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kommenden Veränderungen katastrophal sein werden oder auch Chancen bieten, sie nicht nur zu erleiden, sondern zu gestalten und zu nutzen.«60

      Ähnlich beschreiben auch die Ökonomen Heiner Flassbeck und Paul Steinhardt die großen Themen unserer Gesellschaft:

      »Heute sind die Aufgaben, die es auf der globalen Ebene zu bewältigen gilt, viel umfassender und komplexer. Insbesondere muss die ökologische Dimension der globalen Zusammenarbeit mit der ökonomischen Dimension in Einklang gebracht werden. Es ist keine Übertreibung, wenn man konstatiert: Die Staatengemeinschaft steht heute vor den größten Herausforderungen der Menschheitsgeschichte.«61

      Zusammengefasst lassen sich die großen Themen der gesellschaftlichen Krise wie in Abbildung 10 darstellen.

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      Abb. 10: Die großen Herausforderungen der Gesellschaft

      Die Komplexität der derzeitigen globalen Krise liegt darin, dass jede dieser einzelnen Herausforderungen mit den beiden anderen verbunden ist, dass jede Krise für die jeweils andere Ursache und Wirkung zugleich ist, sodass Lösungen nur im Zusammenspiel dieser Themenstellungen möglich sind. Wir haben es mit kybernetischen Regelkreisen, mit Wechselwirkungen und Unberechenbarkeit zu tun: Unsere Welt ist »VUCA« geworden, wie man sagt, volatil, unsicher, komplex und ambig (mehrdeutig), und damit der Interpretation ausgeliefert.

      Insgesamt kann man die Krise auch als einen globalen und tiefen Verlust von Balance betrachten, als Einseitigkeit, Schieflage und Ausblenden der Komplexität der Welt.

      Um es nicht zu einfach erscheinen zu lassen: Sofern wir als Gesellschaft uns vornehmen, diese miteinander verwobenen Krisen zu lösen, müssen wir es auf eine Art und Weise tun, die uns als Gesellschaft zivilisatorisch weiterbringt und nicht zurückwirft. Wir brauchen also eine globale Veränderung zweiter Ordnung, einen fundamentalen Musterwechsel. Das wäre dann alles, soweit.

       3.2Wege aus der Krise – ein Prozess

      Ich habe die Krise der gegenwärtigen Gesellschaft in ihrer Dynamik, ihren Erscheinungsformen und Inhalten mithilfe der Literatur und aus großer Flughöhe skizziert. Die spannende Frage aber lautet: Wie kommen wir aus dieser Krise wieder heraus? Wie verhindern wir, dass wir darin stecken bleiben oder dass die Veränderung zerstörerisch explodiert? In der Vergangenheit wurden auf diese Fragen unterschiedliche Antworten gegeben:

       Die Aufklärung entwickelte ein Menschenbild, das auf Vernunft (im Unterschied zum Glauben) aufbaut:62 Der vernunftbegabte Mensch ist für sich und die Entwicklung der Gesellschaft verantwortlich. Der logisch denkende Mensch steht im Zentrum gesellschaftlicher Veränderung.

       Die marxistische und später die kommunistische Sicht auf Veränderungsprozesse sind vom Prinzip des Klassenkampfes bestimmt:63 Gesellschaftliche Veränderung könnte, so die Annahme, nur durch einen revolutionären Umsturz nach dem Vorbild der Französischen Revolution entstehen.

       Seit der industriellen Revolution wurden Veränderungsprozesse als machbar, gestaltbar, steuerbar und einer technisch-linearen Logik folgend konzipiert.64

      Alle diese Vorstellungen sind unter den jeweiligen historischen Umständen entstanden. Unsere Veränderungsvorbilder stammen aus alten Zeiten mit alten Methoden und alten Zielen.

      Was wäre also heute eine geeignete Vorstellung von Veränderungsprozessen, wenn Erklären, Verstehen und einfache lineare Modelle offenkundig nicht funktionieren und gewaltsamer Umsturz nicht akzeptabel ist?

