ich mir hätte vorstellen können.

      Ich lächelte bitter und es fühlte sich falsch an. All das hier fühlte sich falsch an, selbst die Gefühle, die ich empfand. Sie standen mir nicht zu.

      »Bist du jetzt fertig?«, fragte er und ich runzelte die Stirn.

      »Fertig? Womit?«

      »Damit, diesen Bullshit von dir zu geben. Bethany mag beliebt sein und vielleicht sieht man in diesen völlig verdrehten High-School-Filmen, dass der Captain des Football-Teams und die Cheerleaderin zusammengehören, aber nicht in meiner Welt. In meiner Welt gibt es dich. Ich habe dich gesehen und du hast mich umgehauen, Hailey. Das sage ich nicht nur so, denn so ein Typ bin ich nicht. Wenn du eines über mich wissen solltest, dann ist es, dass ich immer die Wahrheit sage. Immer.« Er breitete die Arme aus und drehte sich im Kreis. »Das hier wollte ich dir zeigen, weil ich will, dass du ein Teil meines Lebens wirst. Dass du all meine Geheimnisse kennst, weißt, wohin ich gehe, wenn ich mich nicht gut fühle. Und scheiße, ich bin eigentlich nicht so ein Weichei. Vor Wochen war es noch undenkbar, dass ich je über meine Gefühle spreche, aber das bringst du in mir hervor. Du bist der Grund, dass ich mich so fühle und am liebsten die ganze gottverdammte Welt umarmen will.«

      Tränen liefen lautlos über meine Wangen, als er mir sein Herz öffnete. Das Herz, in dem ich scheinbar wirklich einen Platz gefunden hatte.

      »Ich hielt diesen Scheiß mit der Liebe auf den ersten Blick für Bullshit. Doch all das war, bevor ich dich gesehen habe. Fuck, ich habe Gefühle für dich, echte Gefühle, und sie jagen mir eine Scheißangst ein. Doch ich bin bereit, es zu versuchen. Ich würde mir in den verdammten Arsch treten, wenn ich dich einfach gehen lassen würde, ohne es versucht zu haben.«

      Tyler kam auf mich zu und lehnte seine Stirn gegen meine. »Verstehst du jetzt? Ich brauche keine Bethany, keine andere. Nur dich. Ich brauche dich, Hailey.«

      Als seine Lippen meine fanden, fiel all die Anspannung der letzten Tage, Wochen, Monate – wenn nicht sogar Jahre – von mir ab. Es war, als hätten seine Worte mich geheilt, jeden Schmerz aus meinem Körper vertrieben, den ich hatte durchleben müssen. Ich klammerte mich an ihn wie eine Ertrinkende, wollte ihn fühlen, spüren, ihm nah sein. Dann löste er sich langsam von mir.

      »Hey, nicht so stürmisch. Jetzt wäre eigentlich der Zeitpunkt, an dem du etwas erwiderst.« Er verstellte seine Stimme und versuchte, meine nachzuahmen. »Oh ja, Tyler. Ich empfinde das Gleiche für dich und das sage ich dir jetzt endlich, damit du nicht das Gefühl hast, dass du dich zum Affen gemacht hast.«

      Ich lachte laut und zog ihn wieder zu mir. »Dass ich das überhaupt sagen muss. Ich fühle genauso wie du, bereits als ich dich zum ersten Mal bewusst wahrgenommen habe.«

      Nun lachte auch er. »Zum ersten Mal? Wann war das denn? In der Cafeteria oder auf der Party?«

      Ich verdrehte lächelnd die Augen. »Auf der Party! Aber das mit der Frauenstimme von vorhin solltest du noch mal üben, das klang wirklich furchtbar.«

      Ich zog eine Grimasse und er hob mich schwungvoll in die Luft. Kreischend klammerte ich mich an ihm fest, während er mich durch die Luft wirbelte. Als er mich langsam wieder herunterließ, verschlug es mir den Atem.

      Voller Liebe sah er mich an. Es war verrückt.

      Ich war Tyler Ward verfallen.

      Hailey

      Heute

       - Linkin Park / Castle of Glass

      Das Schwindelgefühl nahm zu, als ich das Ortsschild von Mariposa erkennen konnte. Ich hatte Angst, schreckliche Angst davor, wieder diesen Ort zu betreten und damit das Erlebte zurück in mein Leben zu lassen.

      Wer wusste schon, was mich dort erwartete?

      In den letzten Tagen hatte ich oft gezweifelt, ob es das Richtige war. Ob meine Entscheidung, mich der Vergangenheit zu stellen, nicht eher das Gegenteil bewirkte. Seit ich losgefahren war, zitterten meine Hände, ich schwitzte und bekam diese schrecklichen Bilder nicht aus meinem Kopf. Wütend schlug ich auf das Lenkrad. Wieso hatte er nach all den Jahren immer noch eine solche Macht über mich?

      Ich schaltete das Radio ein und hoffte, mich so ablenken zu können, doch natürlich geschah das genaue Gegenteil. Sobald ich die Straße entlangfuhr, kehrte all das zurück, was mich beinahe umgebracht hätte.

      Jede einzelne Stelle

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