      Es ist eine der vielen »prinzipiell unentscheidbaren Fragen«, wie Heinz von Foerster es nennt: Was ist ein guter Weg aus der Krise – und wie kommen wir in eine neue, bessere Situation?

      In einer komplexen und kritischen Situation gibt es keine richtigen oder falschen Antworten. In unübersichtlichem Gelände können Landkarten allerdings hilfreich sein. Sie dampfen Komplexität ein, sie geben die für uns relevanten Informationen, sie vereinfachen unsere komplexe Welt. Man sollte aber immer wissen, dass die Landkarte kein exaktes Abbild der Landschaft ist. Landkarten dienen der Orientierung in der Welt: Sie weisen bestimmte Zeichen und Symbole auf, etwa das Zeichen für »Ein-Nordung«, den Maßstab der Entfernungen und diverse Symbole für Straßen, Berge, Flüsse oder unterschiedliche Farben für Höhenlagen. Landkarten beschreiben unterschiedliche Schwerpunkte der Welt, etwa geologische, politische oder Straßen.

      Aufbauend auf dem integrierten dialektischen und systemischen Bild von Transformation, das in Abschnitt 1.4 vorgestellt wurde, sieht die Landkarte für das Gelände gesellschaftlicher Herausforderungen und Transformation jetzt wie in Abbildung 11 aus.

      Mithilfe dieser Landkarte können wir gemeinsam wandern, Schritt für Schritt.

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      Abb. 11: Landkarte der Dynamik gesellschaftlicher Herausforderungen

       3.3Der Auftrag

      Die Auftragsklärung und -formulierung ist für Berater und Beraterinnen von Organisationen nicht immer einfach. Meistens braucht man ein paar Gesprächsrunden, bis entschieden und vereinbart ist, dass und wie zusammengearbeitet werden soll.

      Wer aber erteilt einen Auftrag für Beratung und Transformation der Gesellschaft? Wir alle sind Gesellschaft. Niemand kann sich herausstellen. Außerhalb von uns allen, außerhalb der globalen Gesellschaft, ist die ökologische Natur, dann kommt schon das Universum.

      Um die Frage nach dem möglichen Auftraggeber für Transformation der Gesellschaft zu klären, sei an die Feststellung von Dirk Baecker zur gesellschaftlichen Kommunikation erinnert:65

      »Die erste Minimalbedingung lautet, dass es weitergeht.«

      Indem die Gesellschaft, wie Dirk Baecker feststellt, keinen anderen Sinn hat als ihren Fortbestand sicherzustellen, kann der Auftrag für die Transformation der Gesellschaft nur von den Repräsentanten und Repräsentantinnen der Zukunft kommen: von der jungen Generation, der Generation der Zukunft. Das Versprechen von uns, die in der Gegenwart leben, an jene, die in Zukunft leben werden, lautet daher, dass es weitergeht mit unserer Gesellschaft, dass die Zukunft unser Weiter-Leben im mehrfachen Sinne bedeutet: »weiter« im zeitlichen Sinne kontinuierlich, »weiter« im räumlichen Sinne, im Sinne von global vernetzt und kooperativ sowie »weiter« im Sinne von weiterentwickelt, klüger und bewusster. Wir alle, die jetzt da sind, müssen den Auftrag der künftigen Generation übernehmen, wir müssen Lösungen für Probleme der Gesellschaft der Zukunft finden oder schaffen.

      Ich übernehme diesen Auftrag für meinen Enkel León, 9 Jahre alt. Ich verstehe seinen Auftrag an mich so: Leiste einen Beitrag dazu, dass ich in eine Welt hineinwachsen kann, in der ich gesund und in Frieden leben kann, in der ich mich entwickeln und Teil einer Gemeinschaft sein kann und in der ich selbst einen Beitrag für meine Kinder und Enkel leisten kann, um ihnen eine gute Zukunft in einer guten Welt zu ermöglichen.

      Ich nehme den Auftrag an und tue mein Bestes.

